Strudelteig selber machen wird gern als eine der Königsdisziplinen der österreichischen Mehlspeisküche gehandelt, und ich habe ganz ehrlich keine Ahnung davon. Wenn es um Strudel geht – auch und vor allem um meine persönliche Lieblingsversion, den Apfelstrudel –, bin ich bloß dankbarer Konsument. Als solcher will ich allen wackeren und hochgeschätzten Strudelbäckern trotzdem einen Rat mitgeben: Probieren Sie einmal, Ihren nächsten Apfelstrudel mit Rote-Bohnen-Paste zu backen.

Foto: Ian Ehm

Das klingt seltsam, zahlt sich aber aus – weil Apfelstrudel mit Rote-Bohnen-Paste einfach viel besser schmeckt als ohne. Rote-Bohnen-Paste (aus jener Bohne, die auf Deutsch Adzuki-Bohne heißt) ist so was wie das Schlagobers der asiatischen Süßspeisenküche – es gibt kaum etwas, das nicht mit ihr verfeinert werden könnte. Sie wird in Dampfbrot gestopft, in Baozi, Teigtaschen, gewickelt, in Tee gemischt oder auf Toast gestrichen. Im Winter, wenn es kalt ist, werden rote Bohnen auch gern bloß in gezuckertem Wasser gekocht und das Ergebnis als Rote-Bohnen-Suppe serviert.

Die Erkenntnis, dass sie auch im Apfelstrudel eine hervorragende Figur machen, verdanke ich Joseph Kiang, Sohn taiwanischer Eltern, Chinesische-Weinbar-Betreiber in Wien und Bäcker eines der besseren Apfelstrudel der Stadt (obwohl er seinen Teig nicht selber macht). Wer nicht weiß, dass in seinem Strudel Rote-Bohnen-Paste steckt, würde sie wahrscheinlich gar nicht bemerken, sondern sich bloß fragen, warum der Strudel so wunderbar mürb, extra saftig und irgendwie besser als andere Strudel schmeckt.

Josef wurde 1960 in Teheran geboren und ist in Wien aufgewachsen, als Sohn eines taiwanischen Botschaftsmitarbeiters. Er hat gemeinsam mit seiner Frau Chenli, einer gebürtigen Pekingerin, in Wien einige chinesische Lokale betrieben, dann zehn Jahre in Peking gelebt und dort ein Restaurant mit europäischer Küche geführt. Die Kiangs servierten in Peking viel Italienisches, ein wenig Französisches und, als Draufgabe und Erinnerung an die alte Heimat, Schnitzel und Schweinsbraten. 2013 sind sie schließlich nach Wien zurückgekehrt und haben hier das "Kiang Dine and Wine" eröffnet – zunächst am Yppen-, dann am Servitenplatz.

"Das Strudelrezept hat sich kurz nach der Eröffnung des Lokals einfach so ergeben", sagt Josef. "Die chinesische Küche kennt nicht viele Desserts, aber die Österreicher lieben Süßspeisen. Ich habe etwas gebraucht, was sich gut vorbereiten lässt und schnell geht. Und mir war von Anfang an klar, dass die Mischung funktionieren würde." Seither gehört der Apfelstrudel mit Rote-Bohnen-Paste zu ihrem fixen Repertoire. Mit der Paste lässt sich natürlich nicht nur ein Strudel befüllen: Wer es original chinesisch will, der macht damit Chenlis Dampfbrot – hier folgen beide Rezepte.

Bevor es losgeht, noch schnell zweimal Dank und eine Entschuldigung. Der Dank geht an Josef und Chenli, die mit mir ihre Küche geteilt haben, und an den großartigen Ian Ehm, der die Fotos gemacht hat. Und die Entschuldigung an alle Leser der "All You Can Eat"-Fremd-Ausgabe, die die folgenden Rezepte bereits kennen.

Rote-Bohnen-Paste – Grundrezept

Rote-Bohnen-Paste gibt es fix und fertig im Asia-Shop zu kaufen. Die Fertigware hat zwar eine ziemliche Konsistenz, ist aber relativ süß und hat mitunter einen leichten Karamell-Nebengeschmack (ich schätze, es wird für die schönere Farbe hineingemischt). Besser ist sie meiner Meinung nach, wenn man sie selber macht – ein minimaler Mehraufwand. (Und der Zeitverlust lässt sich sehr einfach wieder reinholen, indem man einfach, wie Josef, fertigen Strudelteig verwendet.) Für einen Strudel braucht es etwa 160 Gramm Bohnenpaste. Es empfiehlt sich aber, mehr zu machen und für diverse andere Dinge zu verwenden.

1 Sack rote Bohnen aus dem Asia-Markt

Kandiszucker nach Geschmack

Die Bohnen mit Wasser bedecken, sodass sie mindestens fünf Zentimeter bedeckt sind.

Nach Geschmack Zucker dazugeben (lieber weniger, nachsüßen geht immer) und zugedeckt kochen, bis die Bohnen sehr weich sind, eine bis zwei Stunden. Abseihen und das Wasser aufheben – es kann getrunken werden, mit Gelatine gebunden und als Pudding serviert ... Ihrer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Die heißen Bohnen in der Küchenmaschine oder mit dem Pürierstab passieren, bis sie die gewünschte Konsistenz haben. Eventuell mit einem Schuss Kochwasser verdünnen.

Foto: Ian Ehm

In Asien gibt es die Bandbreite von bröckelig bis perfekt cremig.

