Die Zukunft der Central European University ist nach wie vor ungewiss.

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Es ist weiterhin ungewiss, ob es die Budapester Central European University (CEU) längerfristig weiter geben wird. Das sagte der ungarische Historiker und CEU-Professor Istvan Rev im Gespräch mit der APA. Und das, obwohl die Universität die Kriterien, die das umstrittene neue ungarische Hochschulgesetz vorgibt, mittlerweile erfüllt hat.

"Es gab ein (früheres ungarisches Hochschul-)Gesetz, dem die CEU vollkommen entsprochen hat", erzählt Rev, der die Open Society Archives an der CEU leitet. "Die Absicht des neuen Gesetzes ist, dass die CEU ihm nicht entsprechen können sollte." So forderte die ungarische Regierung etwa ein zwischenstaatliches Abkommen über die im US-Staat New York akkreditierte Universität mit der US-Zentralregierung, obwohl in den Vereinigten Staaten ausschließlich die Einzelstaaten für den Bildungsbereich verantwortlich sind. Außerdem sollte die CEU einen Campus auch in den USA selbst nachweisen, obwohl das bei internationalen US-Universitäten gar nicht üblich sei, sagte Rev.

Entsprechende Vereinbarung

Am Mittwoch dieser Woche gab dann die CEU bekannt, sie habe eine entsprechende Vereinbarung mit einem US-College schließen können. Nun fehlt noch die Unterschrift unter dem Abkommen zwischen Ungarn und dem Staat New York. Die Unterzeichnung muss laut Gesetz bis zum 11. Oktober erfolgen, dann müsste das ungarische Parlament das Abkommen bis zum 15. November absegnen. Dieser knappe Zeitrahmen erfüllt Rev mit Sorge. "Womöglich weiß nur (Regierungschef) Viktor Orban, wann das Abkommen unterzeichnet wird. Es dürfte wohl seine Entscheidung sein." Die ungarische Regierung könnte etwa die Verabschiedung über die Stichtage hinaus verzögern und dadurch die Universität in eine schwierige, unsichere Lage versetzen, befürchtet Rev.

Rev weist weiters die impliziten wie expliziten Vorwürfe der ungarischen Führung zurück, bei der CEU handle es sich um eine liberale politische Kaderschmiede. "Die CEU ist eine ausschließlich akademische, keine politische Institution. Wir bilden keine Aktivisten aus", betonte der Wissenschaftler, der diese Woche auf Einladung des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) in Wien war.

Öffentliches Feindbild

Hinter den Attacken auf die CEU verbirgt sich laut Beobachtern, dass der Universitätsgründer, der liberale ungarischstämmige US-Financier und Philanthrop George Soros, von der Regierung Orbans in jüngerer Zeit zum öffentlichen Feindbild aufgebaut wurde. Dabei sind mehrere Fidesz-Politiker CEU-Absolventen und auch Regierungschef Orban selbst hatte als Student von einem Stipendium von Soros' Open Society Foundation profitiert.

Nach Ansicht Revs werden die Angriffe auf Soros sogar das Hauptthema des Wahlkampfes im Vorfeld der ungarischen Wahlen im Frühjahr 2018 ausmachen. Aber warum ausgerechnet Attacken gegen diesen 87-jährigen US-Bürger, der im Alltag der einfachen Ungarn gar keine Rolle spielt? "Orban hat schon länger 'Krieg' gegen Brüssel bzw. die EU geführt. Aber es ist schwer, gegen solche abstrakten Begriffe zu kämpfen. Es ist besser, sie zu personifizieren", analysiert Rev.

Antisemitismus und Islamfeindlichkeit

Und dafür biete sich Soros als Persönlichkeit hervorragend an. "Er ist reich, er ist zwar ungarischer Herkunft, aber lebt im Ausland, also ist er irgendwie entwurzelt. Er ist ein Spekulant – und er ist Jude." Durch die Vorwürfe der ungarischen Führung, es gebe einen "Soros-Plan" zur Ansiedlung von Muslimen in der EU, könne man "versteckten – oder gar nicht so versteckten – Antisemitismus mit Islamfeindlichkeit geschickt verbinden", beschreibt Rev. Der Vorwurf laute: "Dieser Jude bringt die arabischen Terroristen nach Europa, um damit die Souveränität der christlichen Länder zu untergraben."

"Wichtig ist dabei zu sehen: Es geht gar nicht darum, dass 'wir' ein Teil des Westens bzw. Europas sind. Vielmehr verteidigen 'wir' die christlichen Werte – nämlich auch gegen den 'dekadenten' Westen", beschreibt der Historiker die Sichtweise der Orban-Führung. "'Wir' stellen uns gemeinsam mit (Wladimir) Putin (russischer Präsident, Anm.) gegen den Westen – und beschützen gemeinsam mit ihm die christlichen Werte." (APA)