In 40 Meter Höhe ist gut versteckt das Baumhaus, sichtbar ist nur die Plattform für die Seilrutsche.

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Hunderte Meter über dem Boden geht es auf Drahtseilen durch den Regenwald.

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Auf dem Weg sollte man in der Kultur- und Tempelstadt Luang Prabang, der kleinen Spaßmetropole Vang Vieng mit ihren Höhlen, der Hauptstadt Vientiane und vor allem bei der entlegenen Konglor-Höhle haltmachen.

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Der erste Versuch ist noch harmlos. Vor einem Bach legen wir unsere Gurte an, schnallen den Karabiner auf die Rolle am Drahtseil, lassen uns fallen, gleiten ein paar Sekunden durch die Luft und springen auf dem anderen Ufer auf eine kleine Plattform. Mehr ist es nicht, erklären uns unsere laotischen Führer in etwas gebrochenem Englisch, nur etwas länger.

Vor der Abfahrt in den Nam-Kan-Nationalpark im hohen Norden von Laos haben wir im Büro von Gibbon Experience per Video noch eine Einweisung bezüglich des richtigen Verhaltens beim "Ziplining" erhalten sowie Handschuhe, Gurt und Helm. Dann wird man auf holprigen Straßen in den Park gefahren, Dauer: eine gute Stunde.

Vor rund 20 Jahren hat ein französischer Schullehrer das Gebiet entdeckt und eine lokale Initiative gegründet, um das illegale Abholzen der riesigen Regenwälder in der Bokeo-Provinz zu stoppen und auch die von Ausrottung bedrohten Gibbonaffen zu retten. Die Lösung: ein Programm, damit Touristen den Regenwald möglichst hautnah erleben und die lokale Bevölkerung sich einen Lebensunterhalt verdienen kann.

Schreiend in die Leere

Zwischen Hügeln und Bäumen wurden über die Jahre insgesamt 15 Kilometer Drahtseile gespannt, auf denen man auf Seilrutschen über die Baumkronen fliegen kann – bis zu 600 Meter weit. 140 Dorfbewohner haben hier ständige Arbeit gefunden, und die Organisation zahlt zwei Dutzend Wärter, die den Wald vor Wilderern schützen sollen. In Reiseführern wie "Lonely Planet" wird Gibbon Experience als eine der Topattraktionen von Laos gelistet – zu Recht.

Nach eineinhalb Stunden recht steilem Anstieg erreichen wir die erste echte, über einen bewaldeten Abgrund gespannte Zipline. Nun wird es ernst. Die Ersten in der Gruppe haken sich ein und rollen mit gellendem Schrei in die scheinbare Leere. Wer aus Angst die Augen schließt, verpasst die prachtvolle Aussicht über den Regenwald. Und auch wenn man beim Flug 200 Meter über dem Boden das Gefühl von hoher Geschwindigkeit hat, besteht bei der Landung eher die Gefahr, dass man zu früh bremst und sich die letzten Meter mühsam hochziehen muss. Es sind schließlich immer nur einige Meter Höhenunterschied zwischen den Plattformen.

Spartanische Unterkünfte mit Freiluftdusche

Nun geht es weiter von Drahtseil zu Drahtseil, mit immer mehr Mut und zunehmendem Spaß. Die Landschaft verändert sich wenig, aber je weiter wir vorstoßen, desto ferner scheint die Zivilisation. Nach mehreren Stunden erreichen wir schließlich den Ort, wo wir den Abend und die Nacht verbringen sollten: zwei große Baumhäuser in 40 Meter Höhe, zu denen man auch nur per Drahtseil gelangt. Es sind mehrstöckige technische Wunderwerke, die in den Baumkronen zu schweben scheinen. Dort kochen lokale Helfer das Abendessen für die Gruppe, erzählen Geschichten und zeigen uns die Freiluftdusche mit Blick in die Bäume, die mit Regenwasser gespeist wird, sowie die spartanischen Schlafplätze.

Am nächsten Morgen gibt es für Hardcore-Fans eine Zusatzrunde über mehrere Drahtseile in der Umgebung, bevor die Gruppe gemeinsam zum Endpunkt des Ausflugs zurückrutscht. Einige gehen paarweise in die Luft, andere lassen die Hände los, um mit ihren Kameras zu filmen. Wir fühlen uns alle sicher dabei – nicht wissend, dass einige Wochen später hier ein US-Tourist beim Rutschen abstürzen und ums Leben kommen würde, weil bei der Wartung ein schwerer Fehler gemacht wurde. Ein harter Schlag für das Gibbon Experience, bei dem es bis dahin nur einige verstauchte Knöchel gegeben hatte. Nach einigen Tagen Pause und strikten Überprüfungen aber sind die Seilrutschen wieder im Betrieb.

Der Primat bleibt unsichtbar

Besuchern stehen drei Varianten zur Auswahl: "Express" ist die meistgebuchte Option über zwei Tage, bei der das Rutschen im Mittelpunkt steht. "Classic" über drei Tage gewährt einem mehr Zeit, um gemächlich die Natur zu erkunden, und das dreitägige "Waterfall"-Programm enthält längere Wanderungen durch den Wald. Die Anmeldung erfolgt per E-Mail, der Preis beträgt rund 100 Dollar pro Tag, gezahlt wird im Voraus per Paypal.

Express und Waterfall erfordern eine gewisse körperliche Fitness, und wer mehr als 110 Kilo wiegt, kann gar nicht mit. Die Teilnehmer sind meist junge Rucksacktouristen, aber wer Bergwanderungen gewohnt ist, hat auch im höheren Alter kein Problem. Bei den dreitätigen Varianten kommt man tiefer in den Naturpark hinein. Doch selbst da ist die Chance, einen Gibbon zu erblicken oder nur zu hören, äußerst gering. Der namensgebende Primat, zu dessen Rettung man hier beitragen soll, bleibt unsichtbar.

Vom Norden in den Süden

Ausgangspunkt für das Abenteuer ist die etwas triste Mekong-Stadt Houayxay, wo Reisende davor und meist auch danach übernachten. Für viele Besucher ist es dank seiner Lage die erste oder letzte Destination in Laos. Wer das langgestreckte Land mit kommunistischer Regierung und zunehmend kapitalistischer Ausrichtung von Norden nach Süden bereisen will, der kann von Bangkok billig nach Chang Rai fliegen, in Houayxay starten und sich bis zu den tausend Mekong-Inseln an der Südgrenze vorarbeiten – und von dort nach Kambodscha weiterreisen oder über das thailändische Ubon Ratchathani nach Bangkok zurückfliegen.

Auf dem Weg sollte man in der Kultur- und Tempelstadt Luang Prabang, der kleinen Spaßmetropole Vang Vieng mit ihren Höhlen, der Hauptstadt Vientiane und vor allem bei der entlegenen Konglor-Höhle haltmachen. Durch sie führt 7,5 Kilometer lang ein unterirdischer Fluss – für eine märchenhafte, weltweit einmalige Bootsfahrt. (Eric Frey, RONDO, 13.10.2017)

Das offizielle Gibbon Experience Video
The Gibbon Experience Lao