Rund um die Eisenbahnstraße im Leipziger Osten tut sich etwas.

Foto: s Immo AG

Seit Jahren zieht das Grätzel aufgrund der billigen Mieten Akademiker, Kreative und Studierende an. Auch Investoren sind längst hier.

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Die Eisenbahnstraße in Leipzig ist weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt: Die Bild-Zeitung bezeichnete die zwei Kilometer lange Straße im Osten der Stadt vor Jahren als die "gefährlichste Straße Deutschlands". Das Viertel macht mit Drogenhandel, Bandenkriegen und Gewaltdelikten seit Jahren Schlagzeilen.

Besuchern stechen hier Wettlokale, leerstehende Geschäfte und mit Graffiti beschmierte Wände ins Auge – und immer öfter Bauzäune. Denn das Viertel befindet sich im Umbruch. Investoren haben die Gegend längst entdeckt und warten auf die "Gentrifizierung".

Aber das sind nicht für alle hier gute Nachrichten: Im Gegensatz zu anderen Teilen der Stadt sind an der Eisenbahnstraße die Mieten mit Quadratmeterpreisen von unter vier Euro noch leistbar. Das hat in den letzten Jahren auch immer mehr Studierende, Kreative und Akademiker angelockt.

Renovieren und neu vermieten

Developer wie die österreichische S Immo AG, der hier im Grätzel drei Häuser und in ganz Leipzig 38 Objekte gehören, sehen die derzeitige Wohnsituation naturgemäß anders: "Teilweise herrscht bei den Mietern ein völlig anderer Zugang zum Thema Wohnen", drückt sich Robert Neumüller, Geschäftsführer der S Immo Germany, diplomatisch aus. Die Wohnungen seien mit bis zu zwölf Mietern überbelegt, und deren Wohnverhalten zerstöre die Substanz der Häuser.

Bei einem Eckhaus direkt an der Eisenbahnstraße, das die S Immo AG erst im Juli einem dänischen Investor abgekauft hat, soll sich das "in den nächsten drei bis vier Jahren" ändern. Zunächst soll das Haus "entmietet" werden. Das werde zum Teil dadurch passieren, dass auslaufende Mietverträge nicht verlängert werden. Viele Mieter würden ihre Miete nicht bezahlen oder den Mietvertrag auf andere Art brechen, so Neumüller. Zudem würden die Bewohner nun auch bemerken, dass nach dem Eigentümerwechsel ein anderer Wind wehe.

Das Haus soll entkernt, renoviert und neu vermietet werden. Das langfristige Ziel: Bis zur Neuvermietung soll das Mietniveau entsprechend gestiegen sein: "Wir werden den Zeitpunkt abwarten, bis der Markt ein entsprechendes Niveau hergibt", so Neumüller. Er hofft dann auf Mieten "jenseits der acht Euro", also auf das Doppelte davon, was jetzt bezahlt wird.

Gewerbeflächen als Erfolgsfaktor

Ein Schlüssel zum Erfolg sind für die S Immo AG die Gewerbeflächen im Erdgeschoß, die an qualitätsvolle Mieter vergeben werden – und die wiederum ein neues Publikum anlocken sollen. Bei einem Haus in einer ruhigen Seitenstraße hat die S Immo AG gerade eine Fläche in Vorleistung renoviert. Für das im Rohbau befindliche Geschäftslokal soll bis spätestens Weihnachten ein entsprechender Mieter – zum Beispiel ein Plattenladen oder ein Café – gefunden werden.

Den Effekt kann man bei einem Haus in der Nachbarschaft schon beobachten: Im Erdgeschoß ist ein Bioladen eingezogen. Gerade kommt eine junge Frau mit einer Stofftasche heraus und geht zu ihrem Fahrrad, das vor dem Geschäft abgestellt ist. "Es kommt zu einer regelrechten Aufwärtsspirale für das gesamte Haus, wenn die Gewerbeflächen unten funktionieren", sagt Neumüller.

Eine ähnliche Aufwärtsspirale hat längst große Teile der Stadt erfasst. Heute ziehen 16.000 Menschen pro Jahr hierher. Vor wenigen Jahren war Leipzig noch eine schrumpfende Stadt, weil Industrie und Menschen abwanderten. 60.000 Wohnungen standen vor 15 Jahren laut Schätzungen leer.

Incentives für Mieter

"Damals gingen die Mieter durch die Stadt und suchten sich Wohnungen aus", erzählt Neumüller. Um Mieter anzulocken, wurde auf Incentives wie Fernsehgeräte, Waschmaschinen oder sogar Mallorca-Urlaube gesetzt. "Innerhalb von zehn Jahren gab es eine totale Trendumkehr", sagt Neumüller heute. Leipzig durchlebe gerade die gleiche Entwicklung wie Berlin schon vor einigen Jahren.

"Wir kaufen uns Arbeit ein", sagte Vorstandschef Ernst Vejdovszky über die Unternehmensstrategie, verborgene Schätze mit Potenzial einzukaufen – und dann zu entwickeln. Noch sei die Eisenbahnstraße nicht so weit, sagt Neumüller: "Aber sie kommt – und wir sind dann bereits da." (Franziska Zoidl, 30.9.2017)