Als Massud Barzani im vergangenen Februar wieder einmal zu einem Arbeitsbesuch in die Türkei kam, hissten die Protokollbeamten am Flughafen erstmals die kurdische Fahne. Rot-weiß-grün und in der Mitte die goldene Sonne. Kein Problem, erklärte Binali Yıldırım, der Regierungschef des türkischen Präsidenten, seiner eigenen Partei und der Opposition, die damit sehr wohl ein Problem hatten. Die Kurden im Nordirak hätten Parlament, Premier, Minister und eine Fahne, stellte Yıldırım fest, "und so sind sie überall auf der Welt anerkannt".

Als Massud Barzani aber seinen Volksentscheid über die staatliche Unabhängigkeit der Kurdenregion ankündigte und das Referendum auch nicht verschieben wollte, war es vorbei mit den Freundlichkeiten der türkischen Führung. Ein bisschen unabhängig ist sehr in Ordnung, signalisierte Ankara seinem wichtigen Partner in der Region, tatsächlich unabhängig sein dagegen ein großer Fehler.

Große Koalition

Am Rand der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York tat sich Mevlüt Çavusoğlu mit seinen Außenministerkollegen aus dem Iran und dem Irak zusammen. Ohne konkret zu werden, kündigten die drei Minister "koordinierte Gegenmaßnahmen" an. Das Unabhängigkeitsreferendum sei nicht von Vorteil für die Kurden und für die kurdische Regionalregierung, hieß es in der Erklärung vom Donnerstag. Plötzlich steht die große Koalition gegen die Kurden.

Tayyip Erdoğan hat schon Genaueres im Sinn. Heute, Freitag, tritt in Ankara der Nationale Sicherheitsrat unter dem Vorsitz des türkischen Staatschefs zusammen. Beraten wird über Barzani und sein Referendum. Die Sanktionen würden "nicht gewöhnlich" sein, soll Erdoğan türkischen Journalisten gegenüber bereits gesagt haben.

Doch so einfach ist das nicht. In den Beziehungen zwischen Ankara und der kurdischen Regierung in Erbil steht einiges auf dem Spiel: 1.300 türkische Firmen im Nordirak, die Exportroute in die Türkei, über die täglich bis zu 600.000 Fass Rohöl verkauft werden, die Freikarte für die türkische Armee im Nordirak, die dort gegen die PKK kämpft und mit Barzanis Einwilligung auch eine Militärbasis in der Nähe von Mosul unterhält.

Erdoğan lässt bereits die Armee an der Grenze zum Nordirak Manöver abhalten. Bei einem Bombenangriff der türkischen Luftstreitkräfte gegen die PKK kamen am Dienstag auch sieben Zivilisten ums Leben. Erbil protestierte.

"Schmutzige Pläne"

Türkische Kommentatoren sehen das anrollende Referendum mit einiger Paranoia: Von "schmutzigen Plänen" der USA und Israels ist die Rede, welche die Kurden unterstützen und am Ende die Türkei zerstückeln wollen, die ja ihre eigene kurdische Minderheit hat. Manche bleiben aber auch gelassener. Barzani mag sein Referendum abhalten, heißt es; doch es sei wertlos, wenn niemand die Unabhängigkeit der Kurden im Nordirak anerkennt. Auf Besuche in Ankara – und gar mit Fahne – wird Barzani wohl erst einmal verzichten müssen. (Markus Bernath, 24.9.2017)