Sebastian Kurz erzählt in einem Video auf Facebook von seiner Kindheit. Wie unbeschwert und schön sie war und wie er die meiste freie Zeit in Niederösterreich verbrachte.

Währenddessen sieht man – teils in Slow Motion – idyllische Bilder eines Kurz, wie er mit seiner Großmutter spricht, wie seine Familie gemeinsam kocht, wie er in sonniger Kulisse radeln geht. Und Fotos eines jungen Sebastian mit kleinen Tierchen, gemeinsam mit einer Slow-Motion-Szene des heutigen ÖVP-Spitzenkandidaten, der einen entzückt hechelnden Hund streichelt.

Sebastian Kurz wirbt mit einem persönlichen Video.

Wenn es nicht gerade um Migrationspolitik geht, scheinen es Facebook-Postings wie diese zu sein, die die Bevölkerung am meisten ansprechen. Das weiß auch Heinz-Christian Strache, wenn er mit seiner Ehefrau Philippa und der Hündin Odi vor der Kamera posiert und ein schönes Wochenende mit der Familie wünscht. Verkauft wird hier nicht Parteipolitik, sondern der Kandidat als Person.

Heinz-Christian Strache wünscht mit Frau Philippa und Hündin Odi ein schönes Wochenende.

Facebook ist in Österreich das meistgenutzte soziale Medium. Das hat auch große Bedeutung für die Politik, speziell in Wahlkampfzeiten. Ein guter Auftritt dort ist oft Herzstück einer direkten Kommunikation mit Wählern und solchen, die es werden könnten. Das wissen die Kandidaten auch – und versenden teilweise innerhalb von weniger als zwei Monaten über 200 Postings mit sehr charakteristischen Inhalten.

DER STANDARD hat die Facebook-Auftritte aller Spitzenkandidaten zur Nationalratswahl und die Reaktionen darauf analysiert. Dafür wurde jedes Facebook-Posting innerhalb des Wahlkampfs auf Reactions, also Facebook-Likes beziehungsweise "Angrys", "Wows" "Sads", "Loves" und "Hahas" – das sind zusätzliche Buttons, mit denen man weitere Emotionen ausdrücken kann – sowie Kommentare und Shares, unter die Lupe genommen. Gewählt wurde der Zeitraum vom 1. August bis zum 28. September. Während dieser Zeit wurden insgesamt 1.325 Postings von neun Kandidaten verfasst. Auch die Art der Postings – also reine Statusmeldungen, Links, Videos oder Fotos – wurde ermittelt.

Viele Reactions für Kern, wenige für Strolz

Die beliebtesten Facebook-Seiten sind jene von FPÖ-Chef Strache und ÖVP-Chef Sebastian Kurz, die rund 740.000 beziehungsweise 704.000 Fans haben. SPÖ-Chef Christian Kern folgt mit großem Abstand, er hat rund 223.000 Fans. Strache hat zwar weiterhin den erfolgreichsten Auftritt, andere Kandidaten aber rücken ihm im Vergleich zu vergangenen Wahlkämpfen immer näher.

KPÖ-Spitzenkandidat Mirko Messner und die Kandidatin der Weißen, Isabella Heydarfadai, bilden mit jeweils weniger als 1.000 Page-Likes das Schlusslicht. Dementsprechend sollte auch die Analyse differenziert betrachtet werden. Die Kandidaten arbeiten mit sehr unterschiedlichen Fanzahlen, das hat natürlich auch Einfluss auf die Anzahl der Reaktionen.

Entsprechend den Page-Likes führen Strache und Kurz auch bei den Reaktionen. Besonders auffällig: Christian Kern konnte weit mehr Reaktionen erzielen, als er Facebook-Fans hat. Das weist entweder auf einen besonders aufsehenerregenden Auftritt oder aber auf viel Werbung auf Facebook hin, etwa durch gesponserte Postings. Sowohl Strache als auch Kurz haben weniger Reaktionen als Fans. Insbesondere bei Neos-Kandidat Matthias Strolz ist die Anzahl der Reaktionen im Verhältnis zu den Page-Likes niedrig, er kommt nur auf 31.000 Reaktionen gegenüber 84.000 Fans.

Topthemen Migration und Integration

Kerns Posting gegen "Österreich" konnte besonders viele Reaktionen hervorrufen.

Das aufsehenerregendste Posting ist ein Video des FPÖ-Chefs von der Ö1-Sendung "Klartext". Strache kritisiert darin die Höhe der Mindestsicherung für nichtösterreichische Staatsbürger und vergleicht sie mit der Mindestpension. An zweiter Stelle findet sich ein Posting von Sebastian Kurz, in dem er einen Link zu einem Oe24-Artikel teilt, der den Titel "Neue Moslem-Studie: Hälfte will Frauen nicht die Hand geben" trägt und Integration anspricht. Platz drei belegt ebenfalls ein Posting von Kurz: Er teilte ein Video der "Zeit im Bild", in dem er in einem Interview, ähnlich wie beim beliebtesten Strache-Posting, über Mindestpension und Mindestsicherung für Asylwerber spricht.

Bei fast allen Postings mit den meisten Reaktionen ist also Migration beziehungsweise Integration das Kernthema. Ist das nicht der Fall, ist es ein persönliches Posting, das den Kandidaten als sympathisch darstellen soll.

Einen Ausreißer bildet Kerns Statuseintrag zum "Österreich"-Inserate- und -Interviewstopp, der mit mehr als 15.000 Reaktionen enorme Aufmerksamkeit auf sich zog (und die achtmeisten Reaktionen im bisherigen Wahlkampf generieren konnte). Das Posting ist auch deswegen außerordentlich, weil es Kerns einziges ist, das es unter die ersten zehn schaffte. Bei den 30 beliebtesten Postings kommt Kern mit einem Video nochmals vor, ansonsten führen hier Strache und Kurz.

