Heinzels Jagdtrieb ist auch in seinem Büro leicht zu erkennen.

Foto: Regine Hendrich

Alfred Heinzel wurde als Aufsichtsratspräsident der Verstaatlichtenholding ÖIAG unter Schwarzblau einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Hauptberuflich ist er Papierindustrieller, und in dieser Funktion hat er nach der Übernahme der Zellstofffabrik Pöls das Papierwerk in Laakirchen vom schwedischen Konzern SCA zurückgekauft. Bei seinen Investments von fast einer Milliarde Euro in Österreich nahm Heinzel viel Risiko, sagt er in der neuen STANDARD-Interviewreihe "Zwischen den Zahlen", in der Unternehmerpersönlichkeiten zu Wort kommen.

Manchmal macht Erfolg auch übermütig, wie Heinzel am eigenen Leib bei einer Schieflage in den Niederlanden erfahren hat. "Die Watsche", die er eingefangen hat, führte in zurück in die Realität, meint der passionierte Jäger. Die Privatisierungen der ÖIAG verteidigt er heute noch, lediglich bei der AUA räumt er Fehler ein: Es sei nicht rechtzeitig verkauft worden.

STANDARD: Vor wenigen Jahren war die österreichische Papierindustrie mehrheitlich in der Hand internationaler Konzerne. Seit einigen Jahren ist eine Gegenbewegung erkennbar, die Sie mitgeprägt haben. Auch Prinzhorn expandiert massiv. Was sind die Gründe dafür?

Heinzel: Ich würde so sagen: Es hat immer ein, zwei, drei tüchtige österreichische Unternehmen in der Branche gegeben. Mayr-Melnhof, Prinzhorn und Lenzing sind sehr starke Firmen. Davor haben sich vor allem die Skandinavier in einer Phase eingekauft, als unsere Papierindustrie nicht so wettbewerbsfähig war. Uns kommt heute der Standortvorteil zugute. Die Frachtkosten sind gestiegen, und wir sind näher am Verbraucher als die Skandinavier.

STANDARD: Gleichzeitig beklagt gerade die Papierindustrie regelmäßig den Rückfall Österreichs bei der Wettbewerbsfähigkeit.

Heinzel: Das ist sicher ein Widerspruch. Was bei uns teuer geworden ist, sind die Arbeitskosten, gleichzeitig bekommt der Arbeiter wenig heraus. In Tschechien liegen die Arbeitskosten bei 40 Prozent des österreichischen Niveaus, netto sind es aber zwei Drittel. Der Staat greift hier irrsinnig ein. Was nach wie vor eine große Stärke ist, ist die wahnsinnig gute Ausbildung unserer Leute und ihre Leistungsbereitschaft. Gewisse Kostennachteile können wir durch Innovation, hohe Produktivität und die Nähe zum Kunden ausgleichen.

STANDARD: Ein spektakuläres Comeback war der von Ihnen durchgeführte Erwerb der Papierfabrik Laakirchen von der schwedischen Gruppe SCA. Ursprünglich war Laakirchen ja ein Heinzel-Betrieb. Wie kam das?

Heinzel: Mein Onkel Wilfried Heinzel war Hauptaktionär, und ich habe bei ihm gearbeitet. Er war der Meinung, dass die Papierindustrie für einen Familienbetrieb zu kapitalintensiv ist, und hat daher an SCA verkauft. Ich bin dann in die SCA hineingerutscht. Heute bin ich glücklich darüber, weil ich in Stockholm viel über die strategische Ausrichtung von internationalen Konzernen gelernt habe.

STANDARD: Und dann haben Sie 2012 alles umgedreht?

Heinzel: Die Banken haben gespürt, dass sie mit dem Ausverkauf der Industrie auch die Kunden verlieren. Von der damaligen Girozentrale kam damals der Impuls, das Geschäft zurückzukaufen, und SCA wollte sich ohnehin von einigen Bereichen trennen. Natürlich spielte auch die Emotion eine Rolle. In dem Betrieb bin ich groß geworden. Ich wollte mir auch selbst zeigen: Wir kaufen die Bude zurück.

