Diesmal soll es um ein Kleidungsstück gehen, dessen Relevanz gemeinhin unterschätzt wird. Schlimmer noch: Ähnlich wie all die anderen unauffälligen Retter in der Not fällt es nur dann auf, wenn es einmal nicht zur Stelle ist. Die Rede ist vom Schal, jenem langen, schmalen Strickstück, das so gerne vergessen oder liegengelassen wird. Dass der Schal dazu da ist, den Hals warm zu halten, klar. Aber sonst? Wird nicht viel Fantasie darauf verwandt, ihm zu mehr modischer Relevanz zu verhelfen.

Ganz im Gegenteil. Meist dient er als Wickelablage für überlange Rapunzelhaare, oder er verwandelt seinen Träger (zur S-Schlaufe gebunden) in einen verklemmten Halsabschneider. Es sind vor allem Männer wie Heinz-Christian Strache, die mit jenen straffen Schalschlaufen signalisieren, sich und die Welt im Griff zu haben – und dabei auch noch proper auszusehen.

Was läge also näher, als in diesem Herbst dem Halsabschneider eine Absage zu erteilen und ihn mit offen wehenden Schalenden zu begrüßen? Der Schal wird nun als Stola getragen.

Schon im letzten Jahr wurden Stola-gleich gelegte Schals gesichtet

Den Trend zum "Swinging Scarf" hat das Modemagazin "Elle" bereits Anfang des Jahres ausgemacht: Die modebewussten Mädchen auf Instagram ließen schon damals ihre Schals von Acne und Co lose vorne über die Schultern fallen.

Burberry schlägt den Schal in diesem Herbst einmal lose nach hinten.
Foto: APA/AFP/NIKLAS HALLE'N

Die Profis machen es derzeit nicht anders. Das britische Unternehmen Burberry entwickelt die Hängevariante weiter, schlägt das Ende eines XXL-Schals locker nach hinten und hält ihn mit einer Brosche fest. Eine ähnliche Attitüde ist beim schwedischen Label Acne zu beobachten. Auch da kein Knoten, nichts: Der Schal wird nicht gestrafft, sondern gehängt.

Genauso das schwedische Label Acne: Es erteilt dem Knoten eine Absage.
Foto: Acne

Solange der Wollschal noch keine Notwendigkeit darstellt, dürfen Seidentücher dran glauben. Der belgische Designer Dries Van Noten hat vorgemacht, wie das funktioniert, ohne nach Waldorfschule auszusehen. Er knüpfte unzählige Tücher an und um seine Entwürfe.

Tücher über Tücher bei Dries Van Noten.
Foto: Apa/Afp/Alain Jocard

Designerin Victoria Beckham führte sogar eine alltagstaugliche Variante vor. Sie knüpfte sich ein Seidentuch an eine ihrer Hosenschlaufen – ganz so, wie es präpotente Rap-Stars mit dicken Ketten und Schlüsselbändern machen. Dazu kombinierte Beckham einen gewohnt sauertöpfischen Gesichtsausdruck. So einfach geht Lässigkeit. (Anne Feldkamp, 5.10.2017)

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