1. Regierungswerbung, ORF unter OSZE-Beobachtung

Die OSZE hat für die Nationalratswahl sechs Wahlbeobachter gleich hinter der Ankeruhr in 1010 Wien einquartiert. Sie interessieren sich nicht alleine für geordneten Ablauf der Stimmabgabe, spätestens seit der Präsidentenwahl 2016 auch in Österreich ein Thema. Auch die Rolle der Medien vor der Nationalratswahl hinterfragen die Damen und Herren etwas genauer – und schon damit haben sie ganz gut zu tun.

Wenn Peter Pilz oder auch Alfred Noll bei den OSZE-Beobachtern im Wiener Fischhof vorbeischauen, wird es wohl auch um den Zugang von Wahlwerbern ohne Klubstatus im Nationalrat zu TV-Konfrontationen und anderen Formaten vor der Wahl gehen. Um politischer Einfluss auf Medien geht es, insbesondere auf den öffentlich-rechtlicher Rundfunk. Vielleicht findet ja auch der eine oder andere ORF-Journalist auch noch Zeit für Erfahrungsberichte darüber.

Das österreichische Phänomen besonders hoher Werbeausgaben öffentlicher Institutionen weckte ebenfalls das Interesse der OSZE-Beobachter – sie könnten da auf die Expertise von Dossier.at zurückgreifen.

Medienkonzentration und Marktbeherrschung haben die OSZE-Experten ebenfalls im Blick; ab welchen Größenordnungen Medien einen Markt beherrschen, das kann man mit ihnen fast ebenso ausführlich diskutieren wie mit ProSiebenSat1Puls4-Chef Markus Breitenecker. Ich halte es mit den 30 Prozent Marktanteil des Paragraphen 4 Kartellgesetz.

OSZE 2017 unter österreichischem Vorsitz, österreichische Wahl 2017 unter OSZE-Beobachtung.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Mit einem OSZE-Bericht zur Wahl und zur medialen Begleitmusik ist voraussichtlich Mitte Dezember zu rechnen. Es würde überraschen, käme er ohne Hinweis auf eine andere österreichische Spezialität aus – das Amtsgeheimnis alias Abwesenheit behördlicher Auskunftspflicht.

2. Gebührenzahler, "behandelt wie Unmündige"

Ein recht ausführlicher, recht forscher Befund des "Spiegel" über den deutschen Gebührenfunk hatte schon am Samstag seine Erscheinung. Der Cover-Titel "Die unheimliche Macht – Wie ARD und ZDF Politik betreiben" scheint mir ja eher kritische Publikumserwartung zu formulieren als den Inhalt der Titelstory, aber vielleicht hat mich die umfassende, gescheite und solide Darstellung nicht ganz bei der Sache gehalten und ich habe da was überlesen.

Schlussfolgerungen über gebührenfinanzierte Konkurrenz für private Medien, allzu kommerzielles, allzu seicht-unterhaltsames, allzu fußballlastiges Angebot, vor allem aber über deftig formuliertes Misstrauen des Publikums samt überschaubarer Zahlungsbereitschaft: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk (in Deutschland) "behandelt seine Nutzer wie Unmündige. Der Zuschauer hat keine Wahl, weder in dem, was er bezahlen muss, noch in dem, was er bekommt. Er wird unmündig gehalten, weil in der DNA der Sender das Bild vom unfertigen Bürger fortwirkt, der mit Trallala-Shows zum Schauen von Nachrichten überredet werden muss. Und er wird unmündig gehalten, weil er weder in den Rundfunk- noch in den Fernsehräten das Wort ergreifen und mitreden kann – die Gremien sind immer noch in der Hand der Parteien und der Interessenverbände."

"Spiegel"-Cover zur "unheimlichen Macht" der Gebührensender.
Foto: Der Spiegel Cover

Jan Fleischhauer beschreibt den "unausgesprochenen Deal" darüber in einer "Polemik" zum "Spiegel"-Coverthema so: "Die Politik sichert die Finanzierung, dafür haben ihre Vertreter freien Zugang zum Programm. Solange sich die Sender daran halten, müssen sie keine Angst um die Zukunft haben."

3. ORF zur Wahl

Wollen wir wetten, ob die nächste österreichische Regierung ihr neues ORF-Gesetz wieder einmal mit einer "Entparteipolitisierung" der ORF-Gremien promotet? Oder ob sie doch, als Alternative zu Wolfgang Schüssels ORF-Gesetz aus 2001 mit Politikerklausel für ORF-Mandate, auf eine – ein Wording-Tipp – "transparente politische Verantwortung" für das öffentlich-rechtliche Unternehmen setzt, mit einem kleinen Medienparlament als Aufsichtsrat?

Die zwei Seiten im ÖVP-Wahlprogramm zu Medien liefern kaum konkrete Anhaltspunkte, wie sich die in allen Umfragen weitaus stärkste Partei die Zukunft von und in ORF und Co. vorstellt. Das ist nicht weiter ungewöhnlich bei Wahlprogrammen.

Rätselhaft fand ich vor allem Satz (nach dem Hinweis, dass die Menschen über ihr Smartphone längst einfachen Zugang zu Informationen haben): "Der öffentlich-rechtliche Auftrag muss daher dahingehend weiterentwickelt werden, möglichst viele Menschen mit möglichst hochwertiger Information zu versorgen. Das ist ein entscheidender Unterschied. Denn damit wird das Erzielen von Marktanteilen von öffentlich-rechtlichen Produkten Teil ihres Auftrages."

Dahinter steht ein Gedanke, die den ORF interessieren könnte (auch wenn die ÖVP stets beteuert, es brauche ihn): Möglichst viele Menschen mit möglichst hochwertiger Information und möglichst hohen Marktanteilen zu erreichen, das bezieht sich keineswegs allein auf ORF-Inhalte in ORF-Kanälen, wie ich erst dachte. Da meint die ÖVP, so sagt man mir auf Nachfrage, hochwertige Inhalte auf allen Kanälen, öffentlich-rechtlichen wie auch privaten.

4. Diese Wahlumfrage kann komplett daneben liegen

Wo ich mich schon Punkt für Punkt um Wahlbezug bemühe (immerhin: die Wahl lässt sich diese Woche mit einiger Bestimmtheit voraussagen): Ein – nicht rechtskräftiger – Gerichtsentscheid könnte auch Wahlumfragen Warnhinweise vorschreiben wie Zigarettenpackerln. Naja, vielleicht nicht ganz so drastisch. Aber womöglich in dieser Tonlage: "Die tatsächlichen Wählerstimmen können außerhalb der veröffentlichten statischen Schwankungsbreite liegen und von den Ergebnissen dieser Sonntagsfrage grob abweichen."

Wer und was hinter solchen Warnhinweisen steckt – demnächst im STANDARD. Bleiben Sie dran.

5. Neue Reichweiten

Mit Wahlergebnissen ist übrigens schon am Donnerstag zu rechen: Da veröffentlicht die Media-Analyse, wieviele Österreicherinnen und Österrreicher welche Zeitungen und Zeitschriften zwischen Mitte 2016 und Mitte 2017 gewählt haben. (Harald Fidler, 9.10.2017)