Der Teufel streift durch die eiskalte Winternacht

Es fällt eine Menge Schnee in der Nacht vom 8. zum 9. Februar 1855. Weiße Flocken tanzen unablässig zur Erde und bald liegt ein dichter weißer Teppich über den Feldern, Wiesen und verträumten Häuschen der englischen Grafschaft Devon. Nicht ungewöhnlich in diesem außerordentlich strengen Winter, der die Insel seit Monaten fest umklammert hält. Die Menschen verkriechen sich in den Häusern, versammeln sich um den Kamin. Da ist niemand, der in jener Nacht vor die Tür tritt, niemand, der beim Blick aus dem Fenster verdächtige Bewegungen beobachtet, Schatten durch den Schnee huschen sieht oder verdächtige Geräusche draußen vorm Haus vernimmt.

Erst am Morgen des 9. Februar erkennen die Bewohner mehrerer kleiner Dörfer im südlichen Devon, dass Ungeheuerliches während der Nachtstunden vorgefallen sein musste. In mehr als 30 Ortschaften öffnen die Menschen in den Morgenstunden die Fenster, sehen hinauf in den Himmel, aus dem nur mehr vereinzelt Flocken fallen, und bemerken, als sie zur Erde blicken, seltsam anmutende Abdrücke im frischen Schnee. Fußabdrücke, die sich keiner Tierpfote oder gar menschlichen Füßen zuordnen lassen würden. Hier waren auch mit Sicherheit keine Hühner, Hunde oder Katzen durch den Schnee gestapft. Soviel stand fest. Die Spuren ähnelten vielmehr einem offenen, gespaltenen Huf.
Aufzeichnungen aus der Zeit geben an, dass die Spuren etwa 4 bis 6 Zentimeter breit gewesen sein mussten und sich in regelmäßigen Abständen von etwa 20 Zentimetern wiederholten.

Die Fußspuren, die Hufabdrücken ähneln. Illustrated London News, 24 February 1855
Public Domain

Die Aufregung war groß und die Menschen folgten den Spuren, die den Überlieferungen zufolge schnurgerade durch die verschneite Landschaft zogen und sich insgesamt über etwa 160 Kilometer erstreckten. Ein weiter Weg für ein einzelnes Tier in einer kalten Winternacht.
Doch damit nicht genug. Es zeigte sich, dass die unerklärlichen Abdrücke selbst vor Dächern und Mauern nicht halt gemacht hatten. Manche der Spuren endeten an einer hohen Steinmauer um genau dahinter weiterzulaufen – ohne jedoch den frischen Schnee an der Oberkante der Mauer zu verwischen. Kein Hindernis, das sich dem Urheber der Abdrücke in den Weg gestellt hatte, schien unüberwindlich. Heuschober, Gärten, Zäune, schneebedeckte Dächer, überall fanden sich die hufförmigen Abdrücke. Furcht griff in der Grafschaft um sich, da die Menschen das Phänomen nicht zu deuten vermochten und bald tauchte das Gerücht auf, dass eine dunkle Gestalt, die dem Teufel ähnelte, im Bezirk Devon gesichtet worden sei.

Da griffen die Bewohner der betroffenen Siedlungen zu den Waffen und machten sich auf den Weg, den vermeintlichen Satan in Tiergestalt zur Strecke zu bringen. Sie fanden allerdings keinerlei Hinweise auf teuflische Machenschaften. Wer oder was auch immer die Abdrücke im Schnee hervorgerufen haben mochte, blieb im Dunkel. Unverrichteter Dinge kehrten die verängstigten Bewohner in ihre Häuser zurück. Viele verriegelten ihr Heim und erwarteten besorgt die kommenden Stunden der Dunkelheit. Doch die Vorgänge jener Nacht sollten ein einmaliges Erlebnis bleiben.

Foto: istockphoto.com/at/portfolio/meshaphoto

Die Zeitungen berichten

Auch die Zeitungen brachten in den folgenden Tagen ausführliche Berichte über den Vorfall.

Hier der Beginn eines Artikels in der "Times" vom 16. Februar 1855:

EXTRAORDINARY OCCURRENCE.
Considerable sensation has been evoked in the towns of Topsham, Lympstone, Exmouth, Teignmouth, and Dawlish, in the south of Devon, in consequence of the discovery of a vast number of foot-tracks of a most strange and mysterious description. The superstitious go so far as to believe that they are the marks of Satan himself ...

Was steckt hinter dem unerklärlichen Vorfall? Mögliche Erklärungen.

An Erklärungsversuchen des "Rätsels von Devonshire" mangelte es nicht:
Neben der weit hergeholten Theorie, dass ein Witzbold einen Schabernack veranstaltet und die Spuren mit einem heißen Brenneisen in den Schnee geschmolzen hatte bis hin zur ebenso unwahrscheinlichen Vermutung, dass ein losgerissener Wetterballon die seltsamen Abdrücke hinterlassen haben könnte, fanden vor allem Zoologen noch weitere mögliche Erklärungen.

Unterschiedlichste Tiere wurden als mögliche Täter identifiziert: Dachse, Fischotter und Albatrosse (!). Eine ganz wundersame Theorie bringt die Abdrücke gar mit einem entsprungenen Känguru in Verbindung.
Plausibler erscheinen hingegen jene Thesen, die den Vorfall unterschiedlichen Nagetieren zuordnen. Waldmäuse könnten auf ihrer Nahrungssuche in die Nähe der Siedlungen vorgedrungen sein. Mäuse springen durch den Schnee und hinterlassen dabei Abdrücke in gleichmäßigem Abstand, die an offene Hufeisen erinnern. Die Nager sind darüberhinaus auch gute Kletterer, können daher auch Wände und Dächer problemlos überwinden.
Ob sich das Ereignis allerdings tatsächlich so zugetragen hat, kann heute aber natürlich nicht mit Bestimmtheit beantwortet werden.

In aufwändigen Recherchen hat der britische Historiker und Autor Mike Dash eine Fülle an Informationen zu jener erstaunlichen Winternacht im Jahre 1855 zusammengetragen. Die detailreiche Aufarbeitung der Vorfälle kann in seinem Bericht The Devil's Hoofmarks nachgelesen werden.

War es tatsächlich der Leibhaftige, der in jener kalten Februarnacht um die Häuser schlich, oder doch nur ein paar kleine Mäuschen, die auf der Suche nach Getreidekörnern auch den Siedlungen im Süden Devons einen Besuch abstatteten?
Wir werden es vermutlich erst dann erfahren, wenn irgendwo, irgendwann nach einer langen, eisigen Winternacht die "Fußspuren des Teufels" wieder im Schnee erscheinen. (Kurt Tutschek, 9.10.2017)