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Die Demokraten können Trumps Gegnern nur wenig bieten.

Foto: AP/ Craig Ruttle

STANDARD: Sind die oppositionellen Demokraten in der schwierigeren Position oder die Republikaner, die nicht recht wissen, wie sie mit ihrem Präsidenten umgehen sollen?

Bennett: Die Republikaner waren schon vor Donald Trumps Sieg in einer schwierigen Situation, weil schwerreiche Unterstützer die Tea Party großgemacht haben, die zum Störfaktor innerhalb der Partei angewachsen ist. Thematisch gibt es zwischen ihnen und Trump viele Überschneidungen, die für die Republikaner bis heute disruptiv wirken: ihr weißer Nationalismus, die Hetze gegen Einwanderer. Die Demokraten wiederum haben ihre eigenen Probleme. Dafür geben sie jedem anderen die Schuld, außer sich selbst: Donald Trump, den Russen, den Medien.

STANDARD: Hillary Clinton gibt in ihrem neuen Buch unter anderem auch den Medien Schuld an Trumps Sieg, weil sie ihm zu viel Aufmerksamkeit gegeben hätten. Stimmen Sie mit ihr überein?

Bennett: Trump hat allen Untersuchungen nach mehr Berichterstattung bekommen. Sie fiel zwar hauptsächlich negativ aus, seine Fans mochten ihn dadurch aber nur noch mehr. Denn was aus der Mainstream-Presse stammt, wird in den Medien der Rechten ins Gegenteil übersetzt. Die Rechte hat ein alternatives Mediensystem erschaffen, das eine alternative Realität wiedergibt. Clinton hatte auch Pech: Trump ist ein wandelndes Spektakel, das Sensation und Drama bietet. Was Clinton aber nicht als Grund für ihre Niederlage nennt, ist das Versagen der eigenen Partei: Diese hat wie viele andere Mitte-links-Parteien in anderen Demokratien keine Botschaft. Einige Trump-Wähler haben davor Barack Obama gewählt, weil er sehr wohl eine Botschaft hatte. Clintons Losung war "Vertraut mir!", was dem Zeitgeist komplett widerspricht. Die Menschen vertrauen Politikern eben nicht mehr. Aus kreativer Sicht sind die Mitte-links-Parteien tot.

STANDARD: Warum zieht die Botschaft der Rechten oft so viel besser?

Bennett: Die Rechte hat eine Vorstellung von einem "Wir". Diese mag zwar zerstörerisch sein, aber sie ist klar. Sie spricht Emotionen an, bietet Helden, Bösewichte, Opfer. Das zieht, und den Mitte-links-Parteien gelingt es nicht, eine Gegenbotschaft anzubieten. Die Botschaft, die die Linke zerstört hat, war die von Bill Clinton, Tony Blair und Gerhard Schröder. Sie besagt, dass die globale Wirtschaft weniger Absicherung und geringere Löhne verlangt. Das ist keine gute Erzählung, sie zersplittert die Linke bis heute. Bernie Sanders oder Jeremy Corbyn bieten andere Botschaften, die bei den Wählern gut ankommen, die aber ihre Parteien nicht wollen.

STANDARD: Ist Ex-Chefstratege Steve Bannon, der wieder die rechtsnationalistischen "Breitbart News" lenkt, außerhalb des Weißen Haus gefährlicher als innerhalb?

Bennett: Sein Einfluss im Weißen Haus war limitiert, da es dort zu viele miteinander konkurrierende Interessen gab. Jetzt kann er Trump besser unterstützen.

STANDARD: Geht im Trump-Theater unter, wie sehr rechts-nationalistische Seiten wie "Breitbart" oder ultrakonservative, autoritäre Milliardäre wie die Koch-Brüder oder die Mercer-Familie bereits die Agenda der Republikaner gekapert haben?

Bennett: Er bekommt die meiste Aufmerksamkeit, ist aber nicht das wirkliche Problem. Breitbart und die Großspender im Hintergrund diktieren die Agenda. Wobei die Milliardäre unterschiedliche Medien und teilweise unterschiedliche Anliegen unterstützen. Die Echokammer funktioniert auch ohne Trump. Geht Mercer-Kandidat Trump, kommt sein Vize, Koch-Kandidat Mike Pence. Mit Trump herrscht so viel Chaos, dass kaum etwas erledigt wird. Mit Pence könnten Dinge erledigt werden, die der Demokratie nicht hilfreich sind.

STANDARD: Was bedroht Amerikas Demokratie derzeit am meisten: Donald Trump, "Breitbart", Wladimir Putin?

Bennett: Letztlich die Demokratische Partei, weil sie die Demokratie stabilisieren könnte, wenn sie aus ihrer Niederlage Konsequenzen ziehen und einer neuen Botschaft sowie neuem Personal Platz machen würde. So besteht die Gefahr, dass wir uns weiter nach rechts bewegen. Wenn Institutionen, die die Demokratie schützen, zusammenbrechen, ist es wenig überraschend, dass Verrückte in Machtpositionen enden. (Anna Giulia Fink, 24.9.2017)

Lance Bennett (69) ist Kommunikations- und Politikwissenschafter an der University of Washington in Seattle und Direktor des Center for Communication and Civic Engagement. Bennett war anlässlich eines Symposiums der Akademie der Wissenschaften über "Digitale Medien, Polarisierung und Herausforderungen für Demokratien" in Wien.