Graz/Wien/Paris – Seit 30 Jahren ist Österreich Vollmitglied der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Der Generaldirektor der ESA, Johann-Dietrich Wörner, wird am kommenden Montag zur offiziellen Jubiläumsveranstaltung in Graz erwartet. FFG-Geschäftsführer Klaus Pseiner wie auch Wolfgang Baumjohann, Direktor des Institut für Weltraumforschung in Graz, zogen im Vorfeld eine positive Bilanz.

Verlässlicher Partner

Nach Mars und Venus und dem Kometen "Tschuri" ist die Hard- und Software von österreichischen Weltraumexperten bald auch unterwegs zum Planeten Merkur: Heute erscheint die rot-weiß-rote Beteiligung an Weltraummissionen nahezu selbstverständlich. Die Grundlage, dass Österreich ein international geschätzter und stabiler Player im Bereich der Weltraumtechnologie und -wissenschaft ist, wurde 1987 mit dem offiziellen Beitritt Österreichs zur ESA geschaffen, betonte Pseiner.

Die Forschungsförderungsgesellschaft FFG ist mit der Agentur für Luft- und Raumfahrt für Österreichs Wirtschaft und Wissenschaft die Andockstation zur internationalen Luft- und Raumfahrtszene und vertritt die Interessen Österreichs in der ESA. Pseiners Funktion als Vize-Vorsitzender des ESA-Rates ist erst vor wenigen Wochen ausgelaufen.

"Sprung ins kalte Wasser"

"Die Vollmitgliedschaft war für Österreich kein Sprung ins kalte Wasser", sagte Pseiner. Es habe natürlich schon vor dem Beitritt Weltraumforschung in Österreich gegeben: Seit 1975 war Österreich an den ESA-Programmen beteiligt, seit 1981 als assoziiertes und ab 1987 als Vollmitglied, blickte der FFG-Chef zurück. Seither könne Österreich seine wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Chancen im All "in der gesamten Vielfalt voll nutzen".

Schwerpunktmäßig beteiligt sich Österreich an den Programmen der ESA in den Bereichen Erdbeobachtung und Klimaforschung, Telekommunikation und Technologieentwicklungen. Als spezielle österreichische Kompetenzen führte er unter anderem Technologie zur Thermoisolation für Satelliten und Trägerraketen, Hard- und Software für die Signalverarbeitung von Satelliten und innovative Satelliten-Kommunikation an.

Zahlreiche Unternehmen beteiligt

"Die Stimme Österreichs wird sehr gut gehört und geschätzt", beurteilte Pseiner die aktuelle Bedeutung des Landes in der Raumfahrtagentur. "Heute spielen wir eine weitaus größere Rolle für die ESA als wir jährlich finanziell beitragen", betonte Pseiner. Österreich hat im Jahr 2016 Beiträge in der Höhe von rund 48 Mio. Euro geleistet – davon rund 18 Mio. für das ESA-Pflichtprogramm und rund 30 Mio. für ESA-Wahlprogramme. Die ESA selbst verfügte 2016 über ein Budget von rund 5,25 Mrd. Euro. Die Finanzierungsanteile der 22 Mitgliedstaaten richten sich nach dem jeweiligen Bruttoinlandsprodukt.

Den aktuellen Status des heimischen Weltraumsektors würden laut Pseiner die mehr als 120 Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit über 1.000 Vollzeitarbeitsplätzen sowie einer Wertschöpfung von weit mehr als 100 Mio. Euro illustrieren. Laut ESA-Konvention werden von den nationalen Beiträgen mindestens 90 Prozent an Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen des jeweiligen Landes in Form von Aufträgen vergeben.

Die Weltraumwissenschaft habe aus Pseiners Sicht durch die Vollmitgliedschaft "ein vielfältiges Angebot, an spannenden Missionen teilzunehmen und primären Zugang zu hochqualitativem Datenmaterial zu erlangen", bekommen. Wesentliche Beiträge zu den Missionen liefert das Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Graz.

Österreich musste erst seinen Platz finden

Der ehemalige langjährige Leiter des IWF, Wolfgang Riedler, sprach einst von harten Anfangsjahren nach dem ESA-Vollbeitritt: "Als wir beigetreten sind, haben uns ja nicht alle mit offenen Armen empfangen und schon ungeduldig gewartet, dass wir uns beteiligen. Ganz im Gegenteil war es schwer, in laufende Projekte einzusteigen, und so hat es einige Zeit gedauert, bis wir ESA-Projekte von Anfang bis Ende mitgestalten konnten", erklärte der Experte.

Dann sei die Rechnung aber doch aufgegangen: So leitete beispielsweise der Österreicher Rudolf Schmidt die mit starker heimischer Beteiligung durchgeführte ESA-Mission "Mars Express", die Kometen-Mission "Rosetta" flog mit Instrumenten und Technologie "Made in Austria", ebenso die Saturn-Sonde "Cassini-Huygens". Österreichische Instrumente und Software waren und sind mit an Bord, heimische Wissenschafter sind an der Auswertung von Daten beteiligt.

"Wissenschaftlich werden wir gehört, weil wir wirklich gut sind"

Der aktuelle IWF-Direktor Wolfgang Baumjohann ist überzeugt, dass sich die Mitgliedschaft in der ESA für die Wissenschaft lohnt. "Wir hatten früher schon ganz gute Beziehungen zur sowjetischen Weltraumforschung – aber nach dem Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion wären wir ohne ESA blöd da gestanden", sagte Baumjohann. Heute kooperiere das IWF in seinen Projekten "zu zwei Dritteln mit der ESA und zu einem Drittel mit anderen Agenturen".

Was er für besonders wichtig hält: "Österreich ist zwar eine kleine Nation, aber jede hat das gleiche Stimmrecht und vollen Zugang zu den Programmen. Wir können nicht nur in den Missionen mitarbeiten, sondern auch neue entwickeln und zum Entscheidungsprozess beitragen – und wissenschaftlich werden wir gehört, weil wir wirklich gut sind", so der Grazer IWF-Direktor.

Großes Institut

Das Personal im Institut habe sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt. "Ohne die ESA-Mitgliedschaft wäre das Institut nicht, was es jetzt ist". Mit rund 100 Mitarbeitern ist es eines der größten Institute der ÖAW. Unter dem Namen "BepiColombo" wollen die ESA und Japan 2018 eine Mission zum Planeten Merkur schicken. Das IWF ist an drei Messgeräten beteiligt, wobei es die Hauptverantwortung für ein Magnetometer und ein Ionenspektrometer trägt.

In den Gremien der ESA sei Österreich bestens vertreten, schilderte Pseiner abschließend: Erst 2015 wurde der österreichische Weltraumexperte Harald Posch zum Vorsitzenden des ESA-Rates gewählt, in dem die Weichen für die zukünftige Ausrichtung des Wissenschaftsprogramms gestellt werden. Nach seinem unerwarteten Tod (2016) übernahm dann Pseiner den Vizevorsitz und im Juni 2016 wurde der österreichische Geophysiker Josef Aschbacher ESA-Direktor für Erdbeobachtung. (APA, red, 8. 10. 2017)