Da die Gamer-Kultur so vergiftet ist, dass es gefährlich ist, in der Öffentlichkeit Klartext zu reden"

Foto: GTA 5

Verfolgt man Debatten auf sozialen Medien, erschleicht einen nicht selten das Gefühl, dass die Welt nur noch in Extremen existiert. Auf einen Hype folgt ein Shitstorm, auf kollektive Liebe, kollektiver Hass, die populärste Meinung dirigiert den Bienenstock. Ein Vorwurf, den sich gerade auch die Videospielszene oft gefallen lassen muss.

Laut dem ehemaligen Ubisoft- und Bioware-Entwickler Charles Randall sei diese toxische Netzmentalität schuld daran, weshalb zumindest öffentlich nicht offener über die Entwicklung von Games gesprochen werden kann. "Tatsache ist, wir sind nur anderen Leuten aus der Industrie gegenüber offen. Da die Gamer-Kultur so vergiftet ist, dass es gefährlich ist, in der Öffentlichkeit Klartext zu reden", schreibt Randall in einer Reihe von Nachrichten auf Twitter.

"toxische Gaming-Community"

Das Problem daran sei, dass sich Spielhersteller aus Angst vor Repressalien oft nicht trauen würden, über Schwierigkeiten oder Themen wie die ökonomische Realität hinter Games zu sprechen, auch wenn einige Fans Interesse an einer transparenteren Kommunikation zwischen Entwicklern und Spielerschaft haben – gerade in Zeiten von Vertriebsmodellen wie Early-Access und Free2Play.

"Jeder Entwickler, der offen über Schwierigkeiten spricht, löst eine Flut von Leuten aus, die gleich dessen kompletten Lebenslauf in Frage stellen. All die Dinge, die ihr jemals über Videospielentwicklung wissen wolltet, wäre schon längst kein Geheimnis mehr, wenn es nicht diese toxische Gaming-Community gäbe. Wir lieben es, über Entwicklung zu sprechen und die Herausforderungen, denen wir uns stellen, die Probleme, die wir lösen, die Abkürzungen, die wir nehmen. Aber das ist es fast nie wert."

Schlechter Einfluss?

Randall macht für diese negative Stimmung zumindest zum Teil auch den Einfluss von Medien und populären Youtubern verantwortlich. "Ich habe vor ein paar Wochen einen Vortrag vor Kindern unterschiedlichen Alters gehalten und danach kam ein Kind zu mir. Dieses Kind (im Alter von 13 bis 16 Jahren, schätze ich) beginnt darüber zu sprechen, wie schlecht Spielentwickler doch sind, was er von einem Youtuber hat, den er schaut. Er haute alle Schlagwörter heraus: Schlechte Engines, Gier und all das. Ich war schockiert", schreibt Randall. "Ich habe dann mein Bestes versucht, ihm zu erklären, dass all die Dinge, über die sich die Leute so aufregen, einen Grund haben. Ich hoffe, ich bin zu ihm durchgedrungen. Aber ich nehme an, er ist dazu zurückgekehrt, die toxische Kultur von Youtube-Persönlichkeiten zu konsumieren und eines Tages wird er möglicherweise wegen irgendeiner Nichtigkeit einen Entwickler belästigen."

Wenngleich Randall selbst keine rasche Lösung für dieses Problem in Sicht hat, wäre es ein guter Anfang, einmal ohne Angst vor Anfeindungen über diese Probleme sprechen zu können. "Kritisch zu sein und zu erklären, weshalb man etwas nicht mag, ist in Ordnung. Auf jemanden mit dem Finger zu zeigen und ihn zu beschimpfen, ist es nicht." (zw, 27.9.2017)