STANDARD: War das nicht ein ziemliches Risiko, zumal Laakirchen mit seiner Ausrichtung auf Magazinpapier in einem schrumpfenden Markt tätig war?

Heinzel: Das gilt vor allem für Tiefdruckpapier. Der Katalog, die Magazine sind massiv rückläufig. Daher haben wir in Richtung Verpackung umstrukturiert. Angefangen haben wir mit der Investition in eine Kraftpapiermaschine in unserer Zellstofffabrik in Pöls, die ich 2000 erworben habe. Sie erzeugt Spezialverpackungspapier für Konsumgüter, beispielsweise Beutel und Suppenverpackungen, für Industrieanwendungen wie Etiketten und Medizinverpackungen. Da bauen wir jetzt eine zweite große Maschine. In Laakirchen wird die Produktion von leichtem Wellpapperohpapier forciert. Hier geht es um die Herstellung leichtgewichtiger Verpackung.

STANDARD: Ist das der Zukunftsmarkt?

Heinzel: Es ist unvorstellbar, was sich da abspielt. Sie brauchen sich nur das Geschäftesterben des Einzelhandels anzusehen, alles geht in den Versand. Wenn Sie heute zu Amazon nach Polen gehen, sehen Sie riesige Fabriken ringsherum, die nichts anderes tun, als Verpackung herzustellen. Das ist eine Revolution, auf diesen Zug sind wir aufgesprungen. In Laakirchen werden wir 850.000 Tonnen Papier erzeugen, davon 500.000 für Verpackungen.

Die Zellstofffabrik Pöls in der Steiermark war Heinzels erstes großes Investment in Österreich.
Foto: ho

STANDARD: Auf welches Investitionsvolumen kommen Sie da seit Ihrem Einstieg in Pöls?

Heinzel: Wir haben ungefähr 950 Millionen in Österreich investiert. Bei aller Diskussion vor der Wahl: Österreich ist ein tolles Land. Vieles kann zwar verbessert werden, aber die Chance, von null auf 100 zu gehen, die hat man hier.

STANDARD: Sie haben einmal gesagt, dass Sie sich die eine oder andere Dummheit geleistet haben. Nennen Sie Beispiele?

Heinzel: Wir haben in den Niederlanden eine Riesenbaustelle gehabt. Aber es gab nichts, was uns das Genick brechen würde.

STANDARD: Ex-Mayr-Melnhof-Chef Michael Gröller hat Sie damals gewarnt, weil die Kartonproduktion viel zu komplex für einen Betrieb ohne Erfahrung sei.

Heinzel: Ja, aber wenn ein Konkurrent versucht, einem etwas auszureden, ist das so eine Sache.

STANDARD: Sie sind recht weich gelandet, hat doch die staatliche AWS die Investition garantiert und den Schaden beglichen.

Heinzel: Wir haben eine Versicherung abgeschlossen und dafür eine Prämie bezahlt. Außerdem hat die AWS die Bank abgedeckt, ich habe die Hauptlast getragen.

STANDARD: Wie viel?

Heinzel: Eine fast dreistellige Millionensumme. Ich habe da kein schlechtes Gewissen. Man kann jemandem, der sein Haus versich

Das Werk in Laakirchen wurde später zugekauft.
Foto: HO

ert, nicht vorwerfen, dass er bei einem Brand den Schaden ersetzt erhält. Was die AWS gezahlt hat, zahle ich pro Jahr an Steuern.

STANDARD: Waren die Niederlande das größte Risiko, das Sie eingegangen sind?

Heinzel: Nein, das war für mich der Kauf der Zellstofffabrik Pöls. Die war geleveragt (verschuldet, Anmerkung) bis unendlich. Aber es ist gut gegangen. Das war vielleicht auch der Grund dafür, dass wir ein bisschen übermütig geworden sind und den Schritt in den Niederlanden ohne intensive Buchprüfung getätigt haben. Wenn man Erfolg hat, geht man höhere Risiken ein. Die Watschen, die man kriegt, führen einen zurück in die Realität.