Foto: Ian Ehm

Josef Kiangs Apfelstrudel mit Rote-Bohnen-Paste

Strudelmachen hat Josef aus dem Plachutta-Kochbuch gelernt ("Ein sehr gutes Kochbuch", sagt er), bis heute hält er sich mehr oder weniger an das Rezept. Er empfiehlt säuerliche Äpfel, idealerweise Cox Orange oder Pink Lady. Was Josef Ihnen noch mitgeben möchte: "Viel Butter ist das Geheimnis."


Foto: Ian Ehm

Einen Strudelteig, selbst gemacht oder aus dem Supermarkt

170 Gramm Rote-Bohnen-Paste (siehe oben)

Drei große oder vier kleinere saure Äpfel

Eine Handvoll Rosinen

Ein Schuss Inländerrum

Nicht zu knapp Semmelbrösel

1–2 Esslöffel Kristallzucker

Mindestens 150 Gramm Butter

Ein Schuss Zitronensaft

Eine Prise Zimt

Die Äpfel schälen, entkernen und in mundgerechte Stücke schneiden.

Foto: Ian Ehm

Mit Zucker, Zitronensaft und Zimt marinieren und eine Stunde ziehen lassen. Die Rosinen mit Inländerrum bedecken und ebenfalls ziehen lassen. Die Butter schmelzen und in etwa 50 Gramm davon die Brösel braten, bis sie etwas Farbe angenommen haben. Die restliche geschmolzene Butter aufheben.

Das Backrohr auf 180 Grad vorheizen und auf Umluft schalten. Den Strudelteig auf einem Geschirrtuch auflegen und jede Schicht mit ordentlich geschmolzener Butter bepinseln.

Foto: Ian Ehm

Die Bohnenpaste auf dem unteren Drittel des Strudelteigs verteilen (eventuell mit einem Schuss Wasser mischen, damit sie streichfähiger wird) und mit der Hälfte der Butterbrösel bestreuen.

Foto: Ian Ehm

Die Rosinen und den Rum zu den Äpfeln geben, durchmischen und gleichmäßig über Bohnenpaste und Brösel verteilen. Zum Schluss die zweite Hälfte der Brösel über die Äpfel geben.

Mithilfe des Geschirrtuchs den Teig einrollen und auf ein Backblech legen.

Foto: Ian Ehm

Außen nochmals mit Butter bepinseln und im Rohr backen, bis er eine schöne Farbe bekommen hat, etwa 30 Minuten.

Foto: Ian Ehm

Herausnehmen, erneut mit Butter bepinseln, kurz auskühlen lassen und am besten noch lauwarm genießen.

Foto: Ian Ehm

Chenli Kiangs Dampfbrot mit Rote-Bohnen-Paste

Dampfbrot war eines der ersten Dinge, die Chenli zu kochen gelernt hat, als sie sieben Jahre alt war. "Wenn du nicht kochen kannst, wirst du keinen Mann finden", hat sie ihre Mutter damals gewarnt. So wie bei vielen chinesischen Teigen kommt es auf die Temperatur des Wassers an, wenn es mit dem Mehl gemischt wird, meint sie. Ist es zu kalt, wird der Teig hart, was nur bei Nudeln und gekochten Knödeln erwünscht ist. Die Mengenangaben sind für ein Kilo Mehl und sehr viel Dampfbrot – machen Sie für den normalen Hausgebrauch ein Drittel davon. Das Brot kann natürlich auch ungefüllt zu pikantem Essen gereicht werden.

1 kg Mehl, glatt

1 Packung Backpulver

Ein Würfel Germ aus dem Supermarkt

600 ml Wasser, auf 50 Grad erwärmt

500 Gramm Rote-Bohnen-Paste

Das Backpulver und den Germ im warmen Wasser auflösen, dann das Mehl dazugeben und ordentlich kneten, bis ein geschmeidiger Teig entsteht. Mit einem feuchten Geschirrtuch zudecken und mindestens eine Stunde an einem warmen Ort rasten lassen. Ein faustgroßes Stück abtrennen, zu einem Zylinder mit etwa drei Zentimeter Durchmesser rollen und in drei Zentimeter breite Stücke schneiden.

Foto: Ian Ehm

Die Stücke kreisrund und etwa 2 mm dick ausrollen, etwa auf Handflächengröße. Mit einem Klecks Rote-Bohnen-Paste füllen und den Teig schließen.

Foto: Ian Ehm

Die genaue Technik erfordert ein wenig handwerkliches Geschick und ist sehr schwer mit Worten zu erklären: Ein Video ist da viel hilfreicher – googeln sie entweder "Xialongbao formen", oder pfeifen Sie auf die perfekte Form und rollen Sie das Ergebnis einfach zu einem Ball.

Foto: Ian Ehm

Legen Sie Ihren Dämpfer mit Küchenrolle aus, setzen Sie die gefüllten Teigbälle darauf und stellen Sie alles über einen Topf mit kaltem Wasser. Bringen Sie nun das Wasser mit dem Dämpfer darüber auf hoher Temperatur zum Kochen. Sobald es kocht, lassen Sie die Teigtaschen zehn Minuten dampfen.

Foto: Ian Ehm

Danach nicht sofort den Deckel entfernen – der Teig fällt sonst zusammen –, sondern noch ein, zwei Minuten ziehen lassen.

Foto: Ian Ehm

Die gefüllten Brote noch warm servieren oder vor dem Verzehr im Dampf kurz wieder aufwärmen.

Foto: Ian Ehm

(Tobias Müller, 1.10.2017)