Mit dem Startup Mediclass will der Ex-Manager Christoph Sauermann lange Wartezeiten beim Arzt obsolet machen.

Foto: APA / Helmut Fohringer

Wien – Etwas mit Menschen und Gesundheit, aber Arzt sollte es nicht sein. Berufsüberlegungen wie diese waren für Christoph Sauermann der Startschuss seiner Karriere, zumindest den ersten Teil betreffend. Mehr als 17 Jahre sollte dieser dauern und ihn in der Pharmabranche bis in die Chefetagen der Österreichtochter des US-Konzerns Wyeth und des Branchenverbands Pharmig führte. Bis im Oktober 2010 die Übernahme seines Arbeitgebers durch den Pharmariesen Pfizer für Sauermann "Anlass für etwas Neues" darstellte.

Im Jahr darauf schied er aus dem fusionierten Pharmaunternehmen aus. "Ich habe gewusst, dass ich nicht wieder in einem Konzern arbeiten, sondern etwas Eigenes machen möchte", sagt Sauermann über den Startschuss für Karriereteil zwei. Nämlich als Jungunternehmer mit dem Gesundheits-Start-up Mediclass: "Vom Management zum Unternehmer – ein richtiger 180-Grad-Wechsel."

Besser organisieren

Die Überlegung hinter Mediclass: "Wir haben viele Ineffizienzen im Gesundheitssystem. Das kann man besser organisieren." Einiges Kopfzerbrechen später lag ein Konzept auf dem Tisch zur Beseitigung vieler Schwächen wie langer Wartezeiten auf Fachärzte. Darauf galt es, auch Krankenkassen, Ministerien und die Ärztekammer zu überzeugen. Sauermann heute selbstbewusst: "Das Modell Mediclass wurde darauf von allen Beteiligten als Patientenversorgungssystem der Zukunft gesehen."

Und dieses Modell funktioniert wie folgt: Mediclass betreibt im zweiten Wiener Gemeindebezirk auf 1200 Quadratmeter ein Gesundheitszentrum mit mehr als 60 Ärzten und Therapeuten. Das Unternehmen stellt moderne Ordinationen und Therapieräume kostenfrei zur Verfügung und kümmert sich mit elf Mitarbeitern um Infrastruktur und Organisation – sprich, die Ärzte können sich fast ausschließlich den Patienten widmen.

Finanziert wird das Zentrum durch Beitragszahlungen der Kunden, was in der Basisvariante inklusive eines jährlichen Gesundheitschecks auf 28,90 Euro monatlich kommt. Nicht inbegriffen sind Sonderfächer wie Dentalmedizin und Radiologie. In diesen Bereichen arbeitet Mediclass mit externen Spezialisten zusammen.

Im Gegenzug stellen Ärzte und Therapeuten statt üppiger Privat- oder Wahlarzthonorare den Patienten nur Krankenkassentarife in Rechnung, wobei 80 Prozent von der Kasse refundiert werden. "Das ist nicht nur für Privatpersonen ein attraktives Angebot, sondern auch für Unternehmen", ergänzt Sauermann. "Als Arbeitgeber hat man höchstes Interesse daran, dass Mitarbeiter gesund sind." Die Kosten seien pro Arbeitnehmer so kalkuliert, dass sie zumeist günstiger seien als ein Krankenstandstag.

Wenige Kündigungen

"Unsere jährliche Kündigungsquote liegt unter einem Prozent, offenbar sind die Kunden happy", sagt Sauermann. Derzeit verfügt das Zentrum über mehr als 9.000 Kunden bei einer Maximalkapazität von 12.000. Reicht das, um profitabel zu wirtschaften? "Wir sind aus dem Gröbsten draußen", entgegnet der Mediclass-Chef. Offenbar sind die Erträge üppig genug, um an Expansion, also ein zweites Gesundheitszentrum, zu denken.

"Als Manager ist man oft alleine an der Spitze", sagt Sauermann rückblickend, "aber in einem Start-up ist man manchmal noch mehr alleine." Aber nicht immer, denn Business-Angel Hansi Hansmann steht ihm als Hauptinvestor nicht nur mit Kapital, sondern auch mit Rat und Tat zur Seite – was Sauermann als "Jahrhundertchance" bezeichnet, die er ergriffen habe. "Ich wollte wieder näher bei den Kunden sein. Ich bereue den Schritt nicht eine halbe Sekunde, es war die richtige Entscheidung", betont Sauermann heute und fügt hinzu: "Es macht viel Spaß, auch wenn Freud und Leid nahe beieinander liegen." (Alexander Hahn, 25.9.2017)