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2015 belief sich das Einkommen von Agrokor auf 6,5 Milliarden Euro – 16 Prozent des kroatischen Bruttoinlandsprodukts.

Foto: Reuters / Antonio Bronic

Die Villa Castello mit dem Türmchen, direkt am Meer in der Nähe von Opatija auf dem Felsen gebaut, wird gerade verhökert. Sie war seit 1999 im Besitz des Gründers des Lebensmittel-Konzerns Ivica Todorić. Der Verkauf ist ein Symbol dafür, wie das Firmenimperium zerfällt. Sieben Millionen Euro für die Villa sind aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein – betrachtet man die riesigen Finanzprobleme von Agrokor.

Nun hat auch noch die überwiegend im staatlichen Besitz befindliche Sberbank die Agrokor geklagt. Es geht um rund 1,1 Milliarden Euro, die die Sberbank dem finanziell instabilen Unternehmen lieh und nun zurückhaben will. Die Sberbank argumentiert, dass Agrokor Geschäftsberichte verfälscht und so die Bank in die Irre geführt habe – indem der Lebensmittelriese angab, Gewinne zu schreiben. Hätte man die tatsächlichen Zahlen gekannt, wäre man nicht eingesprungen.

Zagreb greift ein

Kroatischen Medien zufolge hat die Sberbank auch ein Schiedsverfahren gegen die Agrokor in London und ein strafrechtliches Verfahren – unter anderem gegen den Agrokor-Gründer Ivica Todorić – angestrengt. Seit einem Gesetz, das im April beschlossen wurde, hat der kroatische Staat die Möglichkeit, in systemrelevanten Unternehmen zu intervenieren. Vereinbart wurde ein Krisenmanagement für 15 Monate, ein staatlicher Manager wurde beauftragt. Todorić zog sich aus dem Unternehmen zurück.

Wegen des Agrokor-Gesetzes wurde das Konkursverfahren mittlerweile gestoppt. Doch die Sberbank meint nun, dass sie durch das Gesetz ungleich behandelt werde – weil ihre offenen Forderungen nachgereiht würden. Das staatlich geführte Management will tatsächlich zuerst die Schulden an die kleinen Lieferanten zurückzahlen. Die Klage der Sberbank gegen die Agrokor wurde in Kroatien als ziemlich bedrohlich aufgenommen.

Beziehungen zu Russland belastet

"Ein solches Gerichtsverfahren ist zeitaufwendig, und kurzfristig wir man keine Konsequenzen spüren, aber langfristig kann die Sberbank damit die Liquidität von Agrokor gefährden", erklärt der Wirtschaftsprofessor Vladimir Čavrak von der Uni in Zagreb. In Zagreb fürchtet man sich auch vor anderen Reaktionen aus Moskau. "Zu erwarten sind jedenfalls Auswirkungen auf die politischen Beziehungen zwischen Kroatien und Russland", meint Čavrak. Seit der neue kroatische Premier Andrej Plenković einen russlandkritischen Kurs eingeschlagen hat, hat sich das Verhältnis verschlechtert. Manche Beobachter sehen das Vorgehen der Sberbank auch in diesem Licht.

Bereits im Juli hat die russische Bank vor dem Handelsgericht in Belgrad einen Prozess begonnen, um zwei Unternehmen der Agrokor, auf die sie Anspruch erhebt, zu übernehmen, und führt dabei auch die Kredite ins Treffen, die sie gewährt hatte. Serbische Unternehmen haben bereits Interesse angemeldet, die Firmen in der Folge von der Sberbank zu kaufen.

Schuldenberg unbekannt

In Kroatien selbst gestaltet sich die Restrukturierung laut Čavrak ziemlich schwierig, weil der Großteil des Unternehmens noch gar nicht bearbeitet wurde. Grundsätzlich will Agrokor einige Firmen verkaufen – allerdings will man das vorsichtig tun, um die Aktien nicht noch mehr abzuwerten. Unklar ist nach wie vor ist, wie viele Schulden Agrokor gegenüber welchen Geldgebern hat – eine diesbezügliche Liste wurde noch nicht veröffentlicht.

Deswegen kann noch mit allem Möglichen gerechnet werden. Čavrak schließt auch nicht aus, dass der Staatshaushalt angesichts der Gerichtsverfahren belastet werden könnte. Allein dass der Staat überhaupt intervenieren musste, um das Unternehmen zu retten, "verringert das Vertrauen in das Funktionieren des Marktes in Kroatien und entmutigt ausländische Investoren", so Čavrak zum STANDARD.

Größtes Unternehmen im Land

Tatsächlich ist Agrokor Kroatiens wichtigstes Unternehmen. 2015 belief sich das Einkommen von Agrokor auf 6,5 Milliarden Euro – 16 Prozent des kroatischen Bruttoinlandsprodukts. Agrokor beschäftigt 40.000 Menschen in Kroatien und 20.000 in Slowenien, Bosnien-Herzegowina und Serbien. Insbesondere die Supermarktkette Konzum hat eine dominante Marktstellung.

Doch im Fall von Bosnien-Herzegowina will man nun die slowenische Supermarkt-Kette Mercator wieder zurückbringen. Agrokor hatte 2014 Mercator gekauft und sich dabei übernommen. In Bosnien-Herzegowina war Mercator zudem viel erfolgreicher als der kroatische Supermarkt Konzum gewesen. Nun will man manche Konzum-Supermärkte wieder in Mercator-Supermärkte umgestalten.

Nachbarschaftsprobleme

Kroatien hat zur Zeit aber nicht nur Probleme mit russischen Banken, auch mit den Nachbarn gibt es Probleme. Sowohl Slowenien als auch Ungarn Sowohl Ungarn als auch Slowenien blockieren den Beitritt des jüngsten EU-Staates in die Organisation für Ökonomische wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Hinter der Blockade durch Ungarn steht der alte Konflikt zwischen den Eigentümervertretern der Erdölunternehmen Ina und Mol.

In Kroatien ist man nach wie vor der Meinung, dass die Tatsache, dass die Mol die Mehrheit der Anteile in der kroatischen Ina übernahm, auf Korruption basierte und gegen die nationalen Interessen gewesen sei. 2013 erließ Kroatien sogar gegen Mol-Vorstand Zsolt Hernadi 2013 einen Haftbefehl – 2016 wurde dieser zurückgezogen, allerdings ist das Verhältnis zwischen Ina und Mol nach wie vor ungeklärt.

Kroatien hatte im Vorjahr ein Schiedsverfahren gegen die Mol verloren. Daraufhin hatte Premierminister Plenković angekündigt, die Mol-Anteile zurückzukaufen. Wie der kroatische Staat das – auch angesichts der Situation von Agrokor – zustande bringen will, ist allerdings unklar.

Die Blockade von Slowenien basiert darauf, dass Kroatien den jüngsten Schiedsspruch zum Golf von Piran nicht akzeptiert und umsetzt. Slowenien argumentiert, dass Kroatien zuerst internationales Recht einhalten müsse – bis dahin lege man ein Veto in der OECD ein. (Adelheid Wölfl, 21.9.2017)