Videoinhalte im Trend

Die meisten Postings hat bisher Strache veröffentlicht. Innerhalb des Wahlkampfs posteten der FPÖ-Chef und sein Social-Media-Team durchschnittlich 5,3-mal pro Tag auf Facebook, SPÖ-Chef Kern, der an zweiter Stelle steht, kam im Durchschnitt auf 3,9 Postings täglich. Was Strache ebenfalls von den anderen Kandidaten unterscheidet, ist der starke Fokus auf die Verlinkung von Websites außerhalb von Facebook, allen voran krone.at mit 47 Nennungen und oe24.at mit 36 (der Medienmarktanalyst Media Affairs analysierte das zuletzt im Detail).

Auffallend ist außerdem der Trend zu Videocontent. Auch geteilte Videos einer fremden Quelle, also etwa eines Mediums, wurden in der STANDARD-Analyse als Videocontent gezählt. Dieser spielt vor allem bei den Kandidaten der großen Parteien eine essenzielle Rolle – das gilt insbesondere für ÖVP-Chef Kurz. Reguläre Textmeldungen werden kaum genutzt, und wenn doch, dann bei besonderen Ankündigungen. Ein Beispiel ist Christian Kerns Beitrag zum Inseratenstopp für "Österreich". Ansonsten setzen die Kandidaten bei der Vermittlung von Texten darauf, Links als Zusatz anzufügen.

Heinz-Christian Strache, König der "Angrys"

Neben normalen "Gefällt mir"-Angaben gibt es auf Facebook seit 2016 die Möglichkeit zu fünf weiteren Reaktionen auf Postings: "Love", "Wow", "Haha", "Sad" und "Angry". Im Fall der Spitzenkandidaten wurde "Angry" mit 79.123 derartigen Reaktionen ("Love" folgt mit 54.019) am häufigsten genutzt. Grund dafür ist fast ausschließlich und mit großem Abstand zu den anderen Kandidaten die Facebook-Seite von Heinz-Christian Strache.

Der FPÖ-Spitzenkandidat war während des Wahlkampfs für 67.654 "Angrys" verantwortlich – gefolgt von Sebastian Kurz mit einem Bruchteil davon, nämlich 8.619. Christian Kern an dritter Stelle kommt auf gerade einmal 1.581. Auffällig ist, dass Grünen-Kandidatin Ulrike Lunacek nur 38 "Angrys" auslösen konnte.

Die 50 Postings mit den meisten "Angrys" ähneln der vorherigen Grafik: Drei davon sind von Kurz, alle anderen stammen von Straches Facebook-Seite. Die "Angrys" beziehen sich nicht auf Strache selbst, sondern auf die Themen, die er anspricht. Die meisten dieser Postings mit negativen Reaktionen beinhalten Links zu Artikeln der "Krone" oder von "oe24". An erster Stelle steht ein Posting, in dem Strache zu einem "Krone"-Artikel mit dem Titel "D: 390.000 Syrer dürfen ihre Familien nachholen" verlinkt.

Auf Platz zwei findet sich ein Foto mit einem Bild von Sebastian Kurz und der Aussage "Der Islam gehört selbstverständlich zu Österreich", die Kurz getätigt haben soll. Im Text echauffiert sich Strache über vergangene Aussagen und Positionen des ÖVP-Chefs und schreibt, dass Kurz bereits in der Vergangenheit für Integration zuständig gewesen sei und dabei versagt habe. Thematisch befassen sich die Postings mit den meisten "Angry"-Reaktionen in den meisten Fällen mit Flüchtlingen und der muslimischen Bevölkerung. Kurz' Posting, das sich unter den zehn mit den meisten "Angry"-Reaktionen findet, spricht Strafen bei Sexualstraftaten an.

Mit Postings wie diesem konnte Peter Pilz besonders viele "Haha"-Reaktionen hervorrufen.

Strache schaffte es – auch aufgrund der Größe seiner Seite –, die meisten Reaktionen zu bekommen, konnte aber auch überdurchschnittlich oft andere Reaktionen als reguläre "Likes" auslösen. Neben "Angry" ist "Love" mit insgesamt 54.019 die am zweihäufigsten genutzte Reaktion, "Haha" folgt an dritter Stelle mit 31.044. Ungewöhnlich ist, dass sich Peter Pilz hier mit 1.328 "Hahas" dem Neos-Chef Matthias Strolz nähert, der 1.441 "Hahas" verzeichnete – obwohl Pilz nur rund 27.000 Facebook-Fans hat, Strolz dagegen gut 84.000. Das liegt allem voran an einem Video, in dem Pilz sich darüber lustig macht, dass Strache ein Duell mit ihm abgelehnt hat, und das den FPÖ-Chef herausfordert.

Die zehn Postings mit den meisten "Loves" stammen zum Großteil von Heinz-Christian Strache, zwei sind von Christian Kern. In den Top 30 dominiert Strache. Auffällig ist, dass Kern trotz einer viel niedrigeren Anzahl an Fans mehr "Loves" als Kurz verzeichnet. Die beliebtesten Postings sind zumeist Videos, die Pressekonferenzen oder Wahlkampfauftakte zeigen – aber auch persönliche Einträge wie der zu Beginn gezeigte Beitrag von Strache, seiner Ehefrau und seiner Hündin. (Muzayen Al-Youssef, 4.10.2017)