Bier, Kaffee oder Pizza mit Bitcoin bezahlen – kein Problem. Seinen Alltag kann man aus Expertensicht damit allerdings noch nicht bestreiten.

Wien – Virtuelle Tulpenzwiebel oder doch monetäre Weltrevolution? Diese Frage entzweit Gegner und Verfechter des Digitalgelds Bitcoin. Derzeit haben jedoch eindeutig die Befürworter das Heft in der Hand, schließlich konnte der Kurs am Donnerstag mit 5.121,70 Dollar erstmals die 5.000er-Marke überschreiten. Ursache für den Kursaufschwung könnte eine erwartete Aufsplittung, auch Hard Fork genannt, am 25. Oktober in zwei Digitalwährungen sein. Das neue Digitalgeld soll Bitcoin Gold heißen.

Bereits Anfang August hat sich Bitcoin Cash von Bitcoin abgespaltet. Besitzer der originalen Digitalwährungen bekamen die neue gewissermaßen geschenkt, wodurch kurzfristig rund zehn Milliarden Dollar "aus dem Nichts geschaffen wurden", wie es Analyst Mati Greenspan vom Onlinebroker E-Toro nennt: "Deshalb ist es wenig überraschend, dass gegenwärtig viele Investoren ihr Digitalvermögen umschichten, um von der nächsten Welle profitieren zu können." Greenspan zufolge könnte im November bereits eine weitere Abspaltung anstehen.

Prominente Fürsprecher

In den vergangenen Wochen sind zudem einige prominente Namen hinzugekommen, die der Kryptowährung noch einiges zutrauen. Nicht nur, dass die US-Investmentbank Goldman Sachs neuerdings erwägt, eine eigene Handelseinheit für Bitcoin und Co auf die Beine zu stellen, hat auch Morgan-Stanley-Chef James Gorman zuletzt eine Lanze für die Digitalwährung gebrochen: Seiner Ansicht nach ist der Bitcoin "mehr als eine Modeerscheinung" und eignet sich als Alternative zum herkömmlichen Zentralbankwesen.

Auch Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds, findet Gefallen an virtuellen Währungen. Vergangene Woche sagte sie auf einer Konferenz der Bank of England, dass Digitalgeld binnen zwei Jahrzehnten klassische, nationale Währungen ablösen könnte. "Es erlaubt unmittelbare Transaktionen ohne zentrale Verwaltungsstelle, ohne Zentralbanken", wird Lagarde von Zeit Online zitiert.

Noch sind sie ihr zu schwankend, zu riskant und zu umständlich, womit sie zunächst in den Kanon der meisten Notenbanker einstimmt, die dahinterstehenden Technologien – im Fall des Bitcoin ist es die Blockchain – zu wenig ausgereift. À la longue kann sich das aus Lagardes Sicht aber ändern: Eines Tages könnten sich diese Kryptowährungen nicht nur als einfacher und sicherer als Bargeld, sondern auch als stabiler als klassische Währungen erweisen.

"Kritische Hürde"

Durch diese verbale Unterstützung erwartet Martin Arnold, Marktstratege von ETF Securities, jedoch keine allzu großen Auswirkungen: "Obwohl manche Investmentbanken neue Geschäftsbereiche mit dem Handel mit Kryptowährungen wie dem Bitcoin sondieren, ist es nicht wahrscheinlich, dass sich dadurch die zugrundeliegende Nachfrage auf kurze Sicht verändern wird." Seiner Ansicht nach bleiben die gewaltigen Schwankungen weiterhin die "kritische Hürde" auf dem Weg zu einer weitreichenden Verwendung und Akzeptanz als Zahlungsmittel.

Die Kursausschläge sind im Vergleich zu klassischen Währungen geradezu atemberaubend. Vor dem aktuellen Rekordhoch war der Kurs bis Mitte September zeitweise unter 3.000 Dollar gerutscht, nachdem chinesische Behörden eine härtere Gangart gegen Bitcoinbörsen – mit anonymem Digitalgeld können Kapitalkontrollen umschifft werden – eingeschlagen hatten. Nach dem jüngsten Kursgewinnen steht seit Jahresbeginn ein Anstieg von 434 Prozent, also mehr als eine Vervierfachung, zu Buche.

Seit 2012 beläuft sich der Wertgewinn sogar auf mehr als 800 Prozent, jedoch, so bremst Bank-Gutmann-Analyst Christoph Olbrich die Euphorie, sei die Anzahl der in Bitcoin getätigten Transaktionen im selben Zeitraum bloß um das 30-Fache angestiegen. Das zeigt in seinen Augen, dass der Wert des Bitcoin der Relevanz als Zahlungsmittel vorausgeeilt ist. Zumal dabei unklar sei, wie hoch der Anteil echter Käufe von Gütern oder Dienstleistungen und jener spekulativer Nachfrage sei.

Für Olbrich ist es ein springender Punkt, inwieweit sich der Bitcoin als Zahlungsmittel nachhaltig durchsetzen kann. Diesbezüglich hegt er Zweifel, obwohl immer mehr Onlineshops und stationäre Händler ihn akzeptieren. "Mit ausschließlich dem Bitcoin im Portemonnaie kommt man als Konsument bisher nicht annähernd durch den Alltag", betont Olbrich. (Alexander Hahn, 12.10.2017)