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Bei Verstößen auf dem Feld werfen Referees kleine Flaggen. Abseits des Feldes gibt's Dopingkontrollen.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/Rob Carr

Wien – Da staunten die österreichischen Dopingfahnder nicht schlecht. Am 25. November 2016 hatte die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) bei den Vienna Vikings einige Footballspieler zur Kontrolle gebeten, im Körper von Offensive-Liner Michael Haider wurde die verbotene Substanz GW1516 nachgewiesen. Der metabolische Modulator war den Kontrolloren bis dahin in Österreich nicht untergekommen. Der Wirkstoff soll den Fettabbau und den Muskelaufbau fördern. Und er hätte niemals seinen Weg auf den Markt finden dürfen.

GW1516 hat Geschichte. Der Wirkstoff wurde vom britischen Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline (GSK) zur Behandlung von Stoffwechsel- und Herzkreislauferkrankungen entwickelt. Bereits in der präklinischen Phase, also bevor die Substanz jemals zum Einsatz beim Menschen gekommen ist, wurde das Programm 2006 gestoppt. "Die Substanz führte laut unseren Untersuchungen zu erhöhten Tumorraten bei Mäusen", sagt eine Sprecherin des Unternehmens zum Standard. Nachsatz: "Der Wirkstoff soll nicht mit von GSK vertriebenen Arzneimitteln in Verbindung gebracht werden, er wurde nie von uns in Umlauf gebracht."

Trotzdem wird GW1516 unter dem flockigen Namen Endurobol als Dopingmittel auf dem Schwarzmarkt angeboten. Wie ist das möglich? Einfacher, als man es glauben möchte. Denn ist die Struktur einer Substanz erst einmal publik, etwa durch Veröffentlichung in einem Wissenschaftsmagazin, gestaltet sich der Nachbau gar nicht so kompliziert. Schwuppdiwupp landen die Kapseln in schicken Dosen und werden über dubiose Shops im Internet vertrieben. Zulassung? Fehlanzeige. Warnhinweise? Nicht zu finden. Ganz im Gegenteil, das Produkt wird gepriesen. "Mit GW1516 kann ein Sportler seine Ausdauerleistung in wenigen Tagen dramatisch verbessern", so steht es zu lesen. Mit 45 Euro ist man im Geschäft, schon landen 60 Kapseln im Postkasten.

GlaxoSmithKline hat vor dem Gebrauch der Substanz bereits 2013 gewarnt. "Als der Schwarzmarkthandel und potenzielle Missbrauch von GW1516 durch Athleten über Berichte im Internet bekannt wurden, hat GSK sofort die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) kontaktiert", heißt es seitens des Unternehmens. Die Wada wiederum reagierte ob der schwerwiegenden Nebeneffekte – wohlwissend, welche Risiken manche Sportler für den Erfolg in Kauf nehmen – mit einer ungewöhnlichen Maßnahme, man gab eine Warnung aus. Sozusagen ein freundlicher Rat an potenzielle Betrüger, mit einer anderen Substanz zu mogeln. Um der Gesundheit willen.

Späte Warnung

Möglicherweise kam die Warnung um Jahre zu spät, vielleicht wurde die Gefahr unterschätzt, denn GW1516 steht bereits seit 2009 auf der Liste der verbotenen Substanzen. Die Wada mahnte erst zur Vorsicht, als sich die positiven Fälle im Spitzensport häuften. Zunächst waren es eine Handvoll Radfahrer aus Lateinamerika, dann folgte mit Jelena Laschmanowa die Olympiasiegerin im 20-km-Gehen. In London war die Russin 2012 in Weltrekordzeit zu Gold marschiert. Nach dem Weltmeistertitel 2013 wurde sie für zwei Jahre gesperrt.

Auch Haider muss nun zwei Jahre pausieren. Die Mitte September ausgesprochene Sperre beginnt mit dem Tag der Dopingkontrolle und endet am 24. November 2018, sie wurde durch die österreichische Anti-Doping-Rechtskommission gemäß Artikel 10.6.1 der Anti-Doping-Regeln der International Federation of American Football (Ifaf) festgelegt. Der 30-jährige Wiener muss also kooperativ gewesen sein, denn hinter der kryptischen Zahlenkombination 10.6.1 verbirgt sich die Kronzeugenregelung. Um diese zur Anwendung zu bringen und eine längere Sperre zu vermeiden, muss der Beschuldigte substanzielle Hinweise auf eventuelle Hintermänner liefern. Da reicht es nicht, zu behaupten, man habe den Stoff im Internet erstanden.

Im American-Football-Bund Österreich (Afbö) zeigt man sich angesichts des Dopingfalls betrübt. "Das ärgert uns irrsinnig", sagt Präsident Michael Eschlböck, "wir bemühen uns redlich, den Sport sauber zu halten." Im konkreten Fall sei "das eine der blödesten Geschichten, die man sich vorstellen kann. Weil man weiß, dass diese Substanz gefährlich ist." Eschlböck kann den Ereignissen bei aller Empörung auch Positives abgewinnen. Zumindest gebe es jetzt ein mahnendes, abschreckendes Beispiel. Man müsse das Thema offen ansprechen, noch mehr präventive Arbeit leisten. "Man muss sagen, das geht nicht. Doping hat im Sport nichts verloren. Schon gar nicht im Amateursport." Eschlböck will sich aber nicht der Naivität hingeben: "Natürlich lässt das den Schluss zu, dass es weitere Fälle gibt."

Im vergangenen Jahr wurden unter Österreichs Footballspielern 40 Dopingkontrollen vorgenommen. 32-mal wurde Urin abgegeben, achtmal Blut. Zum Vergleich: Allein für die Vienna Vikings sind aktuell mehr als 50 Spieler zu einem Einsatz in der Kampfmannschaft berechtigt. Ein flächendeckendes Kontrollnetz ist kaum zu spannen, umso mehr zählt der Appell an die Vernunft. "Die spielen doch alle, weil sie den Football lieben", sagt Eschlböck. Es sei Irrsinn, dieses Vergnügen aufs Spiel zu setzen. Haider sei durchaus eine Option für die Europameisterschaft 2018 in Deutschland gewesen. Diese Chance ist dahin, stattdessen wurde er zum Ersatz der Kosten eines langwierigen Dopingverfahrens verpflichtet. Wohlgemerkt in einer Sportart, in der er bisher noch keinen Cent verdient hat. Um es mit Haiders eigenen Worten zu sagen: "Das hat sich ausgezahlt."

Schmaler Grat

Ob der Spieler nach Ablauf der Sperre ein Comeback bei den Vikings geben könnte? "Es gibt unterschiedliche Meinungen im Verein", sagt Clubmanager Lukas Leitner, "wir lassen uns diese Entscheidung offen." Leitner selbst hält eine Rückkehr des Spielers nicht für undenkbar. "Wenn er seine Strafe abgebüßt hat, kann man ihm auch eine zweite Chance geben." Der Dopingfall werfe zwar kein gutes Licht auf den Verein, sei "unter 700 Aktiven bei den Vikings aber ein absoluter Ausnahmefall". Jedes Mitglied der Vikings müsse bei Eintritt per Vertrag bestätigen, keine verbotenen Substanzen einzunehmen. Der 14-fache österreichische Meister hat Haider nach dem positiven Dopingbefund sofort suspendiert und per Aussendung Stellung bezogen. Es sei insbesondere für Amateursportler nicht immer einfach, den schmalen Grat zwischen Leistungsverbesserung und Doping klar zu erkennen. "Es greift zu kurz, wenn man den Betroffenen vollkommen verdammt." (Philip Bauer, 22.9.2017)