Wien – Der Horrorfilm funktioniert wie ein altes Kinderspielzeug. In den 1950er-Jahren galten Spring- oder Schachtelteufel als eines der populärsten Produkte der US-Firma Mattel. Sie sorgte bald darauf mit Barbie und Ken für einen anderen, unendlich größeren und länger wirkenden Horror. Der Springteufel wohnt in Gestalt einer Clownpuppe in einer Kiste. Wenn man an einer daran befestigten Handkurbel dreht, hört man blecherne Zirkusmusik, dann springt der Deckel auf, und der lustige Kinderschreck wird an einer Sprungfeder aus seinem Verlies katapultiert.

Der 29-jährige schwedische Schauspieler Bill Skarsgård gibt in der Neuverfilmung von Stephen Kings "Es" den Clown Pennywise als vergnügt-sadistisches Kind.
Foto: Warner

Das passiert irgendwann auch in der Neuverfilmung von Stephen Kings Roman Es von 1986 irgendwo unten in der schlechtbeleuchteten Kanalisation einer Kleinstadt namens Derry im für King obligaten US-Bundesstaat Maine. Der hübsche filmische Verweis findet dort unten im Duracell-Land auf einer Müllhalde aus verrottetem Kinderspielzeug statt. Leider weiß der Kinobesucher zu diesem Zeitpunkt, also nach zwei Stunden und 20 Grauslichkeiten, bei denen es einen auch dank überlauter Musik und einem aus der Leinwand fahrenden Monster aus den Schlapfen reißt (Jumpscare!), dass das nur die Vorstufe zu noch mehr Blut, Schleim und Tränen sein kann.

Im vom argentinischen Regisseur Andrés Muschietti (Mamá) nicht allzu aalglatt inszenierten Popcorn-Blockbuster Es wird mit jeder Menge Tusch und Tamtam und seit Tanz der Teufel bestens bewährten Höllenritten mit der Kamera gearbeitet; sehr gern auch mit stakkatoartig im Sinne eines Thrash-Metal-Songs geschnittenen Kreischszenen.

Der im Original Ende der 1950er-Jahre angesiedelte Roman wurde aus Gründen der kinogehenden Zielgruppe in die noch immer retrogardistisch gutgehenden späten 1980er-Jahre verlegt. Menschen, die damals den Roman bei seinem ursprünglichen Erscheinen lasen, können heute also mit ihren Kindern ins Kino und sich an damals angesagten Vokuhilas, Fahrrädern mit Chopperlenkern und Bananensattel oder zünftiger, thematisch passender Rockmusik von The Cult (Love Removal Machine) oder Anthrax (Antisocial) erfreuen. Auch die Boyband New Kids On The Block macht gruseln.

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Es, das Böse in Gestalt des Pennywise, wird vom Schweden Bill Skarsgård im abgerockten viktorianischen Kostüm und brüchiger Weißclownschminke gespielt. Er geht glucksend kichernd mit stechendem Blick selbst als vergnügt-sadistisches Kind um, das alles haben will, was es kriegen kann. Und wenn das nicht hilft, werden die Reißzähne mittels Computereffekten ausgefahren.

Dabei ist Pennywise, der auch zur Gestaltwandlung fähige Illusionist, der mit den Urängsten der Kinder spielt, vielleicht nicht einmal die schlimmste Ausformung des Bösen. Draußen in der Erwachsenenwelt, die das ungewöhnliche Verschwinden von Kindern in ihrer Kleinstadt nicht einmal richtig wahrnimmt und den Clown auch nicht sehen kann, ist der multiethnisch und neurosen- wie traumatechnisch gut besetzte "Club der Verlierer" allerhöchstens Opfer. Er ist ein Opfer von häuslicher Gewalt, Rassismus, Pädophilie, Dickleibigkeit, Stottern – und den Grausamkeiten, die ihm dadurch widerfahren.

Pennywise muss die sieben Kinder, denen im Film eindeutig die Hauptrollen gebühren, schließlich hinüber in eine dunkle Welt ziehen, in der der Tod leider noch längst nicht das Ende bedeutet. Sie können sich nur retten, wenn sie fest zueinanderhalten. Auch das bedeutet: Erwachsenwerden.

Das Böse geht um

Alle 27 Jahre geht Pennywise mit verheerenden Folgen in Derry um. Immer wenn rote Luftballons über die Leinwand schweben, kann sich der Besucher verspannen. Gleich wird es wieder laut werden. Dabei psychologisiert Regisseur Andrés Muschietti nicht mehr als nötig. Er bleibt allerdings mit seinen oft als Nummernrevue daherkommenden Schrecken meist auch an der detailverliebt gehaltenen Oberfläche zwischen Ekelkanalisation, Geisterhaus, blutgetränktem Badezimmer oder schlecht beleuchteten Kellern.

Ursprünglich hätten bei dieser Neuauflage eines Fernsehzweiteilers von 1990 die Zwillingsbrüder Matt und Ross Duffer Hand anlegen sollen. Sie produzierten stattdessen die ungleich subtilere TV-Serie Stranger Things. Gar nicht daran zu denken, was sie mit Es angestellt hätten. Ein zweiter Teil soll 2019 in die Kinos kommen und die jetzt ausgesparte, im Roman parallel erzählte Handlungsebene erzählen, die wiederum 27 Jahre später spielt.(Christian Schachinger, 27.9.2017)