München – Im Volkswagen-Dieselskandal ist erstmals ein ehemaliges Vorstandsmitglied einer Konzerntochter in Deutschland verhaftet worden. Der frühere Entwicklungsvorstand des Sportwagenbauers Porsche, Wolfgang H., sitze wegen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München bei der Schwestermarke Audi seit Donnerstag in Untersuchungshaft, hieß es aus gut unterrichteten Kreisen gegenüber Reuters.

H., der zeitweise auch die Motorenentwicklung bei Audi und im Volkswagen-Konzern leitete, war aufgrund des Abgasskandals zunächst beurlaubt worden und hatte das Unternehmen im vergangenen Jahr verlassen.

Ein Anwalt des Managers wollte die Verhaftung nicht bestätigen und lehnte eine Stellungnahme ab. Über H.' Verhaftung hatte zuerst die "Süddeutsche Zeitung" (Freitagausgabe) berichtet. Die Staatsanwaltschaft München bestätigte am Donnerstag lediglich, dass in dem Ermittlungsverfahren wegen Betrugs und illegaler Werbung ein zweiter Beschuldigter hinter Gitter kam. Porsche hatte im Mai des vergangenen Jahres erklärt, der Aufsichtsrat und H. hätten dessen Vertrag einvernehmlich aufgelöst. Der Entwicklungschef habe an der Aufklärung mitgewirkt und das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen. Es gebe keinerlei Hinweise für eine Mitverantwortung des Managers, teilte Porsche damals mit.

Auch Ingenieur in U-Haft

Seit Anfang Juli sitzt bereits ein Ingenieur der Audi-Motorenentwicklung in München in Untersuchungshaft. Er hat nach Angaben seiner Anwälte umfassend ausgesagt und die Vorwürfe bestritten. Audi hat dem Ingenieur gekündigt. Darüber streiten sich beide Seiten vor dem Arbeitsgericht Heilbronn in der Nähe des Audi-Werks Neckarsulm in Baden-Württemberg.

Der italienische Staatsangehörige wird in München auch wegen einer möglichen Auslieferung an die USA festgehalten. Die US-Justiz wirft ihm ebenfalls eine Mitwirkung an illegaler Manipulation von Abgaswerten vor. Deutschland liefert hingegen eigene Staatsbürger nicht an die USA aus. Eine Voraussetzung für Untersuchungshaft ist ein dringender Tatverdacht.

Die Staatsanwaltschaft erklärte am Donnerstag weiter, die Ermittler hätten am Mittwoch Privaträume an zwei ungenannten Orten durchsucht und den Kreis der Beschuldigten erweitert. Die Sprecherin äußerte sich nicht zur Anzahl der Verdächtigen, erklärte aber, aktuelle oder frühere Vorstandsmitglieder der bayerischen Konzerntochter Audi seien nicht darunter. Wie Reuters von Insidern erfahren hatte, standen bisher vier aktuelle und ehemalige Ingenieure aus der Audi-Entwicklung im Visier der Münchner Strafverfolger.

Hohe Zahlungen

Der Volkswagen-Tochter droht eine millionenschwere Geldbuße, falls die Staatsanwaltschaft Mitarbeitern des Konzerns ein Fehlverhalten nachweisen kann. Die Strafverfolger prüfen nach eigenen Angaben unverändert, ob das Unternehmen oder Vorstandsmitglieder wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht mit Bußgeldern belangt werden können. Audi hat die Vorwürfe zurückgewiesen und eine Zusammenarbeit mit den Strafverfolgern zugesagt. Im August hatte Audi vier Vorstandsmitglieder ausgetauscht. Vorstandschef Rupert Stadler blieb im Amt.

Wegen der von Volkswagen und Audi zugegebenen millionenfachen Manipulation von Dieselmotoren zur Schönung von Abgaswerten ermitteln Staatsanwaltschaften im In- und Ausland. Neben US-Ermittlern, die mehrere Beschuldigte hinter Gitter brachten, sorgte besonders das Vorgehen der Strafverfolger in München für Aufsehen. Sie sorgten nicht nur für die beiden einzigen bekannt gewordenen Verhaftungen im Dieselskandal in Deutschland. Bei Audi rückten sie just am Tag der Bilanzpressekonferenz zur Razzia an. Sie durchsuchten auch die von Volkswagen mit der internen Aufklärung beauftragte Anwaltskanzlei Jones Day, was als ungewöhnlicher Schritt gilt. (APA, 29.9.2017)