Die Schneckenzucht an sich ist einfach. Nur, wie schafft man es, ein Produkt, vor dem es viele graust, attraktiv zu machen? Andreas Gugumuck hat einen Weg gefunden.

Foto: Nussbaumer

Wien – Eigentlich passen die Tiere gar nicht zu ihm. Diese kaltblüterischen Kriechtiere. Denn Andreas Gugumuck ist ein Springinkerl. Immer irgendwie in Bewegung. Flink wie ein Boxer. Die Ausübung dieses Sports hat ihm die Ausdauer gelehrt. Wer gewinnen will, muss zäh sein. Wie Schneckenschleim.

Seit zehn Jahren sind sie seine Leidenschaft. Die Helix pomatia, Helix aspersa Müller und Helix aspersa maxima, sprich Weinbergschnecken. Wie es dazu kam? Ein RONDO-Artikel über die Zubereitung der Häuserträger brachte ihn ums Jahr 2007 herum auf die Idee, sich als Schneckenzüchter zu versuchen.

Markt erkämpft

Doch die klassische Aufgabe, vor einer Start-up-Gründung eine Marktanalyse zu erstellen, entpuppte sich für den Wiener Wirtschaftsinformatiker mit damals gut dotiertem IBM-Job gleich einmal als Ding der Unmöglichkeit: "Es gab keinen Markt. Den habe ich zehn Jahre lang erst erkämpfen müssen."

Dabei galt Wien, wie seine Studien ergaben, dereinst als kulinarische Schneckenhochburg. Wovon auch alte Kochbücher mit Rezepten für die auch Wiener Austern genannten Weichtiere zeugen. Doch anders als in Frankreich, wo jährlich 40.000 Tonnen Schnecken auf den Tellern landen, habe hierzulande damals kein Wirt nach ihnen gekräht.

Ein weißer Fleck, der nicht nur von Nachteil war. Das unternehmerische Neuland, das er betrat, weckte bei den Behörden Interesse. "Ich habe mit dem Veterinäramt proaktiv zusammengearbeitet, alle Fragen wurden offen angesprochen und Entscheidungen gemeinsam getroffen", erinnert sich der heute 43-Jährige.

Bei der Betriebsanlagengenehmigung tummelten sich 20 Beamte auf dem Gelände in der Wiener Rosiwalgasse, ganz am Ende der (Wiener) Welt – weil auch nichtinvolvierte Kollegen auf die Umsetzung des Projekts neugierig waren.

300.000 Schnecken

Vis-à-vis dem eines ungewissen Schicksals harrenden Haschahof kriechen heute rund 300.000 Schnecken auf einem 2.000 Quadratmeter großen Freilandareal, sich hörbar schmatzend an (noch) üppigem Gras, Mangold, Rüben und biologischem Kraftfutter labend. Bis, ja, bis sie nach ihrer Geschlechtsreife mit ungefähr vier Jahren reif für den Kochtopf sind.

Dann rückt Gugumuck wie jetzt im Herbst mit drei bis vier Mitarbeitern aus. "An einem Vormittag schaffen wir es, bis zu 10.000 Schnecken einzusammeln", erzählt er. Eineinhalb Tage braucht es, das Kernprodukt zu verarbeiten. Einen weiteren halben Tag, um Fertigprodukte wie Gulasch oder Ragout zu kochen.

"Die Schnecke stirbt im Schlaf", beruhigt er sensible Gemüter. Befinden sie sich in der Sammelkiste, verfallen sie in Trockenstarre, um sich vor dem Austrocknen zu schützen. In diesem Zustand kommen sie in kochendes Wasser.

Eine Tonne Muskelfleisch, ungefähr 200.000 Schnecken, verkauft Gugumuck mittlerweile jährlich an rund 200 Abnehmer in der Gastronomie. Das Stück zu 50 Cent. Im kleinen Hofladen und über die Website werden fertige Schneckendelikatessen und anderer Schneckschnack verkauft. Jeden Freitag tischt Küchenchef Dominik Hayduck im Bistro am Hof ein sechsgängiges Menü auf.

Vor kurzem hat der (bald) dreifache Vater von einer Schneckenprinzessin und zwei Schneckenprinzen im Eigenverlag ein Buch mit allem Wissenswerten zur Schneckenzucht herausgebracht. Züchtet er sich damit nicht die eigene Konkurrenz heran? "Im Gegenteil", antwortet er. "Wenn mehr Leute das machen, bringt das potenzielle Zulieferer für mich und reizt die Lust, sich auch lukullisch damit auseinanderzusetzen."

Viel Handarbeit

Erst die Frage, wie es mit Ertrag aussieht, den er mit seinem kleinen Team (zwei Vollzeit-, zwei Teilzeitangestellte und ein bis zwei Praktikanten) erreicht, entschleunigt ihn – ein wenig. "Ich hatte zum einen das Glück, dass einiges auf unserem Hof, der sich seit vielen Jahrhunderten in Familienhand befindet, vorhanden war."

Die Kosten seien überschaubar. Es sei halt viel (Hand-)Arbeit zu erledigen. Er selbst zahle sich noch immer kein Gehalt aus, lebe schlank mit seiner Familie.

Entscheidend für den Erfolg sei aber die Frage: "Wie schafft man es, aus einem Produkt, vor dem es viele graust, eine Attraktivität zu machen?"

Daran knüpft er die nächste Frage: Wofür arbeitet und lebt man? Fürs Wochenende zum Ausspannen, für den Urlaub, fürs schicke Auto? Gugumucks Antwort: "Wenn man etwas gern macht, braucht man nichts anderes als Kompensation." (Karin Tzschentke, 22.9.2017)