Ineke Hans bittet, Platz zu nehmen. Nicht auf einer ihrer fast biedermeierlich wirkenden Möbelinseln, die sie in der Kunsthalle am Wiener Karlsplatz gerade aufbaut. Nein, es ist ein Arbeitstisch, darauf Tixo, Hammer, Nägel, an den sich die holländische Designerin mit ihren blonden Zöpfchen und den türkisen Haargummis setzt. Irgendwie erinnert sie an eine erwachsene Pippi Langstrumpf, die ihre Spompanadeln-Zeit überwunden hat und Designerin geworden ist.

Ein bisschen Pippi Langstrumpf ist sie immer noch: Designerin Ineke Hans.
Foto: Lennard Heijer

Gut, setzt man sich halt an den wackeligen Tisch statt auf die einladenden Sofas, Sessel, Bänke und Hocker, die Ineke Hans im Rahmen der Schau "Was ist Loos?" versammelt hat. Der Ausblick ist ein guter: Hans' Möbel wirken freundlich in Form und Farbe, ihre Ecken sind Rundungen, ihre Rundungen Kanten, ihre Winkel lebendig. Die Objekte sind solitär, stark und doch wieder leicht. Manche wirken fast kindlich, wie für eine Puppenstube geschaffen. Aber was haben sie ausgerechnet in der Kunsthalle zu suchen, in der Design, wie generell in Kunstinstitutionen hierzulande, nicht selten ein belächeltes Stiefkind ist?

"Ich denke, die Kunsthalle hat mich eingeladen, weil sie sich nicht nur als Ort für Kunst, sondern auch als Platz für kulturellen Diskurs versteht. Und ich bin jemand, der sich immer mit Veränderung beschäftigt, besonders im Kontext von Design. In London veranstalte ich regelmäßig Salons mit Händlern, Künstlern, Journalisten und Kuratoren. Das hat die Kunsthalle neugierig gemacht. Außerdem ist ja gerade die Vienna Design Week", sagt die 51-Jährige, die unter anderem für Cappellini, Magis, Iittala oder Royal VKB entworfen hat und in ihren Anfängen als Bildhauerin tätig war.

Installationsansicht "Was ist Loos"?
Foto: Foto: Jorit Aust

Kunst und Design

"Design beschäftigt sich mit der Gesellschaft, stellt Fragen, schafft Objekte, die im Leben von Menschen eine Rolle spielen. Natürlich setzt sich auch die Kunst mit der Gesellschaft auseinander, aber wir erschaffen Dinge, die auch benutzbar sein müssen. Das gilt für ein Gemälde nicht", erklärt Hans. Wenn Ineke Hans ein neues Ding entwirft, muss es dafür einen guten Grund geben. Aber was ist denn so ein guter Grund?

"Wir wohnen heute anders als vor 20 Jahren, die Wohnungen werden kleiner, teurer, im Büro braucht man keine Aktenschränke mehr, dafür Sofas usw. Warum kann nicht zum Beispiel ein Beistelltisch nicht mehr nur Beistelltisch, sondern gleichzeitig Sitzgelegenheit sein? Möbel werden heute gern online gekauft und verschickt. Klar bleibt ein Sessel ein Sessel, aber vielleicht muss er heute, übertrieben formuliert, durch den Briefschlitz passen", sagt Hans, die an der Kunstschule Arnheim und am Royal College of Art in London studierte und nach ihrem Abschluss drei Jahre für Habitat arbeitete. Hans vergleicht Design mit Sudoku. "Man muss über den Preis eines Objektes nachdenken, Neues schaffen, sich Fragen stellen, Probleme lösen, bis man das Gefühl hat, dass es passt."

So gemütlich kann ein Büro sein: "Home Office 24/7" nennt sich dieses Ensemble.
Foto: Studio Ineke Hans

"Designer sind nicht mehr nur dazu da, etwas Schönes zu schaffen. Sie sollten viel mehr Hybride sein." Apropos Hybrid: Versucht man die Objekte von Hans – von der mundgeblasenen Vase bis hin zum Industrieprodukt – in eine Schublade zu stecken, tut man sich schwer. Sie sind nicht so reduziert wie das skandinavische Design, sind verspielt und doch ernsthaft, vielleicht eine Mischung aus Bouroullec, Eames und, ja, Adolf Loos – warum nicht auch eine Prise Loos? So wie Loos, stellt Ineke Hans 100 Jahre nach ihm Dinge infrage. Nicht nur im Titel der Ausstellung.

Thema Verknappung

Die Gestalterin thematisiert in ihrer Arbeit und auch in der Ausstellung die Verknappung des Wohnraumes ebenso wie die Digitalisierung und Produktionsmethoden. Eine Frage von Hans lautet: "Warum stellt eine europäische Firma, die Möbel im Spritzgussverfahren herstellt, in Fernost eine Maschine auf, wenn man diese genauso gut hier installieren könnte?" Wie Loos geht Ineke Hans in ihrer Arbeit sehr konkret vor, sie befriedigt Bedürfnisse, die an Gegenstände gerichtet sind, wobei ihr klar ist, dass sich Bedürfnisse verändern.

Hans' Verbindung zu Loos und Wien ist keine neue. Sie kennt die Stadt als gestrandete Camperin ebenso wie aus ihrer Zeit als Gastdozentin an der Universität für angewandte Kunst, in der sie ihre eigene Designgeschichte mit jener von Loos, Hoffmann, Wagner und Co reflektierte. Deyan Sudjic, Direktor des Design Museum London, schreibt zur Ausstellung, " ... Hans will zwar keine Vergleiche anstellen, weist aber über ein Jahrhundert später leise darauf hin, dass wir wieder einmal einen Moment erleben, in dem technischer und gesellschaftlicher Wandel die Designlandschaft verändert. Diese Transformation erfordert von denen, die über Gestaltung nachdenken, also von denen, die sie praktizieren, eine Reaktion ..."

"Making: Handmade Series" heißt dieses leuchtende Aufeinandertreffen von Möbeln.
Foto: Studio Ineke Hans

Augenzwinkern

Die Reaktion von Ineke Hans lässt sich in der Kunsthalle studieren. Ihre Objekte zeigen, was die Designerin an der Gesellschaft abliest.

Ob dieses Fragen und Bohren mit ihrer holländischen Herkunft zusammenhängt, schließlich ist es fast typisch für Designer aus Holland, der Zunft einen ganz eigenen oft sehr experimentellen Touch zu verleihen? "Ich denke, die Holländer stellen gern Fragen. Man entwirft einen bequemen Sessel, setzt sich darauf, ist zufrieden und fragt sich im nächsten Moment, ob man nicht doch etwas hätte anders machen können." Ob diese Art eine protestantische ist? "Vielleicht, vielleicht können wir es nicht ertragen, dass etwas bequem ist."

Und noch etwas: In einem Interview mit Oliver Stratford vom "Disegno"-Magazin sagt Hans: "Was ich wirklich gerne tun würde, wäre, dafür zu sorgen, dass Design auf dem Teppich bleibt ... lasst uns als Gestalter Neues hervorbringen und vorwärtsgehen, dabei aber auf eine Art und Weise kommunizieren, die die Welt versteht." Ineke Hans gelingt dies einwandfrei. Mit einem charmanten Augenzwinkern noch dazu. Ein bisschen Pippi Langstrumpf ist sie immer noch. Und wird sie hoffentlich bleiben. (Michael Hausenblas, RONDO, 7.10.2017)