Nicht nur in Österreich wird mit gefakten Websites Wahlkampf betrieben. Die mazedonische Stadt Veles ist so etwas wie das Zentrum der Fake-News-Industrie

Foto: Adelheid Wölfl

Er schrieb, dass Trump die Mauer zu Mexiko baue oder dass Trump die Mauer zu Mexiko nicht baue. "Mauer" war eines der Wörter, die gut funktionierten. "Ich habe jeden Tag Fox News und CNN gelesen und dann die Geschichten mit eigenen Wörtern nochmals geschrieben", erklärt Bojko sein relativ simples Businessmodell. Er betrieb eine mittlerweile gesperrte Website namens americapolitic.com. Während des US-Wahlkampfes verdiente er viel Geld, im Oktober 2016 waren es 80.000 Dollar. Seine Seite hatte bis zu 1,6 Millionen Follower. "Diese Verdienstmöglichkeiten waren neu, es war ja der erste Facebook-Wahlkampf überhaupt", meint der 27-Jährige aus der zentralmazedonischen Stadt Veles.

Ob Leute wie Bojko Trump zum Wahlsieg verholfen haben, wird man nie wissenschaftlich eruieren können. Hillary Clinton erwähnte die "Jungs in Mazedonien, die Fake-News produzieren" aber im Zusammenhang mit ihrer Wahlniederlage. Die mittlerweile gesperrten Webpages aus Veles hießen DailyInterestingThings.com, PoliticsHall.com oder USAPolitics.co. Dort war etwa zu lesen, dass Hillary Clinton angeklagt werde. Die Leute von Veles kopierten Websites der rechtsextremen Alt-Right-Ideologie, verwendeten Artikel von Breitbart News und NationalReport.net. Sie gehören selbst zu einer pragmatischen Generation, die mit politischer Propaganda aufgewachsen ist. Die letzten Jahre regierte hier eine Partei, die sämtliche Medien unter Kontrolle hatte, die wiederum für die Partei logen oder Lobhudeleien schrieben. Es ist kein Wunder, dass Faktentreue für jene, die in dieser Ära groß wurden, fremd ist.

Nachhaltiges Plagiieren

Bojko bereitet sich bereits auf den nächsten US-Wahlkampf vor, bei dem er 2020 absahnen will. "Ich betreibe jetzt drei Seiten, und habe 30.000 Follower", erzählt er. Der Mann trägt ein gestreiftes T-Shirt, er ist ein wenig nervös, weil er Angst hat, dass ihn jemand mit Journalisten sehen könnte. Schließlich wird ein anderer, der über das Fake-News-Business auspackte, mittlerweile von der gesamten Stadt geächtet.

"Ich habe diese Website als Scherz begonnen, Anfang 2010 waren wir nur vier, fünf Leute", meint Bojko. Manche schätzen, dass es in Veles heute 5000 solcher Websites gibt. "Fast alles, was ich geschrieben habe, war irgendwie wahr." Es gäbe aber auch Leute, die alles erfinden würden. Sie gelten als die, "die das schnelle Geld machen wollen", im Gegensatz zu denen die "nachhaltig" arbeiten. "Nachhaltig" bedeutet hier, dass man geschickter plagiiert und paraphrasiert. Schließlich wollen einige mit dem Betreiben von Plagiats-Websites ihr gesamtes Leben aufbauen.

Aber warum Veles? "Wir hatten bereits vor ein paar Jahren einen gewissen Bekanntheitsgrad, weil aus Veles die sogenannte 'Frankfurter Mafia' stammte, die in Frankfurt und Wien Drogen vertickte", meint Bojko. Heute argumentiert er: "Was wollt ihr? Fake-News sind doch besser als Drogen, oder?" Der digitale Goldrausch hat manche bereits so reich gemacht, dass sie sich Autos oder Wohnungen gekauft und Häuser mit Swimmingpools gebaut haben. Sie versprühten in der Ortsdisco Champagner, ihr Leben drehte sich um 180 Grad.

