Beim Länderspiel Dänemark gegen Deutschland im Juni in Kopenhagen machten sich Fußballfans mit einem Transparent gegen Homophobie stark. Auf den Fantribünen äußere sich die Homophobie meist über die Sprache, sagt Nikola Staritz. "Alles, was schlecht ist, wird als schwul bezeichnet. Das ist eine Zuschreibung von Schwäche."

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Nikola Staritz kämpft mit Fairplay gegen Diskriminierung im Sport.

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Salzburg – "Kein Thema. Da gibt es nichts zu sagen", sei meist die erste Antwort gewesen, wenn Nikola Staritz Interviews zum Thema Homophobie im österreichischen Vereinssport führte. Die Gespräche hätten dann jedoch zwei Stunden oder länger gedauert. Das zeige, dass vieles tabuisiert werde, schilderte die Politikwissenschafterin bei der zweiten Salzburger Fußballtagung. Einige Schlussfolgerungen aus den Gesprächen erklärt Staritz im Interview mit dem Standard.

STANDARD: Warum tritt Homophobie im Fußball so häufig auf?

Staritz: Da es ein Massenphänomen ist, wird im Fußball Homophobie mehr wahrgenommen. Einzeln runtergerechnet ist sie wohl nicht häufiger. Es wird immer behauptet, sie sei ein Problem des Fußballs. Viele meinen, es ist eine Bildungsfrage, ein Klassenproblem, weil Homophobie durch Aufklärung entgegenzukommen wäre. Dem müssen wir widersprechen. Auf der Fanseite kommen homophobe Beschimpfungen von der VIP-Lounge genauso wie von den Funktionärsrängen oder den normalen Fans. Homophobie liegt viel subtiler in den Strukturen und hat mit dem geschlechtlichen Image der Sportart zu tun. Je männlicher dominiert eine Sportart ist, desto schwieriger haben es Schwule, und desto einfacher haben es Lesben.

STANDARD: Warum wird das so unterschiedlich bewertet?

Staritz: Bei Fußball, Eishockey und Kickboxen sind schwule Sportler undenkbar, die hätten wirklich mit großen Sanktionen zu rechnen. Dort wird Leuten auch tunlichst geraten, sich nicht zu outen. Gerade in diesen Sportarten sind viele Frauen offen lesbisch, und das ist gar kein Thema. Die Basis dahinter ist dieses Männlichkeitsbild. Frauen in männerdominierten Sportarten haben es schwer reinzukommen, dann haben sie aber gewisse Freiräume. Von einigen wird sogar erwartet, dass sie lesbisch sind. Männliche Homosexualität zieht eine Verweiblichung mit sich.

STANDARD: In Ihrer Arbeit ist von der "Kultur von Männlichkeit" die Rede. Was versteht man darunter?

Staritz: Dass es gewisse Werte, Normen, Strukturen gibt, die männlich, patriarchal geprägt sind. Das äußert sich besonders im Sport. Aber auch in unserer Gesellschaft geht es um Leistung, Konkurrenz, darum, Stärke zu zeigen, Durchsetzungsvermögen oder Abgrenzungen, dieses Freund/Feind-Schema, "Wir sind gut, die anderen böse". Das sind Werte, die gesamtgesellschaftlich eine Rolle spielen und im Sport besonders zelebriert werden.

STANDARD: Wieso entwickelt sich daraus Homophobie?

Staritz: Männlichkeit braucht einen Gegenpart – die Weiblichkeit – und muss diesem gegenüber ihre Überlegenheit beweisen. Männer sind stark, Frauen schwach. Heterosexualität ist ein klassischer Topos, um zu beweisen, ein echter Mann zu sein. Homosexualität wird in unserer Gesellschaft mit Schwäche assoziiert. Da wird quasi ein Mann zur Frau gemacht. Homophobie hat immer auch etwas mit der Abwertung von Frauen zu tun. Der Schwule wird verweichlicht, verweiblicht. Um mich als echter Mann zu beweisen, muss ich mich von Homosexualität abgrenzen. Die einfachste Weise, wie ich beweise, dass ich nicht homosexuell bin, ist, wenn ich homophob bin.

STANDARD: Wie zeigt sich die Homophobie in den Vereinen?

Staritz: Zum einen äußern sich Formen der Homophobie oft durch Sprache. Alles, was schlecht ist, wird als schwul bezeichnet. Auch Leute, die anders sind, diffamiert und schlechtgemacht werden sollen, werden als homosexuell bezeichnet. Das ist eine Zuschreibung von Schwäche. Als sei es selbstverständlich, dass schwul schlecht ist. Zum anderen zeigt es sich durch die Nichtpräsenz von Homosexuellen in manchen Sportarten. Da muss man differenzieren zwischen Männern und Frauen. Gerade in Sportarten, die ein männliches Image haben, ist Homophobie sehr stark. Gleichzeitig gibt es in diesen Sportarten sehr viele offene Lesben. Aber für Männer ist es unmöglich, homosexuell zu sein.

STANDARD: Mit welchen Maßnahmen können solche Stereotype überwunden werden?

Staritz: Eine logische Maßnahme wäre es, den Frauensport zu fördern. Je mehr Frauen in diesen Sportarten partizipieren, desto eher nimmt Homophobie ab. Weil das Bild der schwachen Frau und des starken Mannes dann nicht mehr funktioniert. Zudem müsste jeder Verein und Verband Ansprechstellen schaffen. Nicht nur für Homosexuelle, sondern auch für psychische Probleme oder Druck. Das würde eine Gesprächskultur etablieren, die generell fehlt. Eine weitere Ebene sind Kampagnen und Aufklärungsarbeit, um andere Bilder zu zeigen, Stereotype aufzubrechen und Vorbilder zu schaffen. Homophobie hat auch viel mit der Frage zu tun, wie Geschlecht organisiert ist im Sport. In Sportarten, die gemischtgeschlechtliche Trainings haben, spielt Homophobie eine viel kleinere Rolle. Die größte Herausforderung für den Sport wäre, diese harsche Geschlechtertrennung aufzuheben und gemeinsame Trainings für Frauen und Männer zu etablieren. (Stefanie Ruep, 2.10.2017)