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Lindsey Graham (links) und Bill Cassidy (rechts) bei der Vorstellung ihres Reformentwurfs. Unterstützung bekamen sie dabei unter anderem von John Cornyn (Mitte), dem Senator für Texas.

Foto: AP/Alex Brandon

Washington/Wien – Es sieht schlecht aus für US-Präsident Donald Trump und jene Republikaner, die in einem letzten verzweifelten Anlauf versuchen wollen, das Gesundheitssystem Obamacare – benannt nach Trumps Vorgänger Barack Obama – loszuwerden: Immer mehr Mitglieder der Republikanischen Partei signalisieren, gegen den jüngsten Entwurf stimmen zu wollen, falls es zu einer Abstimmung im Senat kommen sollte.

Neben Rand Paul, Senator für Kentucky, John McCain, Senator für Arizona, und Ted Cruz, Senator für Texas, hat sich nun auch Susan Collins, Senatorin für Maine, zu Wort gemeldet. Sie werde gegen den neuesten Entwurf stimmen, denn er sei so "mangelhaft" wie jene zuvor, hieß es in einer schriftlichen Erklärung. Cruz hatte bereits am Sonntag laut dem Magazin "Politico" erklärt: "Momentan haben sie kein Ja von mir." "Sie" sind in diesem Fall Lindsey Graham, Senator für South Carolina, und Bill Cassidy, Senator für Louisiana, die den nach ihnen benannten Entwurf vorgeschlagen haben.

Sonderregelung mit Deadline

Das Problem für die Republikaner: Im US-Senat sitzen 100 Senatoren – 52 Republikaner, 46 Demokraten und zwei parteilose. Da die Demokraten und Parteilosen sich geschlossen gegen den Graham-Cassidy-Entwurf gestellt haben und allesamt dagegen stimmen werden, können die Republikaner es sich lediglich leisten, zwei Stimmen zu verlieren. Mit 50 Ja- und 50 Nein-Stimmen würde Vizepräsident Mike Pence, der gleichzeitig Senatspräsident ist, einschreiten und mit seiner Stimme entscheiden. Wenn die kritischen vier Senatoren ihre Meinung nicht mehr ändern, ist die vorläufig letzte Chance, Obamacare abzuschaffen, verstrichen.

Vorerst die letzte Möglichkeit ist es deshalb, weil die Republikaner bis Ende September die Vorzüge eines Verfahrensschutzes genießen, durch den die Zahl der benötigten Stimmen bei 50 angesetzt ist. Ab Oktober werden 60 Stimmen notwendig sein, um den Entwurf durchzusetzen – eine Zahl, die unmöglich erscheint, wenn man bedenkt, dass den Republikanern schon 50 benötigte Stimmen Kopfzerbrechen bereiten.

Einschnitte in Medicaid und Planned Parenthood

Tatsächlich scheint der jetzige Vorschlag sogar unbeliebter als zwei vorangegangene Pläne zu sein, die allesamt abgelehnt wurden. Einer Schätzung des parteiübergreifend tätigen Congressional Budget Office (CBO) zufolge droht Millionen Menschen der Verlust ihrer Krankenversicherung. Senator Paul, der als Erster bekanntgab, dagegen stimmen zu wollen, hatte nach der Vorstellung des Plans bereits gesagt, niemand würde ernsthaft über den Vorschlag reden. Chuck Grassley, republikanischer Senator für Iowa, fand ebenfalls unverblümte Worte: "Wisst ihr, ich kann euch zehn Gründe nennen, warum die Gesundheitsreform eigentlich nicht infrage kommen sollte", sagte er am Freitag der Tageszeitung "The Des Moines Register". Der einzige Grund, warum sie überhaupt erwogen werde, sei die Panik der Republikaner, Trumps großes Wahlversprechen, Obamacare abzuschaffen, nicht durchsetzen zu können.

Kritisiert werden gleich mehrere Aspekte des Plans, die zu weiten Teilen schon Konfliktthema in den früheren Vorschlägen waren: Beispielsweise ist vorgesehen, die Finanzierung des Gesundheitssystems von der zentralen auf die Bundesstaatenebene zu verlegen. Demnach sollen die einzelnen Staaten zukünftig weitgehend selber bestimmen können, wie und wo sie ihr Geld einsetzen. Das würde unter anderem aber zu starken Kürzungen im Hilfsprogramm Medicaid führen, das bei der Gesundheitsversorgung von Menschen mit niedrigem Einkommen hilft. Mehrere Demonstranten haben am Montag aus Protest gegen die Medicaid-Kürzungen eine Sitzung des Finanzausschusses im Senat gestört.

Außerdem sollen der Organisation Planned Parenthood – einem Anbieter wichtiger medizinischer Dienste, der erzkonservativen Republikanern ein Dorn im Auge ist, da er auch Abtreibungen durchführt – für ein Jahr die Bundesgelder gestrichen werden. Von den drei republikanischen Senatoren, die sich letztes Mal gegen den Vorschlag gestellt hatten, sagten zwei, dass die Finanzierung von Planned Parenthood einer der ausschlaggebenden Gründe für ihren Widerstand gewesen sei. Susan Collins, Senatorin für Maine, erklärte, es würde "überhaupt keinen Sinn ergeben", die Gelder zu streichen; Lisa Murkowski, Senatorin für Alaska, meinte, sie fühle sich "verpflichtet", Planned Parenthood weiterhin zu fördern.

Unentschlossene Republikaner

Murkowski hielt sich im Gegensatz zu Collins bisher zum neuen Entwurf zurück. Es erscheint jedoch wahrscheinlich, dass auch sie erneut gegen den Plan stimmen wird. Viele Punkte, mit denen sie zuletzt nicht einverstanden war, sind auch in diesem Vorschlag enthalten, außerdem würde Alaska finanzielle Schäden davontragen. Murkowski würde mit der Ablehnung des Entwurfs auch kein wirkliches politisches Risiko eingehen – ihr Senatsposten steht erst 2022 wieder zur Wahl.

Der Dritte im Bunde der Neinsager war beim vorangegangenen Entwurf John McCain. Der 81-Jährige bestätigte am Freitag, auch diesmal nicht für den Plan zu stimmen. Ausschlaggebend seien für ihn drei Punkte: Einerseits würden Millionen Menschen womöglich ihre Gesundheitsversicherung verlieren – unter Obamacare war der Anteil der US-Amerikaner ohne Krankenversicherung von 16 auf unter neun Prozent gesunken. Außerdem habe Graham/Cassidy nicht die üblichen Anhörungen und Änderungsverfahren im Senat durchlaufen. Und auch das Fehlen einer Bewertung des parteiunabhängigen Rechnungshofs des Kongresses sei ein Grund, den Plan nicht zu befürworten. Er könne kein Gesetzesvorhaben unterstützen "ohne zu wissen, was es kostet".

Ein weiterer Republikaner, der dazu tendieren könnte, sich gegen den Plan auszusprechen, ist Ted Cruz zufolge Mike Lee, Senator für Utah. Er hatte Graham und Cassidy gemeinsam mit Cruz einige Änderungsvorschläge vorgelegt, die aber allesamt ignoriert worden waren. (Carla Márquez, 25.9.2017)