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Im Blockbuster "The Circle" wird ein bedrohliches BIld der digitalen Zukunft gezeichnet. Geht die Arbeitswelt in diese Richtung? Gechipte Mitarbeiter, Roboterkollegen in Anwaltskanzleien, Virtual-Reality-Brillen auf der Nase statt Anwesenheiten in Büros und Algorithmen als neue beste Manager sind ja bereits Realität.

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Ohne Diskussion der rechtlichen wie gesellschaftlichen Folgen, ohne Antworten auf die gemeinsam gestellte Frage, was wir wollen und wie wir es wollen, wirkt die Zukunft düster. Da hilft: sich einmischen, mitgestalten, teilnehmen. Diskurs einfordern.

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Digital. Noch nie war die Zukunft des Arbeitslebens in so wenigen Buchstaben scheinbar so kristallklar und eindeutig prognostiziert. Entsprechend groß ist bei solcher Eindeutigkeit die gesellschaftliche, politische und individuelle Angst und Überforderung . Künftige Brauchbarkeit oder eben Entbehrlichkeit lassen sich angeblich logisch daraus ableiten: Wer digital kann, der braucht sich global keine Sorgen machen, wird quasi Teil der Patrizierklasse, die sich Arbeit wählen und die Welt gestalten kann. Und die anderen?

Untergangsprophetie kann so leicht gehen: Die künftigen Plebejer sortieren sich ebenso folgerichtig aus und sollten besser sehr aufmerksam die Diskussionen und Feldversuche rund ums bedingungslose Grundeinkommen verfolgen. Plus sich idealerweise gleich eine Beschäftigungstherapie überlegen – weil gar nicht (irgendwie sinnerfüllt) beschäftigt zu sein ja krank macht. Ambitionierte studieren Umschulungsprogramme für etwaige Nützlichkeit in einer Art fluiden Mittelschicht, die noch nicht ganz genau weiß, ob ihre Arbeit automatisiert wird, die dem Angstfreund Roboter ins Glasauge schaut und sieht, womit sie wie zurechtkommen kann. So weit das dystopische Szenario.

Abseits der Schrecklichkeit

Diese Rechnung ist ohne Vielfalt auf allen Ebenen und in allen Dimensionen gemacht. Und ohne Blick auf die Chancen, die sich durch Automatisierung "schmutziger" Arbeiten ergeben. Hier kommen glücklicherweise die Optimisten, die Possibilisten – jene, die an das große Universum der Möglichkeiten glauben – ins Spiel: Menschen seien kreativ, adaptiv, wollten gestalten. Und das ist alles andere als naiv. Wo bleibt bei der vermeintlich ausschließlichen Schrecklichkeit des Digitalen die Perspektive auf das große Feld des neuen Umwelt- und Sozialbewusstseins? Warum werden tausende Start-ups im ökologischen und sozial-innovativen Bereich ausgeklammert? Warum wird auf die global erstarkten Zivilgesellschaften vergessen, die Unternehmen zum Wandel treiben, auf die Konsumenten, die längst nicht mehr unhinterfragt kaufen und tun, was vorgegeben ist? Ach, und apropos "Nur mehr Digitalarbeiter haben eine gute Arbeit": Lasst uns über das Nonplusultra der Klickfarmjobs und der Programmierbatterien diskutieren!

Was stimmt für mich und meinen Job? Sowohl als auch: So lässt sich wohl zum Stand der Transformation zwischenbilanzieren. Sich alles Digitale zu ersparen wird jedenfalls nicht möglich sein. Dass einige Berufe wie Hochhausdachgärtner oder vegane Konditorin oder die Auszeitmanagerin ein Stück weit ohne neue Technologien, ohne künstliche Intelligenz als Hilfsmittel auskommen, wird schon so sein. Der Fokus der Diskussionen liegt aber auf dem "Mangel".

Mangelexemplare und Future-Jobs

Immerhin ist ja bekannt: Bis 2020 fehlen EU-weit laut "konservativen" Kommissionsberechnungen mindestens eine Million Programmierer (der neue Facharbeiterjob in der 24-Stunden-Zukunftsfabrik). 900.000 Österreichern im Erwerbsleben fehlen die digitalen Kompetenzen, um künftig ihre Arbeit machen zu können, sagt der Weiterbildungsanbieter BFI Wien. Coding müsse jeder können. Data-Scientists, Softwareentwicklern und -testern und jenen, die dauernd neue Möglichkeiten im Datenstrom erschaffen, gehört daher meist die ganze Aufmerksamkeit. Rund 10.000 neue Arbeitsplätze verbucht etwa der Fachverband Informationstechnologie und Unternehmensberatung in Österreich heuer als Beitrag zur digitalen Entwicklung für sich mit derzeit 7.700 Mitgliedsfirmen und knapp 76.000 Beschäftigten. Das heimische Arbeitsmarktservice hat dazu die zukunftsstiftende Position eingenommen: Ja, es ist wohl möglich, dass jeder zweite Job durch Automatisierung wegfällt – eine Million könnte das in Österreich in wenigen Jahren sein-, aber dafür entstünden ja neue.

