Abdelkader Merah (links) im Gerichtssaal.

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Paris – Fünfeinhalb Jahre nach der islamistischen Mordserie von Toulouse hat der Prozess gegen einen Bruder des Attentäters Mohamed Merah begonnen. Dem 35-jährigen Abdelkader Merah wird vor dem Pariser Schwurgericht Beihilfe zu sieben Morden und Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Er soll seinem Bruder wissentlich bei der Vorbereitung der Taten geholfen haben.

Es ist der erste große Prozess zu einem der schweren islamistischen Anschläge, die Frankreich in den vergangenen Jahren erschüttert haben. Mohamed Merah hatte im Großraum Toulouse im März 2012 an mehreren Tagen insgesamt drei Soldaten sowie einen Lehrer und drei Kinder einer jüdischen Schule getötet. Er wurde nach einer aufsehenerregenden Belagerung seiner Wohnung von der Polizei erschossen.

Weiß gekleideter Angeklagter

"Die Taten, über die wir urteilen müssen, sind furchtbar", sagte der Vorsitzende Richter Franck Zientara am Montag – und betonte zugleich, dass die Unschuldsvermutung gelte. Abdelkader Merah nahm weiß gekleidet und mit einem dichten schwarzen Bart im Glaskasten für die Angeklagten Platz. Er hatte gegenüber Ermittlern bestritten, das Vorhaben seines Bruders gekannt zu haben.

Die Anklage stützt sich auf eine Reihe von Indizien. Unter anderem soll Abdelkader Merah am Diebstahl des Motorrollers beteiligt gewesen sein, den sein Bruder bei seiner Mordserie nutzte. Merah, dessen Verteidigung sich vor dem Prozess nicht äußerte, droht im Fall einer Verurteilung lebenslange Haft.

"Notwendigkeit"

Für die Angehörigen der Opfer ist der auf fünf Wochen angesetzte Mammutprozess ein emotionaler Moment. "Das ist eine Notwendigkeit. Das sind bedeutende Puzzleteile – und wir brauchen jedes davon, um voranzuschreiten", sagte Radia Legouad dem Sender Franceinfo. Ihr Bruder Mohamed, ein französischer Soldat muslimischen Glaubens, war von Merah umgebracht worden.

"Unsere Mandanten erwarten Gerechtigkeit", sagte Nebenklage-Anwalt Patrick Klugman – er vertritt die Hinterbliebenen des Lehrers Jonathan Sandler und seiner zwei Söhne, die an der jüdischen Schule ermordet wurden. Es gehe auch darum, an die Opfer zu erinnern.

"Punkt ohne Wiederkehr"

Abdelkader Merahs Mutter bezeichnete ihren Sohn am Rande der Verhandlung als unschuldig: "Er hat nichts damit zu tun", sagte sie mit bewegter Stimme. Der dritte Bruder Abdelghani Merah, der sich gegen Radikalisierung engagiert, erklärte allerdings im Sender Europe 1, sein nun angeklagter Bruder haben einen "Punkt ohne Wiederkehr" überschritten: "Ich weiß, was er will: Frankreich in die Knie zwingen."

Neben Abdelkader Merah sitzt noch ein weiterer Mann auf der Anklagebank, dem allerdings nicht Beihilfe zum Mord vorgeworfen wird. Der 34-Jährige soll Merah unter anderem eine Waffe überlassen haben. Sein Mandant habe nichts von dessen Plänen gewusst, argumentierte Verteidiger Christian Etelin.

Am Montag wurden zunächst die Vorwürfe vorgetragen, anschließend befragte das Gericht den Mitangeklagten Merahs zu seinem Lebenslauf. Für das Verfahren sind fünf Wochen angesetzt, es gibt mehr als 230 Nebenkläger. Fast 50 Zeugen sollen Aussagen und 11 Experten ihre Einschätzung abgeben. Ein Urteil wird Anfang November erwartet.

Drei Jahre nach den Morden von Toulouse hatte mit dem Angriff auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" eine Serie von Anschlägen in Frankreich begonnen, bei denen seit Anfang 2015 239 Menschen ermordet wurden. (APA, 2.10.2017)