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Die Verbesserung des Körpers mithilfe von Nanorobotern ist eine Zukunftsvision, die die Nanotechnologie begleitet. In Europa stehen jedoch Sicherheitsbedenken im Vordergrund.

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Wien – Vom Eishockeyschläger bis zum Backofen mit nanokeramischer Innenbeschichtung: 398 Produkte und 94 Arzneimittel, die Nanomaterialien als Inhaltsstoffe ausweisen, waren mit Ende Juli 2014 in Österreich erhältlich. Die meisten Produkte dienen der Körperpflege. Das ist darauf zurückzuführen, dass es gemäß einer EU-Verordnung seit 2013 eine Kennzeichnungspflicht für bestimmte Nanomaterialien in Kosmetika gibt. Der Anteil der Textilien mit ausgewiesenen Nanomaterialien hat sich zwischen 2010 und 2014 hingegen halbiert – offenbar wollen viele Hersteller auf den Werbeeffekt des Wörtchens "nano" verzichten. Eine allgemeine Kennzeichnungspflicht gibt es allerdings nicht.

Die Zahlen stammen aus einer Untersuchung der Informationsplattform "Nanotrust". Im Rahmen der Initiative betreiben Wissenschafter des Instituts für Technikfolgenabschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Begleitforschung im Bereich der Nanotechnologie – also jener Techniken, die mit Materialien operieren, deren Größenordnung im Bereich von weniger als 100 Nanometern liegt. Hier treten besondere physikalisch-chemische Eigenschaften auf, die sich Entwickler zunutze machen. Das am häufigsten ausgewiesene Material ist laut Nanotrust-Studie Titandioxid, das als UV-Filter in Sonnenschutz und Hautcremes benutzt wird. Die Partikel sind zu klein, um das Licht zu streuen, die Lotion ist transparent statt weißschmierend.

Jubiläum gefeiert

Vergangenen Freitag wurde das zehnjährige Bestehen von Nanotrust gefeiert. Das ursprünglich für drei Jahre angelegte Projekt wurde bereits viermal verlängert und läuft zumindest noch bis 2020. Projektleiter André Gazsó und Team beobachten die technologische Entwicklung und informieren Politik und Öffentlichkeit über mögliche Risiken. Verkehrs-, Gesundheits, Sozial- und Lebensministerium, die die Initiative finanzieren, sind an einem langfristigen Prozess interessiert.

Im medialen Diskurs steht die Angst vor Nanotechnologie – die mit Phänomenen wie Graphen oder Nanotubes zu den großen Zukunftstechnologien zählt – mittlerweile weniger im Fokus als vor zehn Jahren. Andere Themen wie drohende Jobverluste durch eine vollautomatisierte Industrie sind in den Vordergrund gerückt. "Die Diskussionen, die wir über Nanotechnologien geführt haben, wurden ursprünglich aus Übersee importiert", erinnert sich Gazsó. Ausgangspunkt waren Berichte für die National Science Foundation der USA in den 1990er-Jahren, die Aufmerksamkeit für das "next big thing" erzeugen sollten.

Unabhängige Risikoforschung

In Europa ging für Gazsó der visionäre Anteil des neuen Wissenschaftstrends – der bis zur Verbesserung des menschlichen Organismus mittels Nanorobotern reicht – aber bald verloren. In den Blickpunkt der Öffentlichkeit kamen dagegen sicherheitsrelevante Themen wie Konsumenten-, Arbeitnehmer- und Umweltschutz.

In einem Aktionsplan der EU-Kommission wurden forschungspolitische Grundlagen gelegt. Dabei wurden auch Forderungen nach einer transparenten öffentlichen Debatte, nach unabhängiger Risiko- und Sicherheitsforschung sowie nach nationaler und internationaler Vernetzung formuliert – Aufgaben, die in Österreich von Nanotrust übernommen werden.

Aktuelle Themen, die Gazsó und Kollegen behandeln, sind beispielsweise "Safety by Design"-Konzepte, die Sicherheitsaspekte grundlegend und von Anfang an in die Produktionskette miteinbeziehen. Stoffstromanalysen sollen erhellen, wo Nanoabfälle vorkommen. Regulierungs- und Meldeverfahren oder die Gruppierung der vielfältigen Nanomaterialien sind ebenso Thema.

Fragt man Andreas Falk, Geschäftsführer der Forschungsgesellschaft Bionanonet, nach seiner Perspektive auf die Nanotechnologie, verweist er auf die Erfolge im vergangenen Jahrzehnt: auf Trägermoleküle, die Arzneimittel gezielt zu Krebszellen im Körper bringen, oder medizinische Kontrastmittel, die um ein Vielfaches leistungsfähiger sind.

Bionanonet vernetzt einschlägige Forschungseinrichtungen in Österreich und darüber hinaus. Die Einrichtung hat Anteil an einer Reihe von wissenschaftlichen Projekten, großteils auf europäischer Ebnene. Gerade im Bereich der Nanomedizin würden in Österreich in den vergangenen Jahren entsprechende Förderprogramme fehlen, betont Falk.

Bionanonet ist etwa für Sicherheit und "Safety by Design" im heuer gestarteten EU-Projekt Smart-4-Fabry zuständig, das sich einer besseren Behandlung der seltenen Fabry-Stoffwechselerkrankung widmet. Patienten sind auf lebenslange Infusionen eines gentechnisch hergestellten Enzyms angewiesen. Im Projekt soll der Wirkstoff in einer Nanoformulierung optimiert werden, sodass er gezielt Barrieren wie Zellmembranen oder die Blut-Hirn-Schranke durchdringen kann.

Mangelnde Sichtbarkeit

Für Falk ist mangelnde Sichtbarkeit für das schlechte Image der Nanotechnologie mitverantwortlich. "Solange es keine anwendbare Regulierung für Nanotechnologien gibt, macht Kennzeichnung wenig Sinn, und die Industrie wird darauf verzichten", so der Geschäftsführer. "Und ohne Sichtbarkeit wird die Nanotechnologie nicht den gebührenden Stellenwert in der Öffentlichkeit bekommen." In den USA seien zudem Jobs und Universitätsstudien mit "nano sciences" überschrieben. In Österreich suche man diese Sichtbarkeit vergeblich.

Für viele Menschen bleiben die kleinen Partikel mit den besonderen Eigenschaften nicht greifbar, was Unverständnis und Angst befördert. Nicht bei Falk: "Wenn ich die Wahl habe, greife ich auf jeden Fall zur Sonnencreme mit Nano-Titandioxid. Die Wirksamkeit ist höher, die Belastung für den Körper bei gesunder Haut jedenfalls geringer." (Alois Pumhösel, 7.10.2017)