Noch sind sehr viele Fragen offen. Klar ist aber, dass Mitarbeiter der SPÖ maßgeblich an einer Kampagne beteiligt waren, mit der die politischen Konkurrenten in Misskredit gebracht werden sollten. Diese Kampagne, die über mehrere Facebook-Seiten transportiert wurde, bediente sich dabei auch ganz gezielt antisemitischer, rassistischer und fremdenfeindlicher Vorurteile und Untergriffe. Das ist gerade auch für die sozialdemokratische Partei besonders verwerflich und beschämend.

Wer das tatsächlich so in Auftrag gegeben, finanziert und umgesetzt hat, ist noch nicht ganz klar. Die SPÖ, die restlose Aufklärung versprochen hat, trägt nur bedingt zu dieser bei und lässt sich mit der Veröffentlichung der Verträge mit ihrem mittlerweile gefeuerten Berater Tal Silberstein Zeit.

Soweit das in dieser misslichen Lage überhaupt möglich ist, versucht die SPÖ nun in die Offensive zu gehen. Recherchiert wird nicht nur die eigene Verwicklung in die Affäre, sondern auch die Beteiligung anderer Personen, die der SPÖ jedenfalls nicht nahestehen. Unter reger Beteiligung der Medien macht sich die SPÖ auch auf die Suche nach den Maulwürfen in den eigenen Reihen.

Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern unterstellte seinem ÖVP-Kontrahenten Sebastian Kurz am Sonntagabend in der Fernsehdiskussion auf ATV ein "erstaunliches Insiderwissen". Tatsächlich plauderte Kurz freimütig über die Anzahl der an der Kampagne beteiligten Mitarbeiter. Er scheint damit mehr zu wissen als jene Personen in der SPÖ, die derzeit mit der Aufklärung der Vorgänge befasst sind.

Dass es einen oder mehrere Maulwürfe in der SPÖ gegeben hat, die aus unterschiedlichen Motiven ihr Insiderwissen nach außen und offenbar auch direkt an die ÖVP weitergegeben haben, scheint klar zu sein. Das entschuldigt oder mildert keinesfalls die Verwerflichkeit der Schmutzkübelkampagne, die augenscheinlich in der SPÖ ihren Ausgang genommen hat, wirft aber sehr wohl Fragen auf, wer außerhalb der SPÖ und aus welchen Motiven in diese Kampagne involviert war und wer letztendlich davon profitiert. Bei aller Vorsicht: Verbindungen von Mitarbeitern der Kampagne in andere Parteien, auch in die ÖVP, scheinen belegt zu sein. Auch die gezielte Veröffentlichung von Insiderwissen scheint auf Personen zurückzugehen, die gute Kontakte in die ÖVP haben.

Aufgeklärt sind diese Umstände noch nicht, und es ist fraglich, ob das bis zum Wahltag möglich sein wird. Dass die ÖVP im Anpatzen ihrer politischen Mitbewerber niemals zimperlich war, ist eine Tatsache. Dass sich dies unter ihrem neuen Chef Kurz geändert haben sollte, ist unwahrscheinlich. Hier soll definitiv keine Täter-Opfer-Umkehr vorgenommen werden, aber die Rolle der ÖVP in diesem Skandal muss sehr wohl auch beleuchtet und aufgeklärt werden.

Die Angelegenheit ist derart unappetitlich, dass sie ein verheerendes Licht auf das gesamte Parteiensystem wirft. Auch die persönliche Feindschaft und Aversion, die Kern und Kurz so offen vor sich her tragen, trägt nicht dazu bei, Vertrauen in die Politik zu fassen und dem Wahlkampf etwas Positives abgewinnen zu können. Dass jetzt noch alle relevanten Sachthemen in der Schlammschlacht der Parteien verschüttet werden, ist ein Schaden für die Demokratie und vor allem auch für jene Menschen bedauerlich, die ihre Anliegen nicht mehr von der Politik vertreten sehen. (Michael Völker, 2.10.2017)