KTM fährt eigenwillige Wege, auch in Sachen Steuerpolitik.

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Vor allem Sportler und Künstler rechneten ihre Verdienste ähnlich ab wie Stefan Pierer.

Foto: STANDARD/Hendrich

Wien – Zu dem schon bestehenden Wirbel im Wahlkampf gesellte sich in der vergangenen Woche auch ein heftiger Streit über eine Steuerakte. Der SPÖ-Politiker Jan Krainer hatte im Rahmen zweier parlamentarischer Anfragen den KTM-Chef und ÖVP-Großspender Stefan Pierer heftig kritisiert, weil dieser angeblich von steuerschonenden Konstruktionen profitiert haben soll. Der Informant, auf den sich Krainer beruft, könnte bald Probleme mit der Justiz bekommen: In Österreich gilt ein striktes Steuergeheimnis. Das Finanzministerium hat eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft übergeben, weil der Verdacht besteht, dass vertrauliche Informationen weitergegeben wurden.

Der Fall sorgt derweil auch unter Österreichs Steuerexperten für Debatten. Auf Interesse stößt das von Pierer gewählte Konstrukt, sein Vorstandsgehalt über den Umweg einer GmbH zu beziehen. Krainer hatte kritisiert, dass Pierer in den Jahren 2012 und 2013 weniger als 3.000 Euro an Einkommenssteuer zahlte.

Einkünfte als Aufsichtsrat

Wie KTM klarstellte, bezogen sich diese Zahlen nur auf seine Einkünfte aus Aufsichtsratsfunktionen. Seine Tätigkeit als Vorstand bei KTM hatte Pierer 2012 und 2013 über eine GmbH abgewickelt. Diese GmbH, die "Pierer Konzerngesellschaft", die ihm zu 100 Prozent selbst gehört, hatte Pierer an KTM überlassen. Die Vorstandsvergütung floss an diese Gesellschaft und wurde dort ordnungsgemäß versteuert.

Was bringen solche Konstruktionen nun aber, und unter welchen Voraussetzungen sind sie erlaubt? – Der frühere Wiener Professor für Steuerrecht, Werner Doralt, spricht davon, dass es innerhalb der Finanz eigentlich schon seit Jahren die Bestrebung gibt, das GmbH-Modell zurückzudrängen. Doralt erzählt, dass in der Vergangenheit zunächst vor allem Sportler und Künstler damit begonnen hatten, ihre Verdienste über eine GmbH abzurechnen. "Der Scherz lautete: Wenn das so ist, dann soll doch nicht der Hermann Maier die Streif runterfahren, sondern die Hermann Maier GmbH." In der Folge kam es aber immer öfter auch in Vorstandsetagen dazu, dass die Vergütung für die geleistete Arbeit über den Umweg einer GmbH ausgezahlt wurde.

Hoher Aufwand

Theoretisch könnten auch klassische Arbeitnehmer das Modell nutzen. Diese Lösung kommt, wie Steuerberater erzählen, aber de facto nicht infrage: Ein Arbeitnehmer würde sich schon schwertun, eine GmbH für seine Lohnzahlungen zu gründen, zumal für diese Konstruktion gewisse Finanzmittel nötig sind: für den Steuerberater, der das Ganze aufsetzt, für die GmbH-Gründung selbst und die GmbH-Strukturen, die nötig sind. Die Sache macht zudem finanziell nur dann Sinn, wenn Einkünfte in die höchsten Steuerstufen fallen. Doch dazu später.

Interessanterweise wurde jahrelang in Österreich nicht gesetzlich geregelt, wann und wie erwähnte GmbH-Konstruktionen erlaubt sind. "Das System wurde geduldet", sagt Doralt.

Die Finanz begann schließlich in jüngeren Jahren einzuschreiten: Ab dem Jahr 2010 wurde versucht, in den Einkommensteuerrichtlinien, die eine Rechtsansicht der Finanz beinhalten, dem System Grenzen aufzuerlegen. Mit den Richtlinien wollte man dafür sorgen, dass klassische Vorstandsfunktionen nicht mehr über die GmbH abgerechnet werden können.

Gesetzgeber greift ein

Entgegen der Ansicht der Finanz erlaubte der Verwaltungsgerichtshof in einer Erkenntnis aus dem Jahr 2014 einem Geschäftsführer eine Anstellung und Auszahlung über eine GmbH. Als Reaktion wurde 2015 gesetzlich eingegriffen: Seither gilt, dass sich jemand nur dann via GmbH als Vorstand beschäftigen lassen kann, wenn hinter dieser GmbH auch eine Substanz steckt – wenn zum Beispiel Mitarbeiter beschäftigt werden oder es eigene Büroräume gibt.

Ein weiteres Kriterium ist, dass die GmbH nicht allein unter dem Einfluss des Managers stehen darf, dass es also es eine Art eigenständiges Unternehmen gibt. Der SPÖ-Politiker Krainer behauptet in einer parlamentarischen Anfrage, dass die GmbH-Konstruktionen auch im Fall Pierers als heikel angesehen wurde. Bei einer Prüfung soll die Firmenkonstruktion per Bescheid von der Finanz zunächst abgelehnt worden sein, so Krainer in einer parlamentarischen Anfrage.

Auf "Druck von oben" soll dieser Entscheid wieder aufgehoben worden sein. Mit Dokumenten hat der wahlkämpfende Krainer diese Behauptung nicht unterlegt, er beruft sich auch hier auf seinen "Informanten". Unabhängig bestätigen lässt sich die Aussage nicht.

"Keine Steuervermeidung"

Bei KTM gibt es dazu die Auskunft, dass die GmbH kein Konstrukt zur Steuervermeidung ist, sie beschäftigt mehrere Mitarbeiter und sei operativ tätig. Laut Firmenbuch verwaltet die GmbH tatsächlich mehrere Unternehmensbeteiligungen.

Laut KTM-Geschäftsbericht aus dem Jahr 2016 ist die Struktur heute so: Demnach wird Pierer inzwischen von der KTM Industries AG über eine "langfristige Überlassungsvereinbarung" an KTM überlassen. Bei KTM Industries ist nicht Pierer der Alleineigentümer, die Hauptanteile an dieser Gesellschaft hält die erwähnte Pierer-GmbH.

Bleibt die Frage, wo der steuerliche Vorteil der GmbH-Variante ist? Der effektive Lohnsteuersatz für Spitzenmanager mit sehr hohem Verdienst liegt in Österreich in der Regel faktisch um die 45 Prozent. Demgegenüber wird die GmbH als Kapitalgesellschaft nur mit 25 Prozent versteuern. Die Differenz liegt bei gut 20 Prozentpunkten.

Bei einer Gewinnausschüttung aus der GmbH fallen aber noch einmal 27,5 Prozent an. Ein vermögenswerter Vorteil ergibt sich laut Steuerberatern also nur in dem Fall, wenn das Geld in der GmbH angelegt wird und dort Zinsen abwirft.

Ein Beispiel: Ein Manager verdient in zehn Jahren zehn Millionen Euro. Wenn er immer Einkommenssteuer zahlt, bleiben ihm 5,5 Millionen. Legt er dieses Geld an und verdient damit zehn Prozent, bleiben ihm 550.000 Euro Gewinn. Ein anderer Manager zahlt dieselbe Summe Geld in die GmbH ein. Damit bleiben ihm 7,5 Millionen Euro. Wenn er nun ebenfalls zehn Prozent verdient, liegt sein Gewinn bei 750.000. (András Szigetvari, 9.10.2017)