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Der große Erfolg der Elektroauto-Kampagne beschert Norwegen besonders auf dem Land einen Engpass an E-Ladestationen.


Foto: Reuters

Der beispiellose Siegeszug von Elektroautos in Norwegen bringt die dortige Politik zusehends unter Zugzwang. Während der Verkauf von E-Mobilen im September erneut Rekordzahlen erreichte, hinkt der Ausbau des Ladestationennetzes immer weiter hinterher. Der Boom scheint sich somit selbst zu übertreffen.

Im vergangenen Monat wurden in Norwegen um ein volles Drittel mehr E-Mobile verkauft als im Vorjahreszeitarum. 29 Prozent aller Pkw-Neuanschaffungen in dem nordeuropäischen Land sind bereits mit einem elektrischen Motor ausgestattet. Gleichzeitig ging der Verkauf von Fahrzeugen mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren um ein Viertel zurück. Die errechnete Luftbelastung durch Neuwagen betrug im September 71 Gramm pro Kilometer. Vor genau einem Jahr waren es noch 88 g/km gewesen.

130.000 Elektromobile unterwegs

Der Ausbau des für die reibungslose Versorgung der mittlerweile rund 130.000 Elektromobile auf Norwegens Straßen notwendigen Netzes von Ladestationen kommt indes nicht nach. Obwohl heuer bisher 300 neue Schnellladestationen eingerichtet wurden, ist das bei weitem nicht genug, um den Bedarf zu decken.

Christina Bu, Generalsekretärin der Norwegischen Elektroauto-Vereinigung (Norsk Elbilforening), schätzt, dass es dreimal so viele sein müssten, um die in den größeren Städten wie Oslo oder Bergen bereits jetzt auftretenden Warteschlangen an den Ladeplätzen einigermaßen überschaubar zu halten. Sie fordert die Regierung in Oslo daher auf, rasch Maßnahmen zu setzen. Es bedürfe hier eines "nationalen Kraftakts" unter Einbindung der privaten Energieversorger, sagte sie in einem Interview zu Beginn der Woche.

Dichtes Ladenetz vonnöten

Den Menschen bloß zu raten, das Auto über Nacht zu Hause aufzuladen oder während des Tages am Arbeitsplatz, wie das die Elbilforening bereits empfiehlt, sei keine ausreichende Lösung, meint auch ihr Kollege Petter Haugneland. Die E-Mobilität nehme derartig zu, dass ein ausreichend dichtes, landesweites Netz von Ladestationen das Um und Auf sei. "Öffentliche Ladestationen und kommerzielle Schnelllader – wir brauchen mehr von beiden", betont Haugneland im Gespräch mit dem STANDARD .

In den Städten, wo Schnelllader derzeit noch vergleichsweise wenig gebraucht werden, sei das Problem nicht so groß. Auf dem Land jedoch, wo kommerzielle Anbieter aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen weniger geneigt sind, neue Stationen zu errichten, seien von der öffentlichen Hand getragene Maßnahmen hingegen unbedingt erforderlich.

Wunsch: eine Ladestation für zehn E-Mobile

Die EU empfiehlt ihren Mitgliedsstaaten, dafür zu sorgen, dass auf zehn E-Mobile mindestens eine öffentliche Ladestation kommt. Der norwegische Elektroauto-Verband schätzt zudem, dass von den Gratis-Schnellladestationen landesweit zumindest eine für 100 E-Mobile vorhanden sein müsste. Beide Ziele sind derzeit in Norwegen bei weitem nicht erreicht.

Daneben gibt es Überlegungen, zusätzliche Maßnahmen einzuführen, um die Lademenge eines E-Mobils in Stoßzeiten systematisch zu begrenzen. Bereits jetzt drosseln die norwegischen Schnellladestationen ab einem Ladevolumen von 80 Prozent und auf der Basis gewisser anderer Parameter wie etwa der Außentemperatur die Ladegeschwindigkeit. Bei starker Kälte nimmt die Reichweite von E-Mobilen trotz ständiger technischer Verbesserungen nach wie vor rasch ab. (Andreas Stangl aus Oslo, 7.10.2017)