Deutschpflicht in der Schule: Für Maximilian Krauss, FPÖ-Gemeinderat in Wien, gehört diese "allgemein verankert". Österreichische Kinder könnten sich sonst ausgegrenzt fühlen.

Foto: Matthias Cremer

STANDARD: Parteichef Heinz-Christian Strache gibt sich in TV-Debatten oft auffallend kuschelweich. Ist das die richtige Wahltaktik?

Krauss: Wir haben das Glück, einen Parteichef zu haben, der noch immer sehr jung ist, aber schon einiges an politischer Erfahrung gesammelt hat. So neue Wähler anzusprechen ist eine gute Sache.

STANDARD: Ich frage Sie auch deshalb, weil das bei Ihnen noch anders rüberkommt: Wiens Bürgermeister titulierten Sie "Türken-Bürgermeister", Sebastian Kurz war der ÖVP-"Moslem-Staatssekretär".

Krauss: Gerade in Wahlkampfzeiten lebt Politik von Zuspitzung. Als ich das gesagt habe, war ich 18, 19 Jahre alt. Jetzt würde ich manche Dinge sicher etwas anders formulieren, das liegt in der Natur der Sache.

STANDARD: Trauen Sie sich zu, ein Ministerium zu leiten?

Krauss: Mein Platz war bis jetzt im Wiener Landtag. Schaffe ich den Einzug ins Parlament, will ich mich besonders für Jugend und Bildung einsetzen.

STANDARD: Wendelin Mölzer ist doch derzeit Bildungssprecher.

Krauss: Das möchte ich ihm auch gar nicht streitig machen, er macht das sehr gut. Ich möchte ihn unterstützen, nicht ersetzen.

STANDARD: Welche drei Dinge gehören in der Bildungspolitik Ihrer Meinung nach sofort umgesetzt?

Krauss: Die reale Klassenschülerhöchstzahl gehört von 25 auf 22 gesenkt. Dafür braucht es natürlich mehr Lehrer. Das ist ein Punkt, bei dem Rot-Schwarz versagt hat und wo gegengesteuert gehört, denn es fehlen Lehrer. Aber das Wesentlichste ist, dass jeder, der in den Regelschulunterricht eintritt, auch Deutsch kann. Es ist nicht die Aufgabe der Schulen, den Schülern Deutsch beizubringen. Sprachkenntnisse sind die Grundvoraussetzung, um dem Unterricht folgen zu können. Daher braucht es beim Schuleintritt – egal in welcher Schulstufe – einen Test, der zeigt, wer wie gut Deutsch kann. Diejenigen, die einen Nachholbedarf haben, sollen in eigenen Deutschlernklassen Hilfestellung bekommen.

STANDARD: Andere nennen das weniger nett: Ghettoklassen.

Krauss: Die Realität beweist, dass das jetzige System nicht funktioniert. Es gibt immer mehr Kinder und Jugendliche, die nach der Schule weder richtig lesen noch schreiben können. Eigene Deutschklassen bringen allen eine Verbesserung: Jene Schüler, die Deutsch können, werden nicht gebremst, und die anderen können die Sprache nachlernen.

STANDARD: Binnen eines Schuljahres soll das machbar sein?

Krauss: Ja. Gerade Kinder lernen Sprachen sehr leicht. Das dauert sechs bis acht Monate, wenn man sich mit einer Sprache ausreichend beschäftigt.

STANDARD: In Oberösterreich gibt es die Deutschpflicht in der Pause.

Krauss: Das gehört allgemein verankert, damit die Kinder mit einer anderen Muttersprache Deutsch üben. Außerdem fühlen sich österreichische Kinder ausgegrenzt, wenn sie nichts verstehen.

STANDARD: Wer dagegen verstößt ...

Krauss: ... bekommt vielleicht eine Klassenbucheintragung. Aber das gilt ja auch, wenn jemand in der Pause zu laut ist. Es gibt jetzt auch Reglementierungen, die nicht über das Ziel hinausschießen, aber den Schülern Grenzen aufzeigen.

STANDARD: Ihr dritter Punkt?

Krauss: Wir hätten vor dem Sommer gemeinsam mit der ÖVP die Möglichkeit gehabt, eine Bildungsreform zu beschließen, bei der das differenzierte Schulsystem – Stichwort Gymnasien – erhalten bleibt. Die ÖVP und Sebastian Kurz haben lieber mit Rot und Grün beschlossen, in Vorarlberg die Gesamtschule einzuführen.

Standard: Kommt die FPÖ in die Regierung, würde also der Versuch in Vorarlberg beendet werden?

Krauss: Hier wurde ein falscher Schritt gesetzt. Die Gesamtschule ist kein gutes Modell. Hier gehört überlegt, ob man das wieder zurückschrauben kann.

STANDARD: In vielen Punkten klingen die Ideen von Kurz wie jene der FPÖ. Glaubt man den Umfragen, verkauft er sie aber viel besser. Warum?

Krauss: In der Politik geht es nicht nur darum, was man ankündigt. Auch wenn jetzt ein türkises Mascherl drauf ist, darunter steckt noch immer das gleiche schwarze Packerl. Kurz ist mittlerweile das längstdienende ÖVP-Regierungsmitglied. Er hat alles mitgetragen. Schauen Sie sich an, was er vor Jahren gesagt hat: Wir brauchen mehr Willkommenskultur, Schwarz-Grün ist ein charmantes Regierungsmodell etc. Jetzt, da er merkt, dass die freiheitlichen Konzepte gut ankommen, sagt er schnell etwas anderes. Kurz ist nur ein aalglatter Karrierist.

STANDARD: Sie sind seit 2016 geschäftsführender Obmann des RFJ. Wie stehen Sie zu den Identitären?

Krauss: Wir haben die Regel – das gilt auch für die FPÖ im Gesamten -, dass man nicht Funktionär bei den Identitären und gleichzeitig bei uns sein kann. Das schließt sich vollkommen aus.

STANDARD: Aber es gibt RFJ-Mitglieder und -Funktionäre, die mit den Identitären auftreten und sie loben.

Krauss: Dass Funktionäre vielleicht eine Aktion von denen "liken", kann sein. Es kann auch sein, dass ein Funktionär von uns an Stammtischen zum Gedankenaustausch teilnimmt. Das ist ja nicht gleich schlecht. Sprechen kann man doch mit jedem.

STANDARD: Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes stuft diese Bewegung als rechtsextrem ein. Ist das egal?

Krauss: Sie sind doch nicht verboten, oder? Eben. Sich mit ihnen zum Diskurs zu treffen muss im Rahmen einer demokratischen Kultur möglich sein – ohne jetzt zu sagen, dass ich automatisch gut finde, was die machen. Deshalb gibt es auch diesen Parteibeschluss.

STANDARD: Peter Pilz betitelt ein Positionspapier mit "Österreich zuerst". So hieß das Antiausländervolksbegehren der FPÖ. Sind Ihre Thesen überall angekommen?

Krauss: Ich kenne das besagte Papier nicht. Aber es ist skurril bis witzig, dass er Jörg Haider, der sicher damals sein Hauptgegner war, posthum einfach den Spruch des Volksbegehrens klaut.

STANDARD: Wie geht die Wahl aus?

Krauss: Das wird knapper, als die Umfragen vermuten lassen. Es wird ein Rennen zwischen ÖVP und FPÖ um Platz eins geben. Die SPÖ bleibt abgeschlagen zurück. (Peter Mayr, 24.9.2017)