Steh auf, wenn du am Boden liegst: "Wie man Hasen jagt" in der Josefstadt.

Foto: Erich Reismann

Wien – Der wahre Nutzen der Komödie, so steht es bei Lessing geschrieben, liege in der "Übung unserer Fähigkeiten, das Lächerliche zu bemerken. [...] Sogar in den Runzeln des feierlichen Ernstes".

In Sachen Lächerlichkeit gibt die Josefstädter Inszenierung von Georges Feydeaus Monsieur Chasse (1892 uraufgeführt) ausreichend Stoff. Es geht in diesem, hier der Übersetzung Elfriede Jelineks folgendem Stück, Wie man Hasen jagt, um den Vergeltungsschlag eines ehelichen Seitensprungs: Madame Léontine (Pauline Knof) will sich mit dem Hausfreund Moricet (Martin Niedermair) auf ein Schäferstündchen einlassen, um es ihrem Gatten, den sie statt auf dem Jagdausflug bei einer Mätresse vermutet, gleichzutun. So!

Im Theater in der Josefstadt steigt Folke Brabands Inszenierung, die in ihrer Klamottenkistenhaftigkeit viel besser in die Kammerspiele gepasst hätte, mit einer hitzigen Szene ein: dem heftigen Stopfen von Patronenhülsen per Hand. Madame ist schließlich Gattin eines Waffenfabrikanten und hilft scheinbar gerne mit. Während der Hausherr, Monsieur Duchotel (Roman Schmelzer), die Vorbereitungen zu seinem vermeintlichen Jagdausflug im grünen Überwurfmantel inszeniert, delektiert sich das Patronen-Pärchen an zweideutigen Redewendungen, etwa "Endlich zum Schuss kommen".

JosefstadtTheater

Es werden Flintenhälse fest gerieben und unter der Gürtellinie herumgefuchtelt, sodass die schwüle Stimmung das boulevardeske Maß bald herzhaft erreicht. Das Persiflieren der Rachegefühle und des damit verbundenen scheinheiligen Tuns gelingt in schnellen Schnitten und akkurater Mimik insbesondere Pauline Knof sehr gut, die als Protagonistin auch mit rustikaler Haute Couture ihren Wert zur Schau stellt. Groß und glitzernd ist ihre Robe für die vorsätzliche Eskapade, übertrieben schwülstig wie das rot tapezierte Boudoir, in das sie der galante, aber doch hormonell labile Moricet ausführt (Bühne und Kostüme: Stephan Dietrich).

Es gelingt der Inszenierung leider selten, mit dieser ausgesuchten Plumpheit wirklich zu spielen, sie für die Skurrilität des Geschehens nutzbar zu machen. Pointen kündigen sich schon aus weiter Ferne an, Witzen entfleucht beim Zuendeerklären die Wirkung, auch der Slapstick ist immer wieder bemüht. So wirkt die Komödie eingebremst. Auch atmet das Vaudeville des Doppelmoralspezialisten Feydeau keinerlei Gegenwart. Wie im Harz der goldenen Ära Hollywoods konserviert (der Frisur Madame Duchotels nach zu schließen), werden Geschlechterstereotypien abgefeiert: Die Dame ziert sich vor dem Sex und kreischt, der Herr nimmt sich, was er kriegen kann.

Der Elefant im Porzellanladen

Madame Latour (Elfriede Schüsseleder) und Cassagne (Holger Schober) geben als veritable Nestroyfiguren einen erfrischenden Widerpart in diesem Amour-Hickhack der gehobenen Stände ab. Wirbelt die eine als moralischer Fingerzeig im Staubwedelkleid durch die Gemächer, so schlägt der andere mit Wienerischer Bodenständigkeit wie ein Elefant im Porzellanladen Schneisen durch das dünne Gespinst an Lug und Betrug. Auch Alexander Strobele als Polizeikommissar Bridois mit Überraschung unterm Zylinder vollbringt herzhafte Auftritte in dieser etwas gar angestaubten Sittenstrolchpartie. (Margarete Affenzeller, 22.9.2017)