Die reaktive Arthritis betrifft vor allem jüngere Menschen, die meist noch unter 40 Jahre alt sind.

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Wer kürzlich eine Blasen- oder ein Harnröhrenentzündung, eine Durchfallerkrankung oder ein Atemwegsinfekt durchgemacht hat und nun die Entzündung eines oder weniger großer Gelenke feststellt, dann könnte es sich um eine reaktive Arthritis handeln, sagt Rheumatologe Johann Gruber von der MedUni Innsbruck.

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STANDARD: Was versteht man unter einer reaktiven Arthritis?

Johann Gruber: Eine reaktive Arthritis ist eine entzündliche Gelenkerkrankung, die nach einem oft bakteriell bedingten Infekt auftritt. Betroffen sind meist die unteren Extremitäten und dort die großen Gelenke wie die Knie- oder die Sprunggelenke. Meist treten die Beschwerden auch asymmetrisch auf.

STANDARD: Allgemein gelten rheumatische Erkrankungen als Leiden der älteren Generation. Ist das bei reaktiven Arthritiden auch so?

Gruber: Nein, das ist ein Irrglaube. Diese Krankheit betrifft vor allem jüngere Menschen, die meist noch keine 40 Jahre alt sind. Die reaktiven Arthritiden sind jedoch relativ selten. Man geht von einer jährlichen Inzidenz, also einem Neuauftreten von Krankheitsfällen, von 0,6 bis zu 27 Fällen pro 100.000 Menschen aus. Interessant ist, dass Männer und Frauen ungefähr im selben Ausmaß betroffen sind.

STANDARD: Gibt es eine Form der Prophylaxe, um einer solchen Erkrankung vorzubeugen?

Gruber: Nein, die gibt es nicht. Aber es gibt eine gewisse Vorbelastung durch das Oberflächenantigen HLA-B27. Diese Variante des humanen Proteinkomplexes weisen rund zehn Prozent der Bevölkerung auf. Der Großteil der Patienten mit reaktiven Arthritiden wird positiv darauf getestet. Wer HLA-B27 in sich trägt, hat also ein höheres Risiko zu erkranken. Um wie viel dieses Risiko höher ist, lässt sich allerdings nicht benennen. Um das in Relation zu setzen, würde ich sagen, dass rund 90 Prozent derer, die HLA-B27 positiv sind, nicht erkranken.

STANDARD: Ist die reaktive Arthritis also wegen HLA-B27 eine vererbbare Krankheit?

Gruber: Nein, die Immunreaktion auf den Erreger wird unter anderem von genetischen Merkmalen der betroffenen Patienten bestimmt. Eine wesentliche Rolle spielt dabei das HLA-B27, das etwa bei der Hälfte der Patienten nachweisbar ist und das als Risikofaktor für einen entzündlichen Befall des Achsenskeletts und für einen längeren Krankheitsverlauf gilt.

STANDARD: Wann sollte man an eine reaktive Arthritis denken?

Gruber: Wenn bei einem jungen Erwachsenen eine Entzündung eines oder weniger großer Gelenke auftritt, besonders dann, wenn kürzlich eine Blasen- oder ein Harnröhrenentzündung, eine Durchfallerkrankung oder ein Atemwegsinfekt aufgetreten sind.

STANDARD: Welche Form der Therapie empfehlen Sie bei reaktiver Arthritis? Gibt es so etwas wie ein Mittel der Wahl?

Gruber: Am wichtigsten ist die antientzündliche Therapie. In der Regel werden dazu nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) verabreicht. Normalerweise genügen diese auch. Die durchschnittliche Dauer der Therapie beträgt sechs Monate, wobei auch längere Verläufe möglich sind. In der überwiegenden Zahl der Fälle bleiben keine Spätfolgen. Nur selten kann es vorkommen, dass die Krankheit chronisch wird. Das heißt, dass der auslösende Keim zwar längst weg ist, aber die Entzündung im Gelenk bleibt. Dann muss man das hyperaktive Immunsystem mit Medikamenten dämpfen. Zusätzlich zur medikamentösen Therapie werden physiotherapeutische Maßnahmen empfohlen. (Steffen Arora, 3.10.2017)