Wahlkämpfen in Türkis, wahlkämpfen in Rot: Sebastian Kurz sieht sich ebenso wie Amtsinhaber Christian Kern daran gehindert, seine Inhalte zu präsentieren.

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Sie würden ja so gern über Inhalte reden, aber sie kommen nicht dazu. Nacheinander saßen eine Woche vor der Wahl die Parteichefs von ÖVP und SPÖ in der Pressestunde des ORF. Eine letzte Frage noch, nein noch eine und dann noch eine – alle zu den Manipulationen, mit denen der SPÖ-Berater Tal Silberstein die ÖVP anzupatzen versucht hat. Und zu den Patzern, die in der letzten Woche noch von Peter Puller und Rudi Fußi hinzugefügt worden sind.

Nach den anderen Spitzenkandidaten waren am achten Oktober noch jene von ÖVP und SPÖ zu Gast: die Parteichefs Sebastian Kurz und Christian Kern. Neben inhaltlichen Themen hat auch die Debatte um schmutzigen Wahlkampf viel Raum eingenommen
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Bundeskanzler Christian Kern antwortet ruhig, zweimal zuckt so etwas wie ein Lächeln in seinem Gesicht auf – aber dann beherrscht er sich, denn die Sache lässt sich nicht weglächeln. Vielleicht wegreden. Kern versucht es: "Silberstein war ein wesentlicher Teil des Kampagnenteams. Aber da ist eine ganze Reihe von Dingen passiert, die ganz eindeutig nicht gute Kinderstube waren."

Was Kern unangenehm ist

Aber die SPÖ sei eben Opfer in der gesamten Affäre, "wir haben erlebt, dass unsere Kampagne verkauft worden ist. Dass jeder Zettel hinausgespielt worden ist." Ob nicht doch die SPÖ einen Fehler gemacht habe? Ob sie sich nicht gar entschuldigen wolle, wie es die ÖVP von ihr verlangt? Kern sagt, was er seit der zeitweiligen Verhaftung Silbersteins im August sagt, dass es nämlich ein Fehler gewesen sei, sich auf ihn zu stützen. Und dann: "Mir ist das unendlich unangenehm vor den Österreicherinnen und Österreichern, dass wir da einen Beitrag geleistet haben."

Kurz zur Forderung nach einem Untersuchungsausschuss.
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Eine Stunde davor war ÖVP-Chef Sebastian Kurz im selben Studio gesessen, auch er wurde mit Vorwürfen konfrontiert – dass sein Pressesprecher nämlich Peter Puller angestiftet habe, die SPÖ auszuspionieren.

Kurz: Dirty Campaigning soll strafbar werden.
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Was Kurz nicht nur mit dem Hinweis auf den Zeitablauf (das angebliche Angebot soll im Juli erfolgt sein, als schon vieles vom SPÖ-Wahlkampf durch die Medien gegeistert ist) zurückweist, sondern auch mit der eigenen Geschichte verknüpft: Immerhin sei sein Privatleben seit dem Winter ausspioniert worden, und der Verdacht sei nahegelegen, dass der ehemalige ÖVP-Mitarbeiter Puller ein Zuträger des Dreckschleuderexperten Silberstein sein könnte: "Mein Mitarbeiter hat Puller zur Rede gestellt – er hat das abgestritten und gesagt, er arbeitet weder für Silberstein noch für die SPÖ, das haben wir ihm geglaubt."

Angriff auf den Kanzler

Dann der konkrete Angriff auf den Kanzler: "Was der Bundeskanzler versucht, ist zu vernebeln. Ich interessiere mich nicht für die SPÖ-Kampagne. Auch nicht für die Kampagnen der anderen Mitbewerber ... Es kann nicht sein, dass die, die so etwas tun, immer ungestraft davonkommen. Es sollte eine Haftung der Parteien geben, wenn sie solche Strukturen, solche Silbersteins anstellen."

Wahl 17: Pressestunde mit Christian Kern (SPÖ): Der Umgang mit PR-Beratern
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Kern habe "mit Tal Silberstein jemand ins Land geholt, der gut darin ist, politische Gegner fertigzumachen".

Mit einer konkreten Strafdrohung würden Parteien, aber auch windige Berater davon abgeschreckt, mit Dreck zu schleudern. Und wenn doch, dann komme das heraus: "Ich habe schon die Hoffnung, dass es in der SPÖ noch Menschen gibt, die sagen, da mache ich nicht mit, und die das gestoppt haben." Eine Stunde später ist Kern dran, der sich sowohl eine parlamentarische Untersuchung, vor allem aber gerichtliche Aufklärung erwartet, dann werde man schon sehen, wer dahinterstecke.

Kern zu den Koalitionsvarianten nach der Wahl
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Im Übrigen kenne er Puller gar nicht, und auch Fußi habe zwar Blöcke seiner Reden geschrieben, dies aber unbezahlt. "Durch diese Vorgänge" werde es jedenfalls schwieriger, die schwarz-blaue Regierung zu verhindern.

Um Staatsräson kümmern

Dem stellt Kern sein idealisiertes Bild der Sozialdemokratie gegenüber: "Wir waren immer diejenigen, die sich um die Staatsräson gekümmert haben. Wenn wir es nicht tun, wird es niemand tun." Im inhaltlichen Teil der Pressestunde versucht der Kanzler, seine Steuerpläne zu erläutern – fünf Milliarden Steuersenkung stellt er in Aussicht, aber mit Gegenfinanzierung durch Besteuerung internationaler Konzerne und eine Erbschaftssteuer auf Millionenvermögen.

Kern zu seinen Plänen in der Steuerpolitik
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Und er bringt noch einmal auf den Tisch, was seit Beginn seiner Kanzlerschaft sein Thema ist: Eine Wertschöpfungsabgabe soll helfen, Spielräume für die Gestaltung des gesellschaftlichen Wandels zu schaffen.

"Uns geht die Arbeit nicht aus, wir müssen sie nur bezahlen", sagt der Kanzler. Und: "Die Digitalisierung wird zu einer der größten Umverteilungsaktionen der Geschichte der Menschheit werden." Er gehe jede Wette ein, dass eine Wertschöpfungsabgabe kommen werde.

Kurz zum Steuermodell der ÖVP.
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Kurz hat deutlich andere Pläne: "Politik ist dazu da, ein Maximum für die Bürger zu leisten – mit dem Geld, das vorhanden ist. Ich will weg von einer Politik, die ständig sagt: Wo können wir mehr Geld hineintun." Er will seine eigenen Steuerentlastungspläne vor allem durch Streichung von überzogenen Förderungen finanzieren. (Conrad Seidl, 8.10.2017)