Anti-Verhüllungsverbot-Aktion des algerisch-französischen Geschäftsmanns Rachid Nekkaz am Montag vor dem Außenministerium in Wien. Nekkaz will alle nach dem österreichischen Verhüllungsverbot ausgesprochenen Strafen bezahlen.

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Wien – Das Verhüllungsgesetz vulgo Burkaverbot ist seit 1. Oktober in Kraft. "Es läuft schwierig, wie es zu erwarten war", sagte Manfred Reinthaler, Pressechef der Bundespolizeidirektion Wien, am Montag nach der ersten Woche. Belastbare Zahlen, wie viele Amtshandlungen die neue Regelung bisher beschert hat, lagen noch nicht vor.

"Die Ausnahmen im Gesetz sind oft schwer auszulegen. Da müssen noch Klarstellungen getroffen werden", sagte Reinthaler. Der Gesetzestext sei "allgemein gehalten, das muss man erst auf die Einzelfälle runterbrechen. Und es gibt dazu auch noch keine Judikatur."

Algerischer Millionär in Wiener Innenstadt abgeführt

Montagvormittag wurde der algerischen Millionär Rachid Nekkaz auf dem Wiener Minoritenplatz von der Polizei abgeführt, berichtete oe24.at. Er hatte sein Gesicht unter anderem mit einem Bild von Sebastian Kurz verhüllt. Nekkaz hatte in den vergangenen Wochen wiederholt angekündigt, alle Strafen für Burkaträgerinnen in Österreich zahlen zu wollen.

Die Wiener Polizei geht nun daran, "mögliche Sachverhalte" anhand bisher aufgetauchter Vorfälle aufzulisten und mit einer rechtlichen Einschätzung zu versehen. Diese Liste soll rund 20 Beispiele umfassen und den Polizisten als Hilfe dienen. Die Beamten sollen demnächst – noch am Montag oder Dienstag – auf den "Spickzettel" zurückgreifen können. In jedem Fall bräuchten diese "viel Fingerspitzengefühl", hieß es von allen Seiten.

Wie viele Amtshandlungen auf Basis der neuen Rechtsgrundlage es bisher gab, war zunächst unklar. In Wien sei eine Monatsstatistik in Auftrag gegeben worden, sagte Reinthaler. Erste Zahlen dürften aber schon nächste Woche vorliegen. Österreichweit gebe es jedoch "keine begleitende zentrale statistische Erfassung", sagte Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck.

Anzeige wegen Haikostüms

Medial bekannt gewordene Vorfälle betreffen etwa einen als Hai verkleideten Promoter, der laut einem Bericht der Zeitung "Heute" am Wochenende in der Wiener Innenstadt bei einer Geschäftseröffnung beamtshandelt wurde. Polizeisprecher Harald Sörös bestätigte, dass es hier eine Anzeige nach dem Verhüllungsverbot gegeben habe, und zwar gegen den Auftraggeber des "Hais", den Geschäftsinhaber. Der Sprecher betonte aber, dass die Beamten nicht aus Eigeninitiative tätig geworden seien, sondern auf Aufforderung: "Es war keine eigene dienstliche Wahrnehmung. Eine Person hat die Polizei gerufen wegen eines Vermummten." Dann nahm der übliche Rechtsweg seinen Lauf und wird wohl in einen Präzedenzfall münden. Die Anzeige sei "ein normaler Vorgang im Verwaltungsrecht" und keinesfalls eine Schuldzuweisung.

Keine Anzeige habe es hingegen für die Wien-weit bekannten drei Straßenmusiker mit Pferdemasken gesetzt, auch keine diesbezügliche Androhung. Die Männer seien darauf hingewiesen worden, dass ihre Maskierung im Rahmen ihrer künstlerischen Tätigkeit beziehungsweise Darbietung wohl weiterhin zulässig sei, sie aber danach nicht als Pferde ihren Standort verlassen dürften, sagte Sörös. "Es hat nur eine Rechtsbelehrung stattgefunden."

Radlerin beim Rathaus abgemahnt

Sonnenbrillen, auch große, fallen laut dem Wiener Polizeisprecher "ganz klar nicht" unter das Verbot. Nicht ganz so eindeutig ist die Sache offenbar bei Tüchern und Schals, die das Gesicht teilweise verdecken. Wie DER STANDARD berichtete, ist jüngst eine Leserin, die mit Schal über dem Mund am Rathaus vorbeiradelte, "abgemahnt" worden. "Es gab ein kleines Gespräch mit der üblichen Identitätsfeststellung", sagte Sörös dazu.

"Es ist immer der Gesamtzusammenhang zu beurteilen und die Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen", betonte Grundböck. Bei "Tatprovokation" müsse die Polizei jedenfalls einschreiten, so Reinthaler. "Handelt es sich um eine bewusst gesetzte Provokation, um das Gesetz auszureizen, wird das nicht geduldet werden", erklärte Sörös.

Keine Temperaturen festgelegt

Beim Schal beispielsweise ist die Sache schwierig. "Der Gesetzgeber hat keine Temperaturen festgelegt", so Grundböck. "Das ist eine der unklaren Situationen, die jetzt einer Klärung zugeführt werden sollen", kündigte Reinthaler an. Noch geprüft werde auch ein Vorfall mit einer Reporterin, die zu Recherchezwecken voll verhüllt durch die Innenstadt gewandert war und ihre Erfahrungen – nichts passiert – in einer Zeitung veröffentlicht hatte. Motorradfahrer können hingegen damit rechnen, dass sie auch nach dem Absteigen, etwa beim Tanken, ihren Helm auflassen dürfen.

Tatsächlich angezeigt wurde vergangene Woche eine junge Frau, die bei einer U-Bahn-Fahrt von der Zieglergasse bis zum Westbahnhof von einer Lehrerin und einer zweiten Passantin auf die Unrechtmäßigkeit ihrer Vollverschleierung hingewiesen worden war. Daraus entstand ein Streit, im Zuge dessen die Bushiya-Trägerin den beiden anderen Frauen jeweils einen Stoß versetzt haben soll. Niemand kam zu Sturz oder wurde verletzt. Die junge Frau wurden wegen versuchter Körperverletzung sowie nach dem Antiverhüllungsgesetz angezeigt. (APA, 9.10.2017)