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EU-Gipfel im Dezember: Schulz, Merkel und May beim Smalltalk.

Foto: AP/Winjgaert

Dass Angela Merkel bei der Wahl am Sonntag als Bundeskanzlerin bestätigt wird, halten die Briten für ebenso selbstverständlich wie viele Deutsche. Einer der wichtigsten Gründe dafür, schreibt Michael Taylor vom konservativen Thinktank Policy Exchange, sei "die Stärke der deutschen Wirtschaft". Die Regierungschefin verkörpere "Zufriedenheit und Sicherheit", kommentiert der linksliberale "Guardian", was den Deutschen entgegenkomme.

Ähnlich geht es vielen Beobachtern auf der Insel. Manche wie die "Financial Times" erhoffen sich von Merkel mehr Führungsstärke, nicht zuletzt auf der globalen Bühne. Gerade das "gefährliche Benehmen" von US-Präsident Donald Trump gebe den Deutschen Anlass dazu, Merkels "vorsichtige Solidität" zu schätzen: "Die Aussicht auf eine erfahrene Führungsfigur für Deutschlands mächtigste Nation ist ein einsames Licht in einer düsteren geopolitischen Landschaft."

Brexit im Fokus

Ähnlich sehen es die politischen Macher, wenn sie sich auch völlig aus dem Wahlkampf herausgehalten haben. Merkels Wiederwahl werde den Weg für eine pragmatische Brexit-Lösung freimachen, hoffen Theresa May und ihre Minister. Allerdings gilt das persönliche Verhältnis der beiden mächtigsten Frauen Europas als unterkühlt.

Dem SPD-Herausforderer Martin Schulz begegnen viele Medien mit offener Skepsis, vor allem wegen seiner langen Jahre in Brüssel. Wer dem dortigen Parlament fünf Jahre präsidiert habe, könne "kaum proeuropäischer sein", schreibt Rebecca Lowe vom EU-skeptischen Thinktank Policy Exchange mit unverkennbarer Abscheu. Für die neue Legislaturperiode hoffen viele Briten auf ein Bündnis der CDU/CSU mit der FDP – "eine wirtschaftsfreundlichere Koalition in Berlin" werde dann, so Faisal Islam vom TV-Sender Sky, "die EU-Kommission an die Kandare" nehmen und damit den Brexit erleichtern.

Kurioses und Halbwahres

Zu den Debattenbeiträgen gehörten auch Kuriositäten wie ein Essay im Wochenmagazin "New Statesman". Dem Buchautor und Nietzsche-Kenner James Hawes zufolge verläuft die wichtigste innerdeutsche Grenze seit Karl dem Großen an der Elbe. Bei der Wahl gehe es vielen Deutschen darum, eine Wiederbelebung des nach Osten schauenden Preußentums zu verhindern: Viel wichtiger als der Brexit "ist liberalen Deutschen die Bewahrung der Westorientierung" des Landes. Die lustige These nimmt freilich Schaden durch zahlreiche Detailfehler: Laut Hawes lautet der Text der Nationalhymne noch immer "Deutschland über alles", liegt Leipzig in Thüringen, sprechen die östlichen Nachbarn selten über die deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg – Letzeres trifft jedenfalls auf die polnische Rechtsregierung gewiss nicht zu.

In den letzten Tagen vor der Wahl wiesen viele Artikel auch auf das Erstarken der extremen Rechten in Deutschland hin. Die Anzeigenkampagne der AfD, hieß es auf Sky, stelle "eine Mischung aus Nationalismus, Fremdenhass und Frauenfeindlichkeit" dar. Die "Financial Times" wertete Äußerungen von AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel als "Echo der rechtsextremen Reichsbürger-Bewegung". Die rassistische Kampagne der NPD gegen den schwarzen SPD-Abgeordneten Karamba Diaby brachte die konservative "Times" zu der Feststellung, dass unter der Oberfläche in Deutschland "tiefe Gräben und Wut" existieren. (Sebastian Borger aus London, 21.9.2017)