Arnon Grünberg ist zwei Wochen lang "Der Ersatzvater".

Kollage: Armin Karner

"Jetzt gehorchst du schon wieder nicht! Wenn ich sage 'Geh weiter', weil ein megaekliger Mann hinter dir steht, dann gehst du weiter", ist das Erste, was ich eine Mutter zu ihrem Sohn sagen höre, als wir den überdachten Spielplatz betreten.

Um diese Tageszeit sind nur wenige Väter hier. Ich hoffe, die Mutter hält nicht mich für einen megaekligen Mann, aber strenggenommen hätte sie sogar recht. Der Kampf gegen den Nasenschleim, den wir lediglich pro forma führen, hat viel Rotz auf meiner Kleidung hinterlassen. Gestern haben wir übrigens auch den Kampf gegen die Kacke verloren.

Ich schrieb gerade, als ich meine Frau – man passt sich doch an – rufen hörte: "Eine Aufgabe für den Ersatzvater!"

Ich rannte nach unten. Die zweijährige Layla hatte es nicht bis zur Toilette geschafft. Ich bürstete ihre Kacke aus dem Teppich. Die Älteste sagte: "Unter der Tür ist auch noch was."

Wie eine liebevolle Chefin

Der überdachte Spielplatz Ballorig löst intensive Wehmut in mir aus. Mütter essen Apfelkuchen mit Schlagobers, ein Vater folgt seinen Kindern kriechend durchs Bällebad. Ob er der megaeklige Mann ist?

Ich setze den Pro-forma-Kampf gegen den Rotz fort. Das ist das Leben, und es ist gut so.

Mittags klärt es sich auf. Marjolein hat dafür gesorgt, dass wir im Garten der Eltern einer Freundin essen können. Sie hat mein Leibgericht gemacht, Spaghetti aglio e olio. Ich würde mich gern bei ihr bedanken, weiß aber nicht, wie. Wenn ich ehrlich bin, fühlt sie sich eher an wie meine liebevolle Chefin als wie meine Frau.

Nach dem Essen werfen die Kinder Steine in den Bach nebenan. Marjolein erweist sich als äußerst kompetitiv, sie will weiter werfen als ich.

Willst du mich zum Weinen bringen?

Abends sehen wir uns einen Film an, den sie mir unbedingt zeigen wollte, "Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück". "Als ich ihn zum ersten Mal sah, musste ich weinen", sagt sie.

"Willst du mich zum Weinen bringen?", frage ich.

"Ich würde gern deine Emotionen sehen", erwidert sie. Um hinzuzufügen: "Manchmal sehe ich sie, wenn du mit den Kindern zusammen bist."

Der Film handelt von einer Mutter, die Selbstmord verübt, und einem idealistischen und aktivistischen Vater, der mit einem Rudel Kinder zurückbleibt.

Danach sitzen wir auf dem Sofa, sie unter einem Plaid, und fühlen uns unwohl.

"Ich schreibe noch ein wenig", sage ich nach einer Weile.

Diese Nacht will der Schlaf einfach nicht kommen. Warum hat sie mir diesen Film gezeigt?

Fortsetzung folgt morgen.

(Arnon Grünberg, 4.10.2017)