Treffen Nummer sieben in diesem Jahr zwischen Erdogan und Putin: Die türkische Armee soll in die Grenzprovinz Idlib. Erdoğans Bündnis mit den Assad-Helfern Moskau und Teheran wird tiefer. Dieses Foto stammt aus dem Mai.

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Ankara/Athen – Ein Dreieck haben sie schon, ein Trapez soll als Nächstes dazukommen. Die Geometrie der türkischen Militär interventionen im Nachbarland Syrien nimmt Formen an. Nach dem Einmarsch im August 2016, wenige Wochen nach dem vereitelten Putsch in der Türkei, sicherte sich Ankara sukzessiv das Gebiet von der syrischen Grenzstadt Jarablus zum 80 Kilometer entfernten al-Bab und wieder hoch zum Grenzstädtchen ar-Rai. Begleitet von den Kämpfern der Freien Syrischen Armee (FSA) vertrieben die Türken die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) aus dem Dreieck. Jetzt geht es um Idlib, die nächste, weiter westlich gelegene syrische Grenzprovinz.

Möglich sind die Interventionen nur, weil Russland sie billigt, der militärisch wichtigste Verbündete des syrischen Regimes. Der geplante Einmarsch in Idlib steht deshalb auch weit oben auf der Gesprächsliste, wenn der russische Staatschef Wladimir Putin heute, Donnerstag, zum Abendessen in den Präsidentenpalast nach Ankara kommt. Es wird das bereits siebte Treffen zwischen Putin und Tayyip Erdoğan in diesem Jahr sein.

Deeskalationszonen

Seit der Operation "Euphratschild" der türkischen Armee mit dem Vorstoß nach al-Bab hat sich die Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Russland auf dem syrischen Kriegsschauplatz nur vertieft. Der Iran, der andere wichtige Unterstützer des syrischen Regimes, ist hinzugekommen. Das Trio hat sich nach langen Verhandlungen auf die Einrichtung sogenannter Deeskalationszonen in Syrien verständigt. Die Grenzprovinz Idlib würde von der Türkei gesichert, so erklärte Erdoğan Journalisten am Rand der UN-Generalversammlung in New York. Die Russen wiederum würden die Gebiete um die nordsyrische Provinz herum schützen.

Es dürfte in Wirklichkeit etwas komplizierter sein. Idlib ist eine von mehreren solcher Deeskalationszonen, die sich als breiter Puffer bis nach Homs und Damaskus ziehen und im Grunde den Sieg des Regimes von Bashar al-Assad in dem sieben Jahre alten Krieg vorwegnehmen. Russland und der Iran wollen im Norden den Zugriff zur Autobahn von Aleppo nach Hama, Homs und Damaskus, die unterhalb der Provinzhauptstadt Idlib verläuft. Beide Akteure, so heißt es, wollen aber auch Kontrolle über den westlichen Teil der bevölkerungsreichen Provinz Idlib um die Stadt Jisr al-Shughur; diese öffnet den Weg zur Küstenprovinz Latakia, eine der wichtigsten Bastionen Assads.

Der Einmarsch der Türkei in Idlib wird deshalb wohl auf eine Art Arbeitsteilung in der Provinz hinauslaufen. Details werden noch bei dem Treffen zwischen Erdoğan und Putin ausgearbeitet. Das Prinzip aber ist, durch die Errichtung von Checkpoints auf Landstraßen und in Städten der Zivilbevölkerung freie Bewegung zu ermöglichen, bewaffnete Milizen aber einzudämmen.

Bekämpfung des Terrorismus

Der Großteil der Provinz Idlib und die Stadt selbst werden von der Islamistenallianz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) gehalten. Sie drängte im Juli die von Ankara unterstützte Islamistengruppe Ahrar al-Sham auch aus der Provinzhauptstadt Idlib. Ob die HTS – eine Neuformierung der früheren, mit Al-Kaida verbundenen Nusra-Front – eine Zukunft hat, gilt als fraglich. Fraktionen, die nun lieber mit der Türkei eine Zusammenarbeit suchen, spalteten sich bereits ab.

Im Parlament in Ankara warb die Regierung mit Erfolg um Unterstützung für die Verlängerung des Interventionsmandats der Armee: Es gehe um die Bekämpfung des Terrorismus. Gemeint waren damit auch die syrischen Kurden. Ankara treibt nun einen zweiten Keil in ihr Gebiet. (Markus Bernath, 28.9.2017)