Damit Turbinen hergestellt werden können, braucht es unter anderem computergesteuerte Werkzeugmaschinen.

Foto: APA/dpa

Wien – Computergesteuerte Werkzeugmaschinen sind in der Lage, Maschinenteile automatisch herzustellen. Dabei wird gebohrt, gedreht und gefräst. So entstehen unter anderem Kurbelwellen und Turbinenteile für Flugzeuge. Die Schneidwerkzeuge, die bei diesen Arbeiten zum Einsatz kommen, sind freilich extremen Beanspruchungen ausgesetzt. Obwohl sie aus Kobalt und Wolframcarbid bestehen, sogenannten Hartmetallen aus Metallmatrixverbundstoffen, beträgt ihre Lebensdauer oft nur ein paar Stunden. Fällt aber nur eines dieser Schnittwerkzeuge aus, weil die Schneide stumpf wird, kann eine Werkzeugmaschine innerhalb von Sekunden Werkstücke im Wert eines Kleinwagens zerstören.

Fehlende Sicherheit

Um diesen Ausschuss zu vermeiden, werden die Schnittwerkzeuge zwar häufig gewechselt, aber die Maschinenführer können sich nie sicher sein, dass es nicht schon zu spät ist. Im Rahmen von Industrie-4.0-Forschungsprojekten will man dieser Problematik nun beikommen. Die Herausforderung besteht dabei darin, Werkzeugmaschinen zu entwickeln, die frühzeitig erkennen, wann ihre Schnittwerkzeuge stumpf werden und selbstständig in den Produktionsprozess eingreifen, bevor es zu spät ist. Am Materials Center in Leoben (MCL), das sich mit der integrierten Material-, Produkt- und Prozessentwicklung auseinandersetzt, hat man dafür einen neuen Weg gefunden.

Schnittqualität einschätzen

Mit Sensorsystemen werden Werkzeugmaschinen in die Lage versetzt, ihre "Schnittqualität" frühzeitig und selbstständig einzuschätzen. Den Weg dorthin erklärt MCL-Experte Werner Ecker: Werkzeugmaschinen brauchen Messdaten, an denen sie rechtzeitig "erkennen" können, dass die Schnittkanten ihrer Werkzeuge stumpf geworden sind.

"Wir setzen dafür zum einen Temperaturfühler ein und messen mittels Sensoren Schwingungskräfte an der Maschine." Wird ein Messer stumpf, steigt die Temperatur und Maschine, und Werkstück beginnen stärker zu vibrieren. Im Steuerungszentrum der Maschine werden diese Daten in Modellen verarbeitet und mit gespeicherten Sollwerten verglichen und Prozessadaptierungen ausgelöst.

Die MCL-Experten können durch diese Technik bereits im Vorfeld erkennen, wann die Qualität der Werkzeuge in einen kritischen Bereich kommen wird. Ein gelbes Lämpchen leuchtet auf, und Maschinenführer wissen, dass sie neue Schneidwerkzeuge einsetzen müssen. Das Ergebnis ist "maintenance on demand", das heißt: Werkzeugaustausch wird nur dann vorgenommen, wenn es notwendig ist, aber: keinesfalls zu spät.

Die vom MCL entwickelten Lösungen werden künftig so eingesetzt, dass etwa Fräsmaschinen in Echtzeit auf defekte Schnittkanten reagieren können. "Die Maschine", erklärt Ecker, "erkennt dann beispielsweise von dutzenden im Normalbetrieb eingesetzten Werkzeugschneiden genau die eine, die stumpf geworden ist, und setzt diese in der Schnittabfolge nicht mehr ein." Das Werkstück, etwa eine Kurbelwelle oder ein Turbinenteil, bleibt damit unbeschädigt. Im Prinzip, meint Ecker, habe man damit die Schnittwerkzeuge als Bauteile der Maschine zu vom Menschen "ansprechbaren" Systemteilen gemacht.

Lebensdauer von Lampen

"Adaptive Prozessregulierung" beforscht das MCL aber nicht nur für Werkzeugmaschinen. Ecker: "Wir befassen uns noch mit einer Reihe weiterer Produktionsthemen, etwa der Prozesskettenregelung für Stahlbleche, und auch mit der Überwachung von Bauteilen im Betrieb – wie etwa der Vorhersage von Lebensdauer und Instandhaltungsintervallen von smarten Schienen, Weichen, oder Windkraftanlagen."

Ein Spezialgebiet des MCL, das unter anderem über das Comet-Programm von Verkehrs- und Wirtschaftsministerium gefördert wird: Man arbeitet an der Vorhersage der Restlebensdauer von LED-Lampen. Damit Kontrolllämpchen auch leuchten, wenn sie wirklich müssen. (nort, 9.10.2017)