Im Palais de Tokyo, wo vor kurzem noch die Paris Fashion Week stattfand, präsentierte Lenzing am Wochenende eine Weltinnovation: ein Filament auf Basis von Zellulose, mischbar mit Seide, Kaschmir und anderen hochwertigen Wollprodukten.

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Paris – Im Palais de Tokyo konnte man den Glamour der Modeschauen von Hermès, Valentino, Stella McCartney und anderen Größen erahnen, die ihre Frühjahrs- und Sommerkollektionen bis 5. Oktober bei der Paris Fashion Week ebendort präsentiert haben. Für einen Glanz ganz anderer Art war am Wochenende ein Faserhersteller aus Oberösterreich verantwortlich – Lenzing.

Drei Jahre lang hat eine Gruppe von Personen innerhalb der Lenzing-Gruppe unter strengster Geheimhaltung an der Idee getüftelt, ein Verfahren zu entwickeln, auf Basis von Zellulose ein Filament, sprich eine Endlosfaser ähnlich wie Seide, herzustellen. Etwa 50 Personen waren in das Projekt involviert, das dem Faserhersteller den Durchbruch in einen neuen Markt ermöglichen soll. Am Wochenende wurde bei einem Event im Palais de Tokyo in Paris gezeigt, was der Faden kann.

Erste Innovation bei Filamenten in 25 Jahren

"In der gesamten Filamenttechnologie hat es in den vergangenen 25 Jahren keine einzige Innovation gegeben. Das ist die erste", sagte Lenzing-Vorstandschef Stefan Doboczky. Zuletzt habe man mit Strickern und Stoffherstellern zusammengearbeitet, um das Produkt mit Markennamen Tencel Luxe zu optimieren. Darüber hinaus habe man drei junge, aufstrebende Designer gewonnen, die die ersten mit Tencel Luxe gefertigten Stoffkreationen präsentierten.

Tencel Luxe ist das bisher hochwertigste Produkt, das aus den Lenzing-Labors kommt. Adressieren will man damit den internationalen Markt der Haute Couture. Dort sei seit geraumer Zeit ein wachsender Druck von NGOs auf Modeschöpfer zu beobachten, möglichst nachhaltige Materialien einzusetzen.

Eco Couture liegt im Trend

"Das Verkaufsargument für uns ist nicht der Preis, auch wenn der deutlich niedriger ist als beispielsweise von echter Seide", sagte Doboczky. "Eco Couture ist ein Trend, der immer stärker wird. Und wir haben jetzt eine Lösung dafür."

Tencel Luxe habe nicht nur die Anmutung von Seide, sondern teilweise sogar bessere Eigenschaften, weil zum Beispiel waschbar bei 30 Grad, sagte Vertriebsvorstand Robert van de Kerkhof. Mit Seide sei es in puncto Umweltverträglichkeit nicht zum Besten bestellt, zumal die kurzlebigen Raupen sich ausschließlich von Blättern des Maulbeerbaums ernähren, diese Plantagen aber vorzugsweise in trockenen Gegenden mit enormem Wasserbedarf stehen. Zellstoff, das Ausgangsmaterial für Tencel, werde hingegen aus Hölzern wie Buchen, Eschen oder Fichten gewonnen, die aus zertifiziertem Anbau stammen – mit einer ungleich besseren Umweltbilanz.

Finale Entscheidung 2018

Mit der Pilotanlage in Lenzing werde man noch zwei Jahre das Auslangen finden, zumal es in der ersten Phase darum gehe, den Markt aufzubereiten, wie Vorstandschef Doboczky sagte. In der Folge aber werde man ein eigenes Werk für Tencel Luxe in Lenzing bauen. Die Entscheidung, wann und wie groß, soll spätestens im dritten Quartal 2018 fallen.

Im Gegensatz zu sogenannten Stapelfasern, die von Spinnern zu Garn weiterverarbeitet werden müssen, könne man diesen Arbeitsschritt mit Tencel Luxe überspringen, weil es bereits ein Garn ist. Abnehmer seien Stricker zum Beispiel in Italien und Indonesien. Tencel Luxe lasse sich mit Seide, Kaschmir und hochwertigen Wollprodukten mischen, werde aber wohl immer ein Nischenprodukt, dafür mit hohem Imagefaktor, bleiben. Zehn Kilometer von diesem Garn wiegen ganze 40 Gramm. Auf einer Spule sind 120 Kilometer aufgewickelt, was der Distanz Lenzing-Salzburg und zurück entspricht.

Der Markt für Nobelfasern, den Lenzing mit dem neuen Produkt adressiere, sei rund drei Milliarden Euro schwer, sagte Doboczky. "Darin werden wir unsere Position finden." (Günther Strobl, 9.10.2017)