Wien – Adam Casals, Gesandter und Leiter der Delegation der katalanischen Regierung in Österreich, hat die Reaktion der spanischen Zentralregierung auf das katalanische Unabhängigkeitsreferendum scharf verurteilt. Spanien habe es versäumt, eine "Demokratie nach mitteleuropäischem Standard" zu sein, stattdessen habe man sich für die "Erdoganisierung" entschieden, erklärte er im APA-Interview.

Trotz aller Widrigkeiten werde das Referendum abgehalten. "Wir sehen im Moment in Katalonien eine Missachtung und Verletzung der Grund- und Zivilrechte der Bürgerinnen und Bürger Kataloniens", so Casals. "Natürlich werden spanische Polizei und Paramilitärpolizei (Guardia Civil) mit Gewalt die Wahlzettel und Wahlurnen in den Schulen beschlagnahmen", fuhr er fort. "Wie kann es sein, dass so etwas in einem Land passiert, das seit 1986 Mitglied der EU ist?", fragte Casals.

Casals erklärte, dass nicht nur die Grundrechte der Katalanen, sondern auch der Spanier und aller EU-Bürger in Gefahr seien. "Wir haben noch immer die Hoffnung, dass die EU versteht, dass sie die Bürger schützen muss, wenn sie vom eigenen Land angegriffen werden", sagte der Gesandte und appellierte an die EU, im Fall weiterer Eskalationen Spanien entsprechend zu bestrafen.

"Sehr lieb sein"

Die spanische Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy sieht in dem für Sonntag geplanten Referendum zur katalanischen Unabhängigkeit ein verfassungswidriges Vorgehen und hat die Rechte der bereits weitgehend autonomen Region stark beschnitten. Casals verglich das schwierige Verhältnis zwischen Katalonien und dem Rest von Spanien mit einer kriselnden Ehe: "Wenn eine Frau ihren Mann verlassen will, ist die einzige Möglichkeit, sie eventuell umzustimmen, sie sehr gut zu behandeln und sehr lieb zu ihr zu sein", sagte Casals. "Wenn man die Paramilitärpolizei schickt, wenn Zeitungen zensiert werden, wenn die Mitglieder der katalanische Regierung und die Teilnehmer der Kundgebungen mit Gefängnisstrafen bedroht werden, das würde man nicht 'liebhaben' nennen", so Casals weiter. "Rajoy wird dafür verantwortlich sein, Katalonien für immer verloren zu haben", sagte der Gesandte.

Der Unmut der Katalanen über die Zentralregierung sei durch die mangelnde Kooperation zwischen spanischer und katalanischer Polizei in Bezug auf den Terroranschlag in Barcelona im August weiter befeuert worden. Die spanische Polizei und der Geheimdienst seien im Besitz relevanter Informationen gewesen, die nicht an die katalanische Polizei weitergegeben worden seien. Casals meinte, dass diese fehlenden Informationen möglicherweise den Terroranschlag verhindern hätten können. "Viele Bürger Kataloniens haben das Gefühl, dass ihr Leben dem Zentralstaat egal war", so Casals.

Demokratische Standards

Beim Referendum würden alle europäische Wahlstandards erfüllt werden. "Es werden tausende Wahlbeobachter und Journalisten erwartet, jeder soll sehen, dass das Referendum nach allen europäischen demokratischen Standards stattfindet", erklärte Casals und kündigte an, auch eine Niederlage zu akzeptieren, wenngleich er von einem Sieg ausgehe. "Wir verstehen nicht, warum Spanien so viel Angst vor Demokratie hat", fügte er hinzu.

Dass das katalanische Referendum den Anstoß für weitere Unabhängigkeitsreferenda in anderen Regionen geben könnte, glaubt Casals nicht. "Was in Katalonien geschieht, ist einzigartig", sagte der Gesandte. (APA, 28.9.2017)