Prostatakrebs ist durch Früherkennung gut in den Griff zu bekommen, ab dem 45. Lebensjahr sind PSA-Kontrollen empfehlenswert.

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Kaum ein Thema sorgt zurzeit für so viele Diskussionen wie der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs. Amerikanische Experten hatten 2012 nach der großen PLCO-Studie ("Prostate, Lung, Colorectal, and Ovarian Cancer Screening Trial") davon abgeraten: Männer hätten keinen Benefit davon, so das Ergebnis. Doch gleichzeitig hatte die zweite große ERSPC-Studie ("European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer") aus Europa das Gegenteil gezeigt: Dank des Tests starben weniger Männer, so deren Resultat. Was also stimmt? In einer neuerlichen Auswertung der PLCO-Studie wurde klar: Die Forscher hatten schlampig gearbeitet, deshalb wurden die Ergebnisse falsch interpretiert.

Die Europäer haben recht. Die Sterblichkeit sinkt, gemäß neuen Analysen sogar um mehr als die Hälfte. "Der PSA-Test ist super", sagt Markus Graefen, Urologe am Prostatakrebszentrum der Uniklinik Hamburg-Eppendorf. "Aber nur, wenn man ihn in der richtigen Situation anwendet und korrekt interpretiert." Als er vergangenes Jahr auf einem Kongress hörte, wie die PLCO-Studie durchgeführt worden war, sei er fassungslos gewesen. 90 Prozent der angeblich Nichtgetesteten haben sich doch testen lassen – insgesamt sogar mehr Männer als in der PSA-Gruppe. "Die Studie hat also zwei Gruppen verglichen, in denen der Test fast gleich häufig durchgeführt wurde", erklärt er. Kein Wunder, dass kein Unterschied in der Sterblichkeit gefunden wurde. "Bei dem Mischmasch hätten die Kollegen gar keine Schlüsse ziehen oder die Studie veröffentlichen dürfen."

Amerikanische Schlamperei

Immerhin schienen einige der PLCO-Forscher ihre Schlamperei eingesehen zu haben, denn sie halfen bei der neuen Auswertung mit. "Ich fand es super, dass die Kollegen sich dazu durchgerungen haben", sagt Maciej Kwiatkowski, Urologe am Kantonsspital im schweizerischen Aarau und ebenfalls einer der Autoren der neuen Studie. "Ich glaube, die Studienleiter haben damals unterschätzt, was für Auswirkungen es haben kann, wenn man die beiden Gruppen nicht sauber voneinander trennt."

In der neunjährigen ERSPC-Studie führte der PSA-Test zu einer Reduktion der Sterblichkeit von 21 Prozent. Aber was bedeutet das? 1410 Männer musste man zum PSA-Test einladen und 48 Prostatakrebserkrankungen diagnostizieren, damit einem Mann das Leben gerettet werden konnte.

"Je länger die Studien dauern, desto mehr scheint sich der Test zu lohnen", sagt Graefen. So müssen gemäß der 14-jährigen Teilstudie der ERSPC-Studie aus Schweden 293 Männer zum Test eingeladen und zwölf Krebserkrankungen diagnostiziert werden, um einen Todesfall zu verhindern, was einer Risikoreduktion von 44 Prozent entspricht. In der 13-jährigen Teilstudie aus den Niederlanden wurde das Risiko sogar um mehr als die Hälfte reduziert. Von 34.833 Studienteilnehmern machten 15.428 den Test so wie vorgesehen, von denen letztendlich 42 an Prostatakrebs starben. Von den 15.381 Nichtgetesteten starben doppelt so viele, nämlich 78. Rechnet man die Daten auf eine lebenslange Beobachtung um, müssten nur noch 98 Männer eingeladen und fünf Krebserkrankungen festgestellt werden, damit einem Mann das Leben gerettet werden kann.

Ab 45 macht es Sinn

Es gibt keine generelle Empfehlung für ein PSA-Screening. "Der PSA-Test ist die einzige Möglichkeit, Prostatakrebs in einem heilbaren Stadium zu entdecken", sagt Stephan Madersbacher, Urologe am Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien. Er empfiehlt einen ersten Test im Alter von 45 bis 50. Liegt der PSA-Wert dann unter 0.5, sei eine Kontrolle erst in acht Jahren erforderlich. "Hat man Werte über 1, sollte man engmaschiger kontrollieren."

Allerdings kann der PSA-Wert auch nach einer langen Fahrradtour, nach Geschlechtsverkehr, bei einer gutartigen Vergrößerung der Prostata oder einer Entzündung von Harnblase oder Prostata ansteigen. Bei einem Wert von über 3 sollten eine Prostataentzündung oder Blasenentleerungsstörungen ausgeschlossen und dann eine Biopsie durchgeführt werden. Zeigt sich dabei Krebs im Frühstadium, kann man operieren oder auch aktiv überwachen, das heißt, regelmäßig den PSA-Wert bestimmen und Biopsien entnehmen. Als Alternative kann man den Tumor bestrahlen.

Maurice-Stephan Michel, Chef-Urologe an der Uniklinik Mannheim, ist dagegen, den Test jedem Mann gleich welchen Alters zu empfehlen. "Man muss das individuell entscheiden", sagt er. "Denn ein erhöhter Wert kann andere Untersuchungen oder Eingriffe nach sich ziehen, die Komplikationen verursachen." Dazu zählen zum Beispiel Impotenz oder Inkontinenz.

Mit Unsicherheit leben

In einigen Fällen wächst Prostatakrebs allerdings derart langsam, dass er keinerlei Symptome verursacht und ein Mann auch nicht daran stirbt. Oftmals reiche es, engmaschig zu kontrollieren, ob der Tumor weiterwächst. Aber längst nicht alle Männer kämen mit der stets präsenten Unsicherheit zurecht, ob nun der Krebs voranschreitet oder nicht. "Die Entscheidung für oder gegen den Test ist nicht einfach", gibt Michel zu. "Man muss sich umfassend informieren und sich letztlich selbst eine Meinung bilden. Feststeht: Der PSA-Test kann Leben retten." (Felicitas Witte, 10.10.2017)