Futurist Thomas Frey hat sich um klingende Formulierungen gewandelter Arbeitsbezeichnungen und Jobs bemüht, die schon angekommen sind. Hier ein paar Beispiele aus der langen Liste:

  • Urban Agriculturists: Menschen, die mitten in den Städten Landwirtschaft betreiben, unterirdisch, vielleicht direkt unter dem Shop, anbauen, produzieren, innerstädtische Kleinfarmen errichten .
  • Business Colony Manager: Menschen, die fix in einem Unternehmen sitzen und viele Selbstständige in Projekten anheuern, organisieren, managen.
  • Augmented Reality Architect: Designt die Welt, die aus der Datenbrille kommt.
  • 3D Printing Engineers: Möglicherweise einer der vorübergehend am weitestens verbreiteten Berufe: dreidimensionales Drucken, praktisch in allen Bereichen vorstellbar.
  • Social Education Specialists: Voneinander lernen ist zentral. Aber welche Gruppe hat die für mich wirklich wertvollen Informationen, wie sind die Lerngruppen strukturiert? Diese Spezialisten helfen.
  • Privacy Managers künftig Privatsphäre zu haben, wird schwer. Amateurwissen reicht nicht mehr – Privatsphärenmanager sind gefragt.
  • Alternative Currency Manager: Wer glaubt, in Zeiten von über 1000 Kryptowährungen seien Banker sicher eine aussterbende Spezies, irrt demnach wohl auch: Die Position des Alternative Currency Manager sei an dieser Stelle erwähnt.
  • New Science Philosopher Ethicists: Dass die Geisteswissenschaften auf ein Business-Revival hoffen dürfen, ist ebenso nicht von der Hand zu weisen: Man werde eine gute Menge an New Science Philosopher Ethicists benötigen, sie stellen fortschrittskritische Frage, werden als Gewissen und Hinterfrager angestellt, Entscheider reißen sich um diese "neuen Hofnarren".

Innovation im Laufschritt

Trotzdem absurd? Die einen doktern am Supermenschen herum, die anderen bringen denen vielleicht ihr Essen. Bei dem Tempo, der Beschleunigung kommt eh keiner mehr mit, der nicht in den Steuerungstempeln hockt? Der Mangel an öffentlicher Diskussion führt da gleich wieder in diese lineare Düsternis: Gechipte Mitarbeiter, Roboterkollegen in Anwaltskanzleien, Virtual-Reality-Brillen auf der Nase statt Anwesenheiten in Büros und Algorithmen als neue beste Manager sind schon da. Großunternehmer der gegenwärtigen Digitalisierungswelle wie Alibaba-Gründer Jack Ma verbergen ihre Zukunftsvision auch nicht: In einigen Jahren werde das wahrscheinlich gang und gäbe, Normalität sein, ist allerorten zu hören und zu lesen.

Betrachtet man es ausschließlich so, wirkt alles wie die durchgängigen Sequenzen einer unentrinnbaren Science-Fiction mit ohnmächtigen Schaustellern, aufgeführt in denaturierten, klimawandeltauglichen Megametropolen mit entmenschter selbstgesteuerter Infrastruktur. Gründer und Konzernmanager haben die Prinzipien entworfen und in die Welt gebracht, nach denen alles funktionieren soll. Innovation im Laufschritt ohne jedwede Frage nach der Richtung hat die Autobahnen dorthin gebaut. Tausende neue Firmen im Feld der künstlichen Intelligenz setzen dem jetzt neue Dimensionen drauf – das sogenannte Deep Learning, die Stimulation mittels künstlicher, dem menschlichen Gehirn nachgebauter neuronaler Netze, macht's möglich. Google sagt, es habe eine Software, die selbstständig neue, bessere KI-Software programmiert – ein unerschöpflicher Quell, ein Perpetuum mobile des Digitalen. Ungefähr so wie im Bestseller und Blockbuster The Circle.

Es hilft nur eines

Ohne Diskussion der rechtlichen wie gesellschaftlichen Folgen, ohne Antworten auf die gemeinsam gestellte Frage, was wir wollen und wie wir es wollen, klingt das bedrohlich, gibt ein ohnmächtiges Gefühl. Da hilft nur eines: sich einmischen, mitgestalten, teilnehmen. Diskurs einfordern. An dieser Stelle eröffnet sich die Schönheit der Chance. Sich global zusammenzutun in puncto Werten, Anliegen, Gestaltung.

Das Zukunftinstitut hat seine jungen Mitarbeiter um ein Manifest der "Generation Global" gebeten, die diese Bewegung deutlich illustriert. Dass das nur für die "U30" gelten soll, abhängig von Lebensjahren zugeordnet werden muss, ist – vorsichtig formuliert – seltsam. Der Wandel ist eine Einladung an alle. Auch dazu, für jene mitzudenken und mitzugestalten, die sich nur abgehängt und aussortiert fühlen. Es gibt nie nur eine Zukunft – Eindeutigkeit und Zukunft sind ein Widerspruch in sich. In der Mehrdeutigkeit liegen auch die Chancen. (kbau, 27.10.2017)