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Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel hatte sich "ein besseres Ergebnis erhofft".

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CSU-Chef Horst Seehofer kündigte mehr Härte in der Flüchtlingspolitik an.

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SPD-Chef Schulz konnte die Erwartungen nicht einmal annähernd erfüllen.

Reuters

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FDP-Chef Lindner freut sich über ein Comeback seiner Partei.

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Die AfD (im Bild die Spitzenkandidaten Alexander Gauland und Alice Weidel) freut sich über einen deutlichen Einzug.

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Demonstranten in Berlin freuen sich weniger über den Einzug der AfD.

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Die Grünen blieben relativ stabil, ...

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... wie auch die Linke (Linke-Chefin Katja Kipping, Mitte).

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Berlin – Die Union hat die deutsche Bundestagswahl am Sonntag gewonnen. CDU und CSU blieben laut vorläufigem Endergebnis trotz Verlusten von mehr als acht Prozentpunkten mit 33,0 Prozent stärkste Kraft. Die SPD verzeichnete mit einem Absturz von 25,7 (2013) auf 20,5 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl.

Auf Platz drei landete die AfD, die mit 12,6 (4,7) Prozent erstmals in den Bundestag einzieht. Die FDP schaffte nach vierjähriger Absenz mit 10,7 (4,8) Prozent klar den Einzug und liegt nun sogar vor Linken und Grünen. Die Linkspartei konnte sich mit 9,2 Prozent leicht gegenüber 2013 verbessern (8,6), ebenso die Grünen mit 8,9 (8,4) Prozent.

Die Wahlbeteiligung war mit 76,2 Prozent deutlich höher als 2013 (71,5 Prozent). Zwei Berliner Wahlkreise verhinderten in der Nacht auf Montag eine zügige Bekanntgabe der Ergebnisse. Erst gegen 3.30 Uhr lieferte die Berliner Landeswahlleiterin die Zahlen der Wahlkreise Mitte und Pankow ab.

Roland Adrowitzer berichtet in der Früh-"ZiB" über die herben Verluste der Regierungsparteien Union und SPD.
ORF

Auszählungsprobleme in Berlin

Berlin hatte schon während des Abends Probleme beim Auszählen gehabt und war das langsamste aller Bundesländer gewesen. Die Berliner Wahlhelfer zählten nicht nur Erst- und Zweitstimmen der Bundestagswahl, sondern auch den Volksentscheid zur Zukunft des Flughafens Tegel aus. Zudem gab es am Abend technische Schwierigkeiten mit der Sendung von Ergebnissen aus den Wahllokalen an die Zentrale.

Hinzu kam eine weitere Panne: Auf der Webseite des Bundeswahlleiters und der Landeswahlleiterin wurden für zwei Wahlbezirke kurzzeitig unterschiedliche Ergebnisse angegeben. Der Bundeswahlleiter räumte später ein, dass er beide Ergebnisse falsch veröffentlicht habe.

Merkel auf dem Weg zur vierten Amtszeit

CDU-Chefin Angela Merkel geht jedenfalls in ihre vierte Amtszeit als Kanzlerin – allerdings mit schweren Verlusten und nicht mehr mit der SPD als Koalitionspartner. Dennoch freute sie sich über das "Erreichen der strategischen Wahlziele".

Obwohl die Sozialdemokraten auf ihren historischen Tiefststand fielen, denkt Spitzenkandidat Martin Schulz nicht an einen Rücktritt. Er kündigte allerdings am Sonntagabend an, nach diesem "schweren und bitteren Tag" in die Opposition zu wechseln.

Somit ist Merkels zweite große Koalition wohl Geschichte, sollte die SPD nicht noch eine Kehrtwende machen. Der Kanzlerin bleibt rechnerisch nur die Option einer Jamaika-Koalition mit der FDP von Christian Lindner und den Grünen unter Cem Özdemir und Simone Peter.

FDP zu Koalition bereit

Vor allem die FDP konnte einen Erfolg verbuchen: Sie war 2013 an der Fünfprozenthürde gescheitert und zieht nun gleich mit 10,7 Prozent wieder in den Bundestag ein. Parteichef Lindner hat schon seine Bereitschaft für Koalitionsgespräche kundgetan. Es müsste aber auf alle Fälle eine Kurskorrektur vorgenommen werden. Lindner und die FDP haben bereits im Vorfeld Grundpositionen formuliert, darunter die Senkung der Steuersätze, ein neues Einwanderungsgesetz und Nachbesserungen in der Klimapolitik.

Die Grünen wollen selbstbewusst in Koalitionsgespräche gehen. "Wir werden kein einfacher Partner sein. Es werden schwierige Gespräche", sagte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt am Wahlabend. Merkel selbst hält es für möglich, dass eine neue Regierung bis Weihnachten steht. "Ich bin generell immer zuversichtlich. Und außerdem, seit vielen Jahren habe ich das Motto: In der Ruhe liegt die Kraft", sagte sie am Sonntagabend.

AfD kündigt "Jagd auf Merkel" an

AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland kündigte am Wahlabend an, nun "Jagd auf Merkel" zu machen. Die Regierung könne sich "warm anziehen". "Wir werden uns dafür einsetzen, dass das, was die Menschen auf der Straße denken, wieder im Bundestag vertreten ist," sagte Gauland.

Schlechtestes Unionsergebnis seit 1949

Für Merkel war es ein zwiespältiger Abend. Einerseits wurde die Union wieder klar stärkste Kraft, wie es das Wahlziel war. Doch zugleich verlor die Union massiv, das Ergebnis ist weit von jenen 40 Prozent entfernt, die CSU-Chef Horst Seehofer noch zu Beginn des Jahres als Ziel ausgegeben hatte. Es ist vielmehr das schlechteste Wahlergebnis der Union seit 1949.

"Natürlich hatten wir uns ein besseres Ergebnis erhofft, das ist völlig klar", erklärte Merkel am Abend. Doch sie sagte auch: "Wir sind stärkste Kraft, haben den Auftrag, eine Regierung zu bilden, und gegen uns kann keine Regierung gebildet werden."

Seehofer will "offene rechte Flanke schließen"

In Bayern war weniger Optimismus zu spüren, dessen Ministerpräsident Seehofer war hörbar not amused und kündigte mehr Härte in der Flüchtlingspolitik an. "Wir hatten eine Flanke auf der rechten Seite, eine offene Flanke", sagte er. Diese gelte es nun zu schließen, "mit klarer Kante und klaren politischen Positionen".

Die wichtigste Aufgabe in der vergangenen Legislaturperiode ist für Merkel die Bewältigung der Flüchtlingskrise gewesen. Doch hier hatte die Kanzlerin mit ihrer Politik der offenen Grenzen nicht zur Zufriedenheit aller gehandelt. 51 Prozent sagen laut einer Umfrage von Infratest Dimap, Merkel vergesse bei diesem Thema die Ängste und Sorgen der Menschen. Und 51 Prozent meinen zudem: Zwölf Jahre Merkel sind genug.

Schulz: Schwerer und bitterer Tag

Doch immerhin: Man ging als die Nummer eins aus dem Rennen. Als im Berliner Willy-Brandt-Haus SPD-Chef Schulz auf die Bühne trat, ertönten sogleich "Martin! Martin!"-Rufe, als habe die SPD die Wahl gewonnen. Offenbar wollten die Genossen ihm demonstrativ den Rücken stärken. Dieser bekannte sogleich: "Heute ist ein schwerer und ein bitterer Tag für die deutsche Sozialdemokratie. Wir haben unser Wahlziel verfehlt. Wir haben es offenbar nicht geschafft, unsere rationelle Wählerbasis zu erreichen und auszubauen."

Nahles als SPD-Fraktionschefin im Gespräch

Bei den Sozialdemokraten wird es nun wohl zu Personaldiskussionen kommen. Schulz hat zwar erklärt, er wolle bei jedem Ergebnis als SPD-Chef weitermachen, aber da war noch nicht abzusehen, wie kurz der rote Balken am Wahlabend wirklich sein würde. Zudem wurde er gedrängt, eines der Spitzenämter – Partei- oder Fraktionsvorsitz – in jüngere weibliche Hände zu legen. Empfohlen hat sich in der abgelaufenen Legislaturperiode Arbeitsministerin Andrea Nahles, die mit dem Mindestlohn und der "Rente mit 63" wichtige rote Anliegen durchgesetzt hat. Sie hat mittlerweile einen sehr guten Ruf in der SPD und könnte Fraktionschef Thomas Oppermann ablösen.

Auch in der Union könnten nun angesichts des Ergebnisses Stimmen laut werden, die daran erinnern, dass es eine Zeit nach Angela Merkel geben wird und dass man langsam daran denken sollte, wer eines Tages die CDU übernehmen kann. Und man wird vielleicht die Frage stellen, ob Merkel immer noch ein Zugpferd ist oder nicht mittlerweile doch Teil des Problems. Allerdings: Ein(e) Nachfolger(in) ist nicht in Sicht, Merkel hat hinter sich bis jetzt noch niemanden groß werden lassen. (bau, red, Reuters, APA, 25.9.2017)