Tom Pro in seinem Element, dem Wald. Ausgerüstet mit GPS-Gerät sucht er weltweit nach neuen Trails.

Foto: privat

In den Bergen British Columbias fühlt sich der gebürtige Tscheche zu Hause. Hier sind auch seine Lieblingstrails, denn er mag es gern steil und rau.

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Innsbruck – Sein erstes Mountainbike hat Tom "Pro" Prochazka 1981 in Vancouver gekauft. "Ein Specialized Stumpjumper", erinnert sich der 62-Jährige. Das Fahrrad sollte sein Leben verändern. Aus dem Sohn tschechischer Einwanderer, der im Alter von 13 Jahren nach Kanada gekommen ist, wurde der wohl berühmteste Trail-Baumeister. Sein Meisterstück und bis heute sein persönlicher Lieblingstrail ist "Top of the World". Zwar kennt Tom mittlerweile die besten Bikegebiete der Welt, doch sein Heimatort Whistler ist und bleibt für ihn der Himmel für Mountainbiker.

In diesem Videoporträt für die kanadische Plattform "Pinkbike" erzählt Tom Pro aus seinem Leben und bietet Einblicke in seinen Alltag als Trailbauer.
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Hier hat er sein Handwerk von der Pike auf gelernt, und von hier aus exportiert er das Lebensgefühl Mountainbiking seitdem in alle Welt. In den 1980ern und 1990ern war die Bikeszene an der Northshore in British Columbia noch ebenso wild wie die Landschaft. Es gab praktisch keine Beschränkungen, die Locals probierten aus, was immer möglich war. Bis heute sagt Tom, dass er seine Trails am liebsten steil und rau mag, so wie die kanadische Northshore eben ist.

Mountainbiken aus dem Wald herausholen

Doch aus dem halsbrecherischen Vergnügen einiger weniger sollte bald eine gewinnbringende Geschäftsidee werden. Der Bikepark in Whistler entstand als niederschwelliges Angebot für Sommertouristen. Plötzlich galt es, Trails für Anfänger und wenig erfahrene Mountainbiker zu bauen. Dazu mussten die wilden Kerle umdenken. Denn bislang baute man vor allem für sich selbst – steiler, schneller, wilder. Tom Pro war einer derjenigen, die es verstanden umzudenken: "Wir mussten das Mountainbiken aus den Tiefen der Wälder hin zu den Leuten bringen."

Im Jahr 2001 übernahm er als Manager das Ruder im berühmtesten Bikepark der Welt in Whistler und machte ihn zu dem, was er heute ist. Wobei Tom nie müde wird zu betonen, dass dies nicht allein sein Werk war, sondern eine Teamleistung: "Ich war immer von den besten Trailbauern und Arbeitern umgeben." In Toms Ära entwickelte sich Whistler zum weltweit führenden Bikepark. Wichtiges Detail dabei: Es gibt anders als etwa in Europa, nicht nur drei Schwierigkeitsstufen für Trails – analog zum Skifahren sind das blau, rot und schwarz –, sondern zusätzlich noch eine extraleichte Stufe, der die Farbe Grün zugeordnet wird.

Wer Angst hat, kommt nie wieder

"Denn es sind die Mütter und die Kinder, die entscheiden, ob die Familie wiederkommt", erklärt Tom die familiäre Entscheidungsfindung in Sachen Urlaub. Daher sei es wichtig, Trails zu bauen, auf denen sich Leute wohlfühlen, die sonst höchstens im Stadtverkehr Rad fahren. "Wenn die Leute stürzen und Angst haben, dann haben wir als Trailbauer versagt." Denn wer beim ersten Mal auf dem Mountainbike schlechte Erfahrungen macht, der komme nie wieder zurück.

Schon während seiner Zeit als Manager in Whistler erkannte Tom, dass der Bedarf an diesem Wissen auch außerhalb Kanadas groß ist. Praktisch wöchentlich kamen Delegationen zu Besuch, die sich ansehen wollten, wie man ein Skigebiet im Sommer gewinnbringend nutzen kann. Also beschlossen Tom und seine Kollegen Rob Cocquyt und Dave Kelly, eine eigene Beraterfirma zu gründen: Gravity Logic.

30 Bikeparks in zehn Jahren

"Anfangs hielt man uns für verrückt, weil wir eine Firma in der Firma gegründet haben", erinnert er sich. Doch Tom argumentierte stets so, dass es, je mehr Menschen Rad fahren, desto mehr Bikeparks gibt. Was wiederum mehr potenzielle Gäste für Whistler bedeutet. Gravity Logic wurde zur Erfolgsgeschichte, die Anfragen nahmen kein Ende. Als Whistler Blackcomb schließlich 2007 von einem Hedgefonds aufgekauft wurde, kündigten Tom und seine Partner ihre Jobs und konzentrierten sich fortan nur mehr auf ihre eigene Firma: "Wir haben Gravity Logic da rausgekauft."

