Der Nationalrat debattiert über Ceta im Ausweichquartier in der Hofburg. Die öffentliche Diskussion über das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada war in Österreich ebenfalls von dunklen, oft irrationalen Schatten begleitet.

Foto: APA/AFP/JOE KLAMAR

Der freie Welthandel dient als neues Feindbild für manche NGOs, Boulevardmedien und Politiker – entgegen allen Fakten. Die Kampagnen gegen Freihandelsabkommen sind unreflektierte Globalisierungskritik, die eine ehrliche Analyse dieses komplexen Themas unmöglich machen soll. Tatsächlich hat Welthandel vor allem positive Auswirkungen, die die negativen überwiegen – auch wenn diese nicht ausgeblendet werden dürfen.

Reduktion von Armut ...

Laut Uno hat der verstärkte internationale Handel zu einer massiven Reduktion der weltweiten Armut geführt. Zudem schafft Freihandel Arbeitsplätze, senkt die Konsumentenpreise, erhöht die Produktvielfalt und hebt das Einkommensniveau der Menschen. Dennoch blieb einer der besten Freihandelsverträge der Welt – jener zwischen EU und Kanada (Ceta) – nicht vor den bereits laufenden Anti-Globalisierungs-Kampagnen verschont, mit denen in Österreich Ängste und Vorurteile geschürt sowie Verunsicherung im großen Stil betrieben wurde. Am Ende des Tages ist es erfreulich, dass sich die Vernunft durchgesetzt hat. Die vorläufige Anwendung von Ceta – vergangene Woche in Kraft getreten – ist ein Gewinn für Österreich, Europa und Kanada.

... und Arbeitsplatzmotor

Es ist anzunehmen, dass gerade Österreich zu den Profiteuren des Abkommens zählen wird. Denn gerade für unsere kleine Volkswirtschaft ist internationaler Handel wichtig: Der Außenhandel sichert rund 1,7 Millionen Menschen ihre Arbeitsplätze, jedes Prozent mehr an Exporten bedeutet 10.000 neue Jobs. Angesichts einer 53-prozentigen Exportquote ist unsere Zukunft – und das trifft auch auf die Finanzierung des österreichischen Sozialsystems zu – untrennbar mit dem internationalen Erfolg heimischer Unternehmen verbunden. Pensionen, Gesundheit und Bildung können auf Dauer von einer kleinen offenen Volkswirtschaft wie Österreich nicht im Alleingang erwirtschaftet werden. Mit gutem Grund sind daher Gewerkschaften, etwa in Schweden, für moderne Freihandelsabkommen wie Ceta eingetreten. Umso erstaunlicher war und ist die ablehnende Haltung der heimischen Arbeitnehmervertreter. Nicht zu vergessen ist, dass alle EU-Staaten dem Abkommen zugestimmt haben.

Dabei sind es internationale Handelsabkommen, die globale Standards und faire Regeln schaffen können – gerade als Exportland ist Österreich auf diese angewiesen. Globalisierung findet statt und ist keine Ideologie. Dabei gilt: Internationale Verträge ermöglichen hohe Standards. Gleichzeitig sind sie ein Instrument, um die strategische Rolle Europas sowie Österreichs in der Welt zu sichern. In diesem Zusammenhang müssen wir unsere Interessen aktiv einbringen. Ceta bringt den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen sowie vereinfachte Produktzulassungsverfahren.

Studien prognostizieren in der Folge eine Exportsteigerung nach Kanada um bis zu 50 Prozent über acht Jahre. 2016 haben wir bereits 1,3 Milliarden Euro an Waren und Dienstleistungen dorthin geliefert, womit Kanada der viertwichtigste Übersee-Markt für Österreich ist. Obwohl in den vergangenen Monaten grundsätzlich positive Signale vom Arbeitsmarkt kommen, gibt es hierzulande immer noch rund 375.000 Menschen, die arbeitslos sind – im EU-Vergleich liegt Österreich nur auf Rang neun, nachdem man jahrelang zu Europas Musterschülern gezählt hat. Gerade deshalb müssen wir jede Möglichkeit verantwortungsvoll nützen, um den Arbeitsmarkt weiter zu beleben, und dürfen uns unsere Chancen nicht durch unbegründete Ängste leichtfertig selbst verbauen.

Lebensmodell beibehalten ...

Die Chancen von Ceta für Österreichs Wirtschaft müssen ebenso gesehen werden wie klar sein sollte, dass Ceta unser europäisches Lebensmodell nicht infrage stellt. Heimische Standards werden – entgegen allen Behauptungen – nicht gesenkt. Wir entscheiden auch weiterhin über unsere Gesetze und Regulierungen eigenständig, daran ändert Ceta nichts. Hohe heimische Umwelt-, Sozial- und Lebensmittelstandards sind ebenso wie die Daseinsvorsorge von Ceta unberührt. Auch die skandinavischen Länder Dänemark, Schweden und Finnland, bekannt für die höchsten sozialen Standards in Europa, haben sich klar für Ceta ausgesprochen.

Wir müssen für die heimische Exportwirtschaft und die damit zusammenhängenden Arbeitsplätze internationale Märkte durch neue, gut gemachte und faire Freihandelsabkommen öffnen, mit denen internationale Wettbewerbsbedingungen geschaffen und durchgesetzt werden. Das gilt auch für die Verhandlungen zu weiteren Handelsabkommen, wie jenen mit den USA und Japan und das Investitionsabkommen mit China. Wir können uns im internationalen Wettbewerb nicht entspannt zurücklehnen.

... und stabilisieren

Außerdem gilt: Fairer Welthandel ist gerade in Zeiten des Umbruchs nicht nur Wohlstands- und Beschäftigungsträger, sondern wirkt sozial und politisch stabilisierend.
(Michael Löwy, 24.9.2017)