"Es war brutal. Wir haben noch nie eine solche Zerstörung gesehen", sagte Dominicas Regierungschef Roosevelt Skerrit.

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Das US-Hurrikanzentrum stufte den Wirbelsturm am Donnerstagabend als Hurrikan der Kategorie drei auf der fünfstufigen Saffir-Simpson-Skala ein.

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San Juan – Mindestens 32 Menschen sind durch den Hurrikan Maria in der Karibik ums Leben gekommen. Allein auf Puerto Rico seien 15 Menschen gestorben, berichtete die Lokalzeitung "El Nuevo Dia" am Donnerstagabend. Viele von ihnen seien in der komplett überfluteten Region Toa Baja ertrunken. Mehr als 4.000 Menschen hätten aus dem betroffenen Gebiet gerettet werden können.

Maria hat eine Spur der Verwüstung in der Karibik gezogen. Neben dem US-Territorium Puerto Rico, das US-Präsident Donald Trump als "völlig zerstört" bezeichnete, traf der Wirbelsturm die Inseln Dominica und Guadeloupe besonders hart.

Dominica, eine kleine Insel in der Karibik, bekam zu Wochenbeginn als eine der ersten die volle Wucht des Hurrikans "Maria" zu spüren. "Es war brutal. Wir haben noch nie eine solche Zerstörung gesehen", sagte Regierungschef Roosevelt Skerrit in einem TV-Interview.

Mindestens 15 Tote auf Dominica

Die bisherige Bilanz von mindestens 15 Toten dürfte nur vorläufig sein. Denn immer noch gebe es keine Verbindung zu einigen direkt von "Maria" verwüsteten Orten an der Ostküste der ehemaligen britischen Kolonie. Der Premier war am Donnerstag (Ortszeit) eigens auf die nahe gelegene Insel Antigua geflogen, um dort im TV-Sender ABS der Außenwelt vom verheerenden Zustand auf Dominica mit seinen etwa 70.000 Einwohnern nach dem Durchzug von "Maria" zu berichten.

"Jedes Dorf in Dominica, jede Straße, jede Ritze, jede Person wurde vom Hurrikan getroffen", sagte Skerrit. "Wir haben kein fließend Wasser, wir haben keinen Strom, und die Telefonverbindungen funktionieren nur begrenzt."

Spitzengeschwindigkeiten von 250 km/h

Skerrit selbst hatte den Hurrikan der höchsten Stufe 5 am eigenen Leib zu spüren bekommen. Er überlebte nach eigenen Angaben in seinem Haus, Schutz unter einer Matratze suchend, als "Maria" mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 250 Stundenkilometern das Dach des Gebäudes wegriss und Hochwasser eindrang. "Mein Dach ist weg. Ich bin der Gnade des Hurrikans ausgeliefert. Mein Haus wird überschwemmt", schrieb er am Montagabend (Ortszeit) auf Facebook. Kurz darauf wurde der Regierungschef in Sicherheit gebracht. "Ich bin gerettet worden", schrieb er anschließend.

Im Sender ABS schilderte Skerrit nun, wie sich einige Einwohner Dominicas in Küchenschränke quetschten, um zu überleben. Viele Gebäude und Schulen seien dem Erdboden gleichgemacht. Das größte Krankenhaus der Insel habe keinen Strom, weil der Notfall-Generator unter Wasser stehe. Das Personal dort arbeite seit vier Tagen ununterbrochen.

Skerrit befürchtet zudem, dass die Zahl der Toten noch steigen wird. Straßen zu einigen schlimm getroffenen Orten an der Ostküste seien durch Sturmschäden blockiert. Nur per Boot und Flugzeug könne man sich annähern. Was er auf einem Flug über die betroffenen Gebiete gesehen habe, erscheine eine "fast komplette Zerstörung", sagte er.

Hurrikan gewinnt wieder an Kraft

Derzeit befindet sich der Hurrikan wieder über dem offenen Meer und gewinnt an Kraft. Das US-Hurrikanzentrum stufte den vorübergehend etwas abgeschwächten Wirbelsturm am Donnerstagabend als Hurrikan der Kategorie drei auf der fünfstufigen Saffir-Simpson-Skala ein. Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 205 Stundenkilometern nimmt er Kurs auf die Turks- und Caicosinseln und den Südosten der Bahamas.

Kurs auf südliche Inseln der Bahamas

Die britischen Turks- und Caicosinseln erwarteten das Auge des Sturms für den frühen Freitagmorgen. Danach sollte Maria auf die südlichen Inseln der Bahamas zuhalten. Nach derzeitigen Berechnungen des US-Hurrikanzentrums zieht Maria am Samstag in der Früh aufs offene Meer nordöstlich der Bahamas hinaus.

Das Zentrum warnte vor starken Regenfällen und Erdrutschen. Teile der Dominikanischen Republik meldeten Überschwemmungen. Staatspräsident Danilo Medino berief eine Krisensitzung ein, rund 350.000 Menschen waren ohne Strom.

Auch in Puerto Rico, wo Maria zuvor gewütet hatte, blieb die Lage angespannt. Das US-Territorium sei "völlig zerstört" worden, sagte Trump, der seinen Besuch auf der Insel ankündigte. Gouverneur Ricardo Rossello sprach von einer großen Katastrophe und verhängte eine nächtliche Ausgangsperre bis Samstag.

3,4 Millionen Einwohner ohne Strom

Für die rund 3,4 Millionen Einwohner in Puerto Rico fiel der Strom aus. Auch das Kommunikationsnetz brach vielerorts zusammen, weshalb die Informationslage schwierig war. Viele Gegenden waren komplett abgeschnitten. Eine Hoffnung war, dass der Flughafen in Puerto Rico wieder den Betrieb aufnimmt, damit US-Hilfsflüge die Insel ansteuern können. Mit Ausrufung des Katastrophenzustands bekommt das US-Außengebiet, das eine hohe Armutsrate aufweist, Geld aus Washington.

Bisher ist Puerto Rico ein assoziierter Freistaat. Per Referendum hatte die von der Pleite bedrohte Insel beschlossen, dass man der 51. Bundesstaat der USA werden möchte. Dieser Wunsch muss aber vom US-Kongress gebilligt werden. Puerto Rico ist mit 9.000 Quadratkilometern so groß wie Zypern.

Lebensgefährliche Strömungen an der US-Küste

Experten warnten davor, dass Ausläufer des Hurrikans am Freitag auf die südöstliche Küste der USA treffen könnten. Demnach könnten die Wellen in den kommenden Tagen lebensgefährliche Strömungen an der Küste verursachen, auch wenn Maria selbst nicht aufs Festland treffe.

An der Stärke des Sturms dürfte sich nach Einschätzung des US-Hurrikanzentrums in den kommenden Tagen kaum etwas ändern. (APA, Reuters, 22.9.2017)