In den vergangenen zehn Jahren haben er und sein Team rund 30 Bikeparks weltweit errichtet und viele weitere beratend unterstützt. Wer einen echten Tom-Pro-Trail fahren will, der wird in Kürze in Innsbruck Gelegenheit dazu haben. Derzeit baut Toms Teams dort eine Flowline und einen neuen Downhill-Trail. Auf der Plose in Brixen hat er jüngst drei Trails fertiggestellt, und auch Livigno trägt seine Handschrift. Zudem waren Tom und sein Team als Berater in Wagrain und Leogang involviert.

Wichtig ist für Tom dabei, dass er nicht mit seinem Team aus Kanada kommt und alle Arbeiten übernimmt. Er setzt vielmehr auf lokale Shaper und bildet diese aus. Sie arbeiten nach seinen Vorgaben und werden von seinen Leuten eingeschult. So soll ein Wissenstransfer gesichert werden, damit die Trails von Kundigen vor Ort gewartet werden können.

Schwierige europäische Besitzverhältnisse

Der maßgebliche Unterschied zu Kanada liegt beim Trailbau in Europa in den Besitzverhältnissen, sagt Tom. Es sei hier viel schwieriger, ausreichend Land zu finden auf dem man Trails bauen kann: "Dadurch muss man immer wieder in sehr steiles und eigentlich unbrauchbares Gelände ausweichen." Denn um legendäre Strecken wie etwa die A-Line oder Dirt Merchant zu bauen, braucht man vor allem eins: Platz. Und zwar im mäßig steilen Terrain. Tom hält die meisten europäischen Trails für zu steil, um massentauglich zu sein.

Die Diskussionen über eine Kommerzialisierung des Mountainbikesports will der erfahrene Trailbauer nicht kommentieren. Er verdiene sein Geld damit, mehr Leute zum Biken zu bringen. Zwar sei die Skepsis und Ablehnung der sogenannten Core-Szene nachvollziehbar, allerdings lebe er nun einmal davon. Tom vergleicht es mit Surfen, Snowboarden und Skaten. Wobei der Zugang beim Radfahren niederschwelliger sei, weil es einfacher zu erlernen ist und die meisten Menschen eine Grunderfahrung aufweisen.

Zur Belebung des Sommertourismus sei Mountainbiken jedoch die perfekte Strategie, ist der Kanadier überzeugt. Denn Spaßgeräte wie Flying Fox und Sommerrodelbahnen bringen zwar den Gästen Spaß und den Betreibern ein wenig Umsatz, aber sie bauen kein Image auf. Im Winter sei es das Skifahren, das den sportlich-jugendlichen Flair ausmache. Damit könne selbst das Wandern nicht mithalten, sagt Tom: "Weil es kein Lebensgefühl transportiert. Das kann im Vergleich zum Skifahren nur das Mountainbiken." Daher prophezeit er Wintersportregionen eine blühende Zukunft, wenn diese im Sommer auf Biketourismus setzen.

Eigene Trails für E-Bikes

Dass die Radfahrer im Aufwind sind, beweist für Tom nicht zuletzt der anhaltende E-Bike-Boom. Zwar sei die Stimmung in Nordamerika nicht mit der in Europa zu vergleichen: "Es gibt noch viele Vorbehalte gegen den Elektromotor und Diskussionen, ob man das dann noch als Mountainbike bezeichnen soll." Doch der Durchbruch der E-Bikes sei auch dort nur mehr eine Frage der Zeit. Seinen ersten Trail für elektrisch betriebene Bikes hat Tom kürzlich in Kalifornien gebaut. Neben Uphill-Trails hat er auch schon Jumptrails für E-Bikes designet.

Wichtig ist dabei, das Gewicht der Räder mitzudenken. Denn aufgrund des Akkus im Unterrohr ändert sich das Flugverhalten der Bikes. Beim ersten E-Bike Jumptrail hatte seine Crew die Testrunden mit normalen Fullys gedreht. Erst als die E-Bikes am Kurs waren, wurde schnell klar, dass die Absprünge und Landungen umgebaut werden müssen. "Künftig wird man das mit bedenken müssen, ob man einen Trail für E-Bikes oder herkömmliche Fullys baut", glaubt Tom. Denn auch reine Uphill-Trails sehen für E-Bikes anders aus: "Sie sind bergauf so schnell, dass man Anliegerkurven braucht."

Tom selbst kümmert es wenig, für welche Zielgruppe er und sein Team bauen: "Mir ist das egal, womit mit die Leute unsere Trails fahren. Hauptsache ist, sie haben Spaß dabei." Und der Spaß ist auch bis heute sein Antrieb, wenn es ums Mountainbiken geht. Auf die Frage, ob er noch oft und gern fährt antwortet er ohne zu zögern: "So oft wie möglich. Denn es gibt nichts, das ich mehr genieße." (Steffen Arora, 26.9.2017)