Wien – Seit 117 Jahren verwöhnt Österreichs zweitwichtigstes Symphonieorchester – die Wiener Symphoniker – auf unbestrittenem Spitzenniveau Hörorgane in aller Welt. Nahezu ebenso lange würde es aber auch dauern, bis der Trägerverein des Orchesters seinen aufgelaufenen Schuldenberg getilgt hätte. 64 Millionen Euro Minus stehen in der Bilanz aktuell zu Buche. Theoretisch schuldenfrei wäre man im Jahr 2110.

Die fiktive Rechnung wurde nun zum wiederholten Mal vom Wiener Stadtrechnungshof in Erinnerung gerufen. Schon 2006 stellte das Kontrollorgan bei einer Gebarungsprüfung ein schlechtes Zeugnis aus. Damaliger Bilanzverlust: 46 Millionen Euro. Maßgeblicher Grund für das Finanzloch ist eine alte Pensionsregelung aus dem Jahr 1986. Mit Unterschrift verpflichtete sich der damalige Kulturstadtrat Franz Mrkvicka (SPÖ), damals in Personalunion auch Vereinspräsident der Symphoniker, zur Auszahlung einer Zusatzpension an die Orchestermitglieder. Erst 2006 wurde diese Regelung für neu eintretende Mitglieder abgeschafft.

Stadt gab Garantie

2005 garantierte die Stadt Wien (mit 13 Millionen Euro Hauptsubventionsgeber) per Gemeinderatsbeschluss den Pensionsrucksack der Symphoniker zu schultern. Im Falle einer Liquidation des Vereins würde die Stadt demnach für alle Zahlungen geradestehen. Geknüpft war der Beschluss an Bedingungen wie die Umsetzung zahlreicher auch vom Rechnungshof eingemahnter Reformschritte. Diese seien in den vergangenen zehn Jahren "teilweise, aber nicht zur Gänze erfüllt" worden, wie das Kontrollamt in seinem aktuellen Prüfbericht einmahnt.

Dem seit 2011 amtierenden Intendanten Johannes Neubert wird allerdings auch explizit Reformwille bescheinigt. Dieser zeigt sich vom Ergebnis der Prüfung nicht überrascht. Das sei so zu erwarten gewesen. "Die derzeitige Dynamik entsteht vor allem dadurch, dass weniger Pensionsleistungen durch Todesfall entfallen als neu durch Pensionsantritte hinzukommen", so Neubert zum STANDARD. "Im Ergebnis werden die Pensionszahlungen weitere zehn Jahre steigen, dann stagnieren und anschließend langfristig auf null zurückgehen", heißt es.

Was Reformen betrifft, so habe man u. a. eine Adaptierung des Orchesterkollektivvertrags im Jahr 2015 durchgesetzt, Zulagen gestrichen oder die Verrechnung von Reisezeit auf Tourneen um ca. 25 Prozent reduziert. Die Eigenerlöse hätten 2016 annähernd ein Drittel der Kosten des Orchesterbetriebs abgedeckt. Das sei im internationalen Vergleich "ein erstklassiger Wert", so Neubert.

Eine vom Rechnungshof wiederholt geforderte Reduktion des Orchesterpersonals ist hingegen weder für Neubert noch für das Kulturamt eine Option: Man stehe zum vollen künstlerischen Auftrag der Wiener Symphoniker, heißt es aus dem Büro von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ). Intendant Neubert habe bereits jetzt sehr viele Verbesserungen erreicht, einiges sei "work in progress". Es bestehe "vollstes Vertrauen" in den Intendanten. Mit dem operativen Betrieb zeigt man sich im Kulturamt zufrieden. Der Pensionsrucksack indes lasse sich "freilich nicht wegdividieren", man werde ihn noch "jahrzehntelang mitschleppen".

Weniger gelassen nahm den Bericht des Stadtrechnungshofs der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) zur Kenntnis. Im Gespräch mit dem STANDARD meinte er, dass "hier nicht so fortgeschrieben werden" könne wie bisher. "Das werden wir besprechen: mit dem Kulturstadtrat und dem Vorstand der Symphoniker, den wird man nicht aus der Verantwortung entlassen können." (Stefan Weiss, 5.10.2017)