Ein neues Parfum? Darauf hat die Welt nicht unbedingt gewartet. Selbst Fachleute haben heute kaum mehr einen Überblick, welche Düfte gerade auf den Markt kommen. Eine Zeitspanne von 15 Jahren ist in der Parfümerie nichts anderes als eine Ewigkeit. Genau so lange dauerte es allerdings, bis Chanel (nach der Lancierung von "Chance") vor wenigen Wochen wieder ein neues Damenparfum vorstellte. "Gabrielle" heißt es und ist nichts weniger als eine Verbeugung vor der Namensgeberin der Marke.

Den Spitznamen Coco erhielt Chanel erst, als sie bereits eine gefeierte Modedesignerin war. Zuvor war sie Gabrielle – eine Frau, die eine harte Kindheit erlebt hatte, als Waise hinter Klostermauern, und die sich ihren Weg in die Welt der Aristokratie und des Bürgertums erst hart erkämpfen musste.

Gabrielle war eine Rebellin, die das Korsett aus ihrem Kleiderschrank verbannte und mehr sein wollte als ein Dekorationsobjekt für Männer. Von all dem will auch das neue Parfum erzählen, und es wäre nicht das Modehaus Chanel, wenn man dies nicht auf eine Art und Weise machen würde, die sowohl ein wenig widerspenstig als auch ziemlich marktkonform wäre – also so, wie es wahrscheinlich auch Coco Chanel gefallen hätte.

Ein Flakon mit feinsten Wänden: Das war die Herausforderung, die man sich bei Chanel gestellt hat.
Foto: Chanel

Olivier Polges Gesellenstück

"Bei allem, was ich tue, stelle ich mir immer wieder vor, dass mein ganzes Leben von dieser einzigen Sache abhinge", wird die Modeschöpferin in den PR-Unterlagen zitiert. Als sie 1921 das legendäre Nº 5 auf den Markt brachte, setzte sie auf eine komplexe Komposition von 31 Parfumrohstoffen – anstatt auf den Duft einer einzelnen Blume wie die Mitbewerber.

Bei Olivier Polge, Sohn des langjährigen Chanel-Parfümeurs Jacques Polge und neue Nase im Duftlabor von Chanel, ist es ein Bouquet weißer Blüten, von Jasmin, Tuberose, Orangenblüte und Ylang-Ylang, das bis in die Moleküle ergründet und neu zusammengemixt wurde. Dieser Komplexität des Duftes steht die Schlichtheit des Flakons gegenüber.

Während Luxus heute mit dem Gewicht von Kristallglas assoziiert wird, setzt man bei "Gabrielle" auf filigranes Glas. Laut eigenen Aussagen tüftelte man Jahre daran, einen Flakon mit so dünnen Wänden zu entwickeln, dass der Jus geradezu hindurchstrahlen könne. Der "Marloquette" genannte Glastropfen, den man normalerweise auf dem Boden der Flakons erblickt, wurde nach außen verschoben und dann poliert.

Technologisch keine einfache Sache, in seiner edlen Zurückgenommenheit reiht sich der Duft aber perfekt in die Reihe der großen Chanel-Parfums ein. Aber gut, immerhin hat man sich für die Entwicklung einige Jahre Zeit gelassen. Das kann man heute von kaum einem Parfum sagen. (Stephan Hilpold, RONDO Exklusiv, 24.10.2017)

Foto: Chanel
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