Alternative Fakten und Geschäfte

Es gibt hunderte Orte wie Veles auf dem Balkan, in denen junge Menschen keine Arbeit, keine Zuversicht haben und nicht wissen, wofür sie sich anstrengen sollen. An Veles ist also nichts Außergewöhnliches, außer vielleicht, dass es malerisch zwischen den Hügeln liegt, der Fluss Vardar eine Kurve mitten in der Stadt macht und die Krähen ein riesiges Theater aufführen, wenn sie sich auf dem großen Baum neben dem Brunnen niederlassen.

Vielleicht waren die Leute aus Veles also einfach schlauer und geschäftstüchtiger. Jedenfalls passen die "alternativen Fakten" – wie sie die Trump-Administration nennen würde – ganz gut zu den hiesigen "alternativen Verdienstmöglichkeiten" am Rande der Legalität.

Es geht dabei darum, Websites zu machen, die vorgeben, echte US-Medien zu sein. Das Geld kommt über den Onlinedienst Google AdSense herein, der Werbung auf den Seiten platziert. Zentral ist ein Algorithmus, der die Werbung an den Inhalt "anpasst". Wenn es um Gesundheit geht, werden Medikamente beworben, geht es um Katzen, dann Katzenfutter. Jene Anzeige wird geschaltet, die die höchsten Umsätze generiert – dadurch profitiert auch der, der die Inhalte produziert. Mit einem Klick bei AdSense verdient man 20 Cent. 2012 wurden über sieben Milliarden Dollar an die Account-Besitzer ausgeschüttet.

Bei den Websites geht es nicht um interessante, faktisch richtige, neue oder relevante Inhalte, sondern darum, dass der Viewer mit einem Lockmittel dazu veranlasst wird, Werbung anzusehen. Der Content ist nur der Lockstoff, damit der Viewer zum Werbekunden wird. Und weil aufregende, überraschende, sensationelle, "geile" Neuigkeiten sich besser verkaufen als nüchterne Fakten, wurden die Jungs von Veles zu Experten der Empörung und Aufregung. Sie lernten schnell, was Klicks und Kohle brachte, "catchy headlines" wie sie sagen, Schlagwörter wie "wow", "unbelievable" oder "amazing".

Copyrightverletzungen

Die Plagiatoren befinden sich in einem ständigen Wettkampf mit Google um Schlauheit und Schnelligkeit. Denn das Unternehmen spürt Copyrightverletzungen auf und sperrt dann die entsprechenden Seiten. Auch Facebook markiert Links zu Plagiats-Websites, die in Facebook-Gruppen verbreitet werden, als Spam und löscht sie. Nur die geschickten Faker bleiben jahrelang online. Richtig gut verdienen in Veles vielleicht zwanzig bis dreißig Leute mit den Websites, viele mit US-Politik, andere mit Berichten über gesundes Essen oder Autos und Motorräder.

Saskia möchte eigentlich als Lehrerin arbeiten, sie kann von 200 Euro aber nicht leben. Also plagiiert sie Geschichten über amerikanische Autos. Die 24-Jährige kann perfekt Englisch – eine wichtige Voraussetzung, um auf dem amerikanischen Markt zu bestehen. Denn die Websites der Faker von Veles erscheinen fast nur in den USA. Ein Klick von einem Amerikaner ist um vieles mehr wert als einer von einem Europäer. "Die Amerikaner kann man leider leichter manipulieren", meint Saskia.

Sie selbst sieht die Website als "Möglichkeit, zu überleben" oder "nicht auswandern zu müssen". "Hier in Mazedonien bist du entweder bei einer Partei, du gehst ins Ausland, oder du hast eine Website", resümiert Saskia. Sie arbeitet mit drei Leuten zusammen: Sie selbst liefert den Content, einer gestaltet die Website, und der Social-Media-Experte sorgt für die Verbreitung. Langfristig will sie eine andere, eine richtige Arbeit. "Ich glaube, dass der Markt irgendwann gesättigt sein wird und die Leute werden 'catchy topics' meiden, weil sie verstehen werden, dass dahinter keine relevanten Informationen sind", stellt sich Saskia eine aufgeklärtere Leserschaft vor. (Adelheid Wölfl aus Veles, 5.10.2017)