STANDARD: Nochmals zu Pöls: Das war Ihr erster großer Coup. Warum hat es funktioniert?

Heinzel: Raiffeisen, Karl Sevelda, hat das Vertrauen in uns gesetzt und Kredit gegeben. Zudem hat sich der Dollar zu unseren Gunsten verändert. Drittens ist der Zellstoffpreis gestiegen. Da ist reines Glück.

STANDARD: Dass mit Ex-Mondi-Manager Veit Sorger ein alter Freund auf der Verkäuferseite gesessen ist, hat wohl nicht geschadet.

Heinzel: Sorger war außen vor, weil die Südafrikaner direkt verhandelt haben. Außerdem war Pöls letztlich sehr teuer.

STANDARD: Wie teuer?

Heinzel: 163 Millionen, ein Batzengeld, und das in cash. Aber ich wollte es unbedingt haben.

Bild nicht mehr verfügbar.

Heinzel folgte im Jahr 2000 dem Ruf von Karl-Heinz Grasser und wurde ÖIAG-Präsident.
Foto: Reuters

STANDARD: Einer breiteren Öffentlichkeit wurden Sie als Präsident der Verstaatlichtenholding ÖIAG unter Schwarz-Blau bekannt. Da gab es heftige Turbulenzen. Hatten Sie damit gerechnet?

Heinzel: Ja, vielleicht nicht in dem Ausmaß. Ich möchte die Zeit nicht missen. Ich wüsste nicht, mit Ausnahme der AUA, dass wir irgendetwas falsch gemacht hätten. Die Privatisierungen und die Entschuldung sind gelungen.

STANDARD: Was lief bei der AUA falsch?

Heinzel: Wir wollten sie schon Jahre früher verkaufen. Da hätten wir auch noch Geld dafür bekommen. Aber die Politik wollte das nicht. Hinterher musste der Staat noch 500 Millionen Euro nachlegen.

STANDARD: Sie haben einmal für die Aussage, dass Ihnen die AUA schlaflose Nächte bereite, viel Kritik einstecken müssen.

Heinzel: Aber es hat gestimmt.

STANDARD: Die Frage ist eher, ob man das als Organ des Eigentümers in der Öffentlichkeit sagt.

Heinzel: Das war vielleicht nicht angebracht. Aber das ist damals rausgerutscht, und dazu stehe ich auch.

STANDARD: Sie standen auch wegen der Seilschaften mit Papierindustriellen wie Thomas Prinzhorn und Veit Sorger im Rampenlicht. Der Eindruck entstand, die Zukunft von Staatsbetrieben werde bei Ihren Jagdausflügen ausgemacht.

Heinzel: Das sind zum Teil Jugendfreunde, das kann ich ja nicht verleugnen. Was soll ich machen? Nicht mehr mit ihnen jagen gehen? Prinzhorn hat mich angesprochen, ob ich ÖIAG-Präsident werden will. Ich habe gesagt: Nein, ich sitze im Vorstand der SCA in Stockholm. Das geht nicht. Dann hat mich Karl-Heinz Grasser angerufen. Wir hatten 25. Hochzeitstag in Madrid, wir saßen im Regen unter einer Markise. Dann hat auch noch Wolfgang Schüssel angerufen. Drei Stunden später habe ich zurückgerufen und gesagt: Ich mach's. Aus, Schluss, basta.

Landwirt, Industrieller, Jäger: Alfred Heinzel.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Und wie gehen Sie mit Kritik an den Privatisierungen um?

Heinzel: Nehmen Sie die Voest. Etwas Besseres konnte ihr gar nicht passieren.

STANDARD: Na ja. Es gab auch Überlegungen, die Voest Frank Stronachs Magna anzudienen. Geheimcode: Minerva.

Heinzel: So war das nicht. Magna-Chef Sigi Wolf machte damals den Vorschlag, dass wir uns einmal zusammensetzen, damit die Voest nicht ans Ausland geht. Bevor das Treffen stattfand, waren die Zeitungen schon voll mit dem Thema. Dass wir dem einen Projektnamen gegeben haben, war natürlich blöd. (Andreas Schnauder, 24.9.2017)