In der Türkei gab es Kritik am Ausgang der deutschen Bundestagswahl – dominierendes Thema war aber das Unabhängigkeitsvotum der Kurden im Irak.

Foto: APA / AFP / Yasin Akgul

Ankara/Athen – Die Türkei reagierte am Sonntagabend zunächst langsam auf den Ausgang der deutschen Bundestagswahl. Der AKP-Abgeordnete Burhan Kuzu, der für seinen rüden Umgangston bekannt ist ("Verpiss dich, Ungläubiger", schrieb er auf Twitter dem österreichischen Kanzler Christian Kern), meldete sich als erster zu Wort.

Deutschland wie die Niederlande hätten mit der Türkei Wahlstrategie betrieben, twitterte Kuzu. Beiden habe es nichts Gutes gebracht. In den Niederlanden konnte nach der Wahl im März dieses Jahres keine Regierung gebildet werden; in Deutschland sei dies nun ebenfalls zweifelhaft. Zum Erfolg der rechtsgerichteten AfD schrieb Kuzu: "Seit dem Zweiten Weltkrieg ist erstmals Hitler ins Parlament eingezogen. Gefährlich!!!!"

Stimme für Erdogan

Der regierungsnahe Nachrichtensender TGRT zeigte einen Stimmzettel aus Bayern, auf dem ein Wähler "Erdogan" schrieb und daneben ein Kreuz setzte. Der türkische Staatschef hatte sich in den Wahlkampf eingemischt und die türkischstämmigen Wähler aufgerufen, nicht für die SPD, die CDU und die Grünen zu stimmen, die alle "Feinde der Türkei" seien.

Erdogan äußerte sich am Sonntagabend zunächst nicht über den Wahlausgang. Beherrschendes Thema in der Türkei ist das Unabhängigkeitsreferendum im kurdischen Nordirak. Erdogan telefonierte am Abend deshalb mit dem iranischen Präsidenten Rohani, der wie auch der irakische Regierungschef den Volksentscheid ablehnt.

Özdemir als Außenminister

Türkische Politologen wie Sinan Ülgen und Abdullah Çiftçi sahen dafür bereits Cem Özdemir als möglichen nächsten Außenminister einer Jamaika-Koalition, sollte die FDP das Finanzressort erhalten. Akşam, eine der regierungstreuen türkischen Zeitungen, schrieb über die "historische Niederlage der SPD" und den "Schock für Schulz". Der SPD-Kanzlerkandidat und Außenminister Sigmar Gabriel hatten mit ihren kritischen Ansagen an Ankara besonders den Zorn der politischen Führung in der Türkei erregt.

Außenminister Mevlüt Çavuşoglu postete nichts auf Twitter zu den deutschen Wahlen, präsentierte dafür aber ein Foto seines Besuchs in einem Gefängnis in den USA bei dem türkischstämmigen Amerikaner Sinan Narin. Der hatte in Washington im Mai dieses Jahres bei den Angriffen auf Demonstranten, die gegen den Besuch Erdogans protestierten, eine am Boden liegende Frau getreten. (Markus Bernath, 25.9.2017)