Brenda Patterson – das Foto stammt von der Rückseite ihres Debütalbums "Keep On Keepin' On".

Wie so oft, wenn man über Musik aus Memphis spricht oder stolpert, taucht sein Name auf: Jim Dickinson. Der 2009 gestorbene Musiker und Produzent, der Sprecher und das Gedächtnis der Musikszene von Memphis, hatte hier natürlich seine Finger im Spiel. Er hat Brenda Patterson produziert und erinnert sich in seinen posthum erschienenen Memoiren "I'm Just Dead, I'm Not Gone" mit Begeisterung: Es sei das beste Album gewesen, das er je produziert habe. Das ist bemerkenswert.

Denn Dickinson hatte seine Finger bei jeder Menge legendärer Alben im Spiel. Von Big Stars "3rd" über Alben von Aretha Franklin, Green On Red, Willy DeVille, den Replacements und Mudhoney bis zu Alex Chiltons "Like Flies On Sherbert" – um hier nicht gleich ins Listenhafte abzudriften. Er spielte mit den Rolling Stones, Bob Dylan und Ry Cooder ... und, und, und.

Brenda wer?

Dickinson kommt auf dieser Seite öfter vor, dieses Mal also wegen Brenda Patterson. An sie dachte er immer mit Wehmut. Einmal wegen ihres Talents und dann, weil nicht seine Produktion gepresst wurde, sondern was Produzent Lawrence "Larry" Cohn aus Dickinsons Vorarbeit gemacht hatte. Er soll es glatt geschliffen, Bläser ersetzt und so Dickinsons Arbeit sabotiert haben.

Aber wer ist diese Brenda Patterson überhaupt? Wann und wo die Dame geboren wurde? Keine Ahnung. Aus dem Umland von Memphis soll sie stammen, früh im Kirchenchor auf sich aufmerksam gemacht und mit 14 – laut Dickinsons Memoiren – einen Lastwagenfahrer geheiratet haben, bloß um von zu Hause wegzukommen. Klingt nicht nach glücklicher Kindheit.

Debütalbum mit Redbone

Belegt ist, dass sie Ende der 1960er, Anfang der 1970er im Musikgeschäft auftauchte. Damals war sie mit Sam Samudio verheiratet. Auch ein gebranntes Kind. Doch Samudio hatte es schon geschafft. Er veröffentlichte 1965 als Sam The Sham and the Pharaohs den bis heute jede Party zum Kochen bringenden Hit "Wooly Bully". Ein Killer.

"Wooly Bully" – fegt auch Playback immer noch wie am ersten Tag.
GoldenGreatsOldies24

1970 erschien Brenda Pattersons erstes Album. Es ist nach der Durchhalteparole "Keep On Keepin' On" benannt, als Band fungierten Redbone. Das war eine Gruppe von Native Americans und die erste, die als solche die US-Charts toppte. Mit einem abgedrehten Mix aus Funk, Rock, Blues und Cajun. Später war sie vor allem in Europa erfolgreich.

Intensiv wie Etta James

Redbone untermalten Pattersons expressive, hüfthoch im Gospel und Blues stehende Musik. Ihre Energie lässt sich mit jener von Etta James vergleichen. Das beweist sie in Coverversionen wie dem von Dylan mit Rick Danko geschriebenen "This Wheel's On Fire" und dem Traditional "Ain't No Grave Can Hold My Body Down". (Johnny Cash hat das kurz vor seinem Tod ebenfalls aufgenommen.)

"Ain't No Grave Can Hold My Body Down" ist das Herzstück des Albums. Ein fast siebenminütiger, sich gegen das ewige Dunkel wehrender Song, für den sich Patterson Herz und Seele aus dem Leib singt. Der "Rolling Stone" prognostizierte ihr nach diesem Debüt eine goldene Zukunft, verglich sie mit Aretha Franklin – aber nicht. Das Album hob trotz seiner Qualität und der angesagten Backingband nicht ab.

Der zentrale Song des Debütalbums von Brenda Patterson: "Ain't No Grave Can Hold My Body Down."
Indigo lloyd

Dennoch war sie an einem Stück Musikgeschichte beteiligt. Bob Dylan engagierte sie als Backgroundstimme für "Knockin' On Heaven's Door", das er 1973 für Sam Peckinpahs Film "Pat Garrett & Billy The Kid" geschrieben hatte. Nicht nichts.

Im selben Jahr war Jerry Wexler im Gespräch, ihr nächstes Album für Atlantic Records zu produzieren. Patterson bat Jim Dickinson, sie zu dem Gespräch zu begleiten und sich zwischen sie und Wexler zu setzen. Der hatte den Ruf, auf hübsche Frauen nicht immer wie ein Sir zu reagieren. Auch dieses Mal. Am Ende ging Patterson nicht zu Atlantic, sondern landete auf Playboy Records, dem Label des Enthüllungsjournalisten Hugh Hefner. Dickinson wurde als Produzent gebucht.

Prominente Band

Im Studio trafen sich die Besten aus Memphis und von der Westküste. Dr. John schwebte in voller Voodoo-Gala ins Studio, Ry Cooder spielte mit, Dickinson hieb in die Tasten, Lee Baker von Moloch meuchelte seine Gitarre. Songs von Jerry Lee Lewis, Johnny Otis, Bill Withers und ein Traditional standen auf der Setlist. Verstärkt von Bläsersätzen schuf Dickinson ein funkensprühendes Werk. Bluesgetränkte Songs, verschleppte Tempi, der junge Cooder als aufgehender Stern – das volle Programm. Das dokumentierte Resultat offenbart: Larry Cohn hat nicht alles versemmelt.

Der Eröffnungssong "Dance With Me Henry (Wallflower)" ist schon ein Killer. Wer Cooder schätzt, wird ihn hier deutlich wiederfinden.

Brenda Patterson mit Ry Cooder und Co in full force.
3614jacksonhwy

In "The Crippled Crow" zeigt sich Patterson gleich darauf von ihrer eleganten Seite.

Patterson als elegante Croonerin.
moriooky

Das Traditional "Jesus On The Mainline" präsentiert sie auf ihrem vom Gospel geprägten Territorium. Nicht unwahrscheinlich, dass Cooder Pattersons Layout noch im Ohr hatte, als er den Song ein Jahr später für sein Album "Tattler" aufnahm. Es scheppert, klingelt und raspelt – ein Traum.

Eine Vorlage für Ry Cooder?
Mitgespielt hat er jedenfalls.
Stefan Wirz

Der abgebremste Jukejoint-Blues "In My Girlish Day" spielt in der Liga einer Janis Joplin, doch wieder hinterließ das Album kommerziell keinen Eindruck. Ein Drama, denn beide Werke sind Gold.

Jukejoint-Blues, Patterson-Style.
Stefan Wirz

Einmal noch legte Patterson unter eigenem Namen nach, mit dem Richtung Country gehende "Like Good Wine" – auch kein schlechtes Werk. 1977 lieh sie für ein Album der Coon Elder Band ihre Stimme, dann verschwand sie aus dem Geschäft. Nur drei Mal tauchte sie wieder auf.

Ry Cooder erinnerte sich 1982 an sie, als er den Soundtrack für Tony Richardsons Film "The Border" mit Jack Nicholson schrieb. Darauf singt Patterson die Ballade "Building Fires", Sam "The Sham" Samudio war an dem Album ebenfalls beteiligt.

"Building Fires" – geschrieben hat den Song Jim Dickinson, nicht Dan Penn, wie dieses Video behauptet.
Jeroen Verdonck

Fünf Jahre später tauchte sie als Backgroundsängerin für einen Song von Green On Red auf: "Born To Fight". Jim Dickinson produzierte das Album und buchte sie für einen Chor. Sänger Dan Stuart erinnert sich.

"Dickinson wies uns an, uns für die Sänger ordentlich anzuziehen. Das taten wir. Der Chor bestand aus zwei schwarzen Jungs und zwei weiße Damen, typisch Memphis. Es bereitete mir fast körperliche Schmerzen, wie Brenda und die anderen Sänger mein Stimmchen aus dem Hintergrund wegbliesen. Ich kam mir vor wie eine Ameise, die Gott sprechen hört. Patterson arbeitete damals bei einem Autoverkäufer und schien es nicht ganz leicht zu haben, nüchtern zu bleiben. Ich fürchte, wir haben sie an dem Tag diesbezüglich ein bisschen sabotiert. Sie war supernett und sexy."

Einer der letzten dokumentierten Auftritt Brenda Pattersons – im Background von Green On Reds "Born To Fight".
actlloyd

1999 war sie noch einmal als Backgroundsängerin für Calvin Russell zu hören. Das war's dann. Mehr ist über Brenda Patterson aktuell nicht herauszufinden. Ob und wo sie lebt, was aus ihr geworden ist, liegt im Dunkeln. Bleibt, sich am Licht dieser beiden Alben zu erfreuen. So grimmig mancher Song sein mag, letztlich geht da doch die Sonne auf. (Karl Fluch, 10